Köhler im Abseits

 

28. März 2009 FP Deutschlands

von J. Hertrampf

 

Die Stimmung im Lande ist gedrückt.

Die Menschen haben das Gefühl, dass sie einer Katastrophe entgegen gehen. Die täglichen Meldungen über die Milliarden und Billionen, mit denen die Regierenden nur so um sich werfen, verbreiten Entsetzen, weil das kein echtes Geld ist. So etwas kann nicht gut gehen. Der Hoffnungsträger von gestern, der neu gewählte US-Präsident Obama, erweist sich heute als zu schwach, um den versprochenen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten. Wie werden die Menschen in Amerika diese Enttäuschung verkraften? – Die gigantischen Schuldenaufnahmen und das militärische Großmachtgehabe rufen schlimmste Befürchtungen wach, zumal die BRD politisch, wirtschaftlich und militärisch fest an die USA gekettet ist.

 

In dieser Untergangsstimmung meldete sich Bundespräsident Horst Köhler zu Wort. Ist er der Fackel-träger der Deutschen, der Cherusker, von dem Licht, Kraft und Hoffnung ausgeht? Köhler wollte mit seiner „Berliner Rede“ die Menschen beruhigen, wollte erreichen, dass sie glauben, sie seien in den Händen ihrer Politiker gut behütet. Er sprach in vertraulicher Wir-Form. Er wollte den Graben über-winden, damit sie wieder denen vertrauen, von denen sie enttäuscht sind. Aber hat sich etwas geändert im Lande, was die Hoffnung rechtfertigen könnte? Noch sind überall die alten Gestalten. Sie sind kleinlaut geworden und unsicher, aber deswegen nicht vertrauenswürdiger.

 

Köhler hätte die Ursachen offenlegen müssen, warum es so gekommen ist, die systemeigenen objektiven Ursachen. Das ist eine Voraussetzung dafür, um überhaupt richtige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Aber er tat das nicht. Er fragte gar nicht nach den Ursachen der Krise. Sie ist eben hereingebrochen und nun müsse man damit fertig werden. Er lobte die Regierung, dass sie schnell gehandelt hat, aber er hinterfragte nicht, ob sie richtig gehandelt hat. Das ist eine weitere schwache Stelle seiner Rede. Die Mehrheit der Deutschen hält es nämlich für falsch, die Krise mit neuen Schulden zu überwinden, mit sogenanntem frischen Geld, das nur aus dem Hut gezaubert wird, das aber die Zinslast von echtem Geld hat. Doch er ging noch nicht mal auf diesen Zweifel ein. Und um den Verdacht an der Lauterkeit des Schuldenmachens zu zerstreuen, beteuerte er treuherzig. „Darum verpflichten wir uns schon jetzt verbindlich, die Staatsschulden zurückzuführen, sobald die Krise überwunden ist.“ Da fragt man sich erstaunt: Wieso wir? Wer ist wir? Wieso verbindlich verpflichten? Gibt es auch unverbindliche Verpflichtungen? Wieso diese Staatsschulden zurückführen? Da sie doch nur Geld ohne Wert sind, ungedecktes Geld aus der Druckerpresse? Dieser eine Satz macht den ganzen Schwindel deutlich, wie bei einem Jungen, der ohne rot zu werden seinen Lehrer anlügt. „Die Steuerzahler haften mit gewaltigen Summen“, sagte er weiter. Aber haben die Steuerzahler die Schulden gemacht? Bei keiner Wahl wurden Bundestag und Bundesregierung legitimiert, eine solche Schuldenlawine loszutreten. Deshalb muss das ganze Geschäft ruhen, bis zu einer Volksbefragung, bis der Souverän entscheidet, ob er diese betrügerischen Schulden anerkennen oder ob er sie einfach vom Tisch wischen will. Und das bedeutet zunächst ein Schuldenmoratorium bis zur Volksabstimmung.

 

Eine neue Finanzordnung soll her, forderte Köhler. Und dabei müsse Deutschland in der Europäischen Union eine Führungsrolle einnehmen. „Nutzen wir die Krise, um der Einheit Europas ein neues Momentum zu geben.“ Köhler sieht hier offensichtlich die Möglichkeit, mit Hilfe der Finanzkrise die ins Stocken geratene Ratifizierung des Lissabon-Vertrages wieder in Gang zu bringen. Hätte er sich mit den Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise befasst, wäre er nicht zu einer solch irrealen Vorstellung gekommen. Die eigentliche Ursache der Finanzkrise ist, dass das Geld als Herrschaftsmittel, wie alle anderen Herrschaftsmittel auch, das System nicht mehr stabilisiert, sondern destabilisiert. Wenn man die Augen nicht vor der Wirklichkeit verschließt, muss man doch feststellen, dass das Herrschaftsprinzip seit langem in einer ausweglosen, sich zuspitzenden, Krise steckt, die Geldherrschaft ist hier nur ein Teil davon. Auf keinem Gebiet gelingt es mehr, die Menschen und Völker in alter Manier zu unterdrücken. Die Ära der Freiheit ist angebrochen, gegen die sich die verstockten Mächte der Vergangenheit sträuben. Aber sie sträuben sich mit immer weniger Erfolg. Selbst die Wahl von Obama zum Präsidenten ist ein Zeichen der Veränderung, wenn auch widersprüchlich wie alle Realität. So begeht er einen unverzeihlichen Fehler, wenn er ständig den Führungsanspruch der USA in der Welt betont. Reden wir nicht über seine Absichten, aber indem er eine solche Absicht über die Lippen bringt, beweist er, dass er den gegenwärtigen Sinn der Weltgeschichte nicht verstanden hat. Wer dieses Ziel verfolgt, der passt nicht in die Welt von morgen, der hat nicht erkannt, dass die Freiheit der Völker keine Vorherrschaft mehr duldet, weder in der Welt, noch in Europa. Das ist der eigentliche Grund, weshalb die EU hoffnungslos festgefahren ist und auch mit der Finanzkrise den Völkern diese Zwangsjacke nicht mehr überzuziehen ist.

 

Köhler erkennt nicht den Sinn der Gegenwart, den wesentlichen Inhalt des gesellschaftlichen Wandels, der wirklich ansteht. Aus diesem Inhalt ergibt sich aber auch, dass die Krisenüberwältigung in der Eigenverantwortung der Völker liegen muss. Die Politiker, die es wirklich auf einen Wandel abgesehen haben, müssen alle Fesseln und Hemmnisse beseitigen, die dieses befreiende Erwachen der Völker behindern. Sie müssen ihren Völkern immer mehr unmittelbare politische Befugnisse in die Hände geben. Das muss der Inhalt sein, wenn sie das Wort global verwenden. Nur die weltweite Kooperation selbständig handelnder Regierungen, auf dem Boden der Volkssouveränität in den jeweiligen Ländern und in freier Gemeinschaft der UNO, bringt Stabilität, Wohlstand und Sicherheit für die Welt, für Mensch und Natur. Das sind die Konturen einer künftigen Weltordnung und damit auch einer Welt-Finanzordnung. Die Politik muss also gründlich durchforstet werden, um sie von den alten Herrschaftsansprüchen zu befreien.

 

Köhler hofft, dass es den Regierenden in der BRD gelingt, die Bürger auf ihren Kurs festzulegen, er hofft, dass die Protestwelle, die in Europa ein Land nach dem anderen ergreift, an der BRD vorüber geht. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Deutschen kommen langsam in die Gänge. Wenn sie sich den Schlaf aus den Augen gerieben haben, werden sie mit gewohnter Gründlichkeit an die Dinge gehen. Köhler wollte mit seiner Rede dem vorbeugen. Er befürchtet zu recht, dass die heute Regierenden dann nicht mehr gebraucht werden, wie immer in der Geschichte. Durchhalteparolen waren stets ein Hinweis auf das nahe Ende: „Die kommenden Monate werden sehr hart….Wir werden geprüft werden.“ Als säßen Volk und Regierung in einem Boot. Nicht das Volk wird geprüft. Wer sollte das tun? Der Souverän prüft selbst. Er wird prüfen nach dem Motto:“ Gewogen und zu leicht befunden.“ Wie falsch die Gedankenwelt Köhlers ist, kann man seinen Worten entnehmen: „Wir werden Ohnmacht empfinden, und Hilflosigkeit und Zorn.“ Den Zorn empfinden die Menschen schon jetzt und er wird noch größer werden. Aber Ohnmacht und Hilflosigkeit? Ein Volk, das sich nicht der Unterdrückung beugt, das kraftvoll handelt, empfindet keine Ohnmacht und Hilflosigkeit.

 

Schaffen wir das Bewusstsein, dass jeder die vernünftige Alternative kennt, dann wird der Zorn, gelenkt von der Einsicht in die Zukunft, eine gewaltige verändernde Kraft. Die Freiheit wird dem Volk nicht gegeben, es muss sich die Freiheit nehmen, damit es Verantwortung tragen kann.