Krise - Diesmal Erneuerung, Teil 2

 

29. Mai 2009 FP Deutschlands

von J. Hertrampf

 

2. Der Globalisierung absagen

Bisher galt: Die Globalisierung ist für die Politiker eine heilige Institution. Wer sie hinterfragt, der ist nicht auf der Höhe der Zeit. Zu offensichtlich breitet sich um die Welt ein immer intensiverer Strom von Waren und Informationen aus, mit immer kürzeren Intervallen. Von der Globalisierung werden Erfordernisse abgeleitet, wie die Angleichung von Rechtsauffassungen, von einheitlichen wirtschaftlichen Normen und ökologischen Standards. Von ihr werden aber auch neue Chancen für die Sicherheit und den Wohlstand abgeleitet, die dem Bürger zugute kommen, da er sich rund um die Erde unbeschränkt aufhalten kann. Die Politiker als Vordenker der Globalisierung haben den Prozess offensichtlich tief erfasst, denn anders ist ihr starkes Selbstbewusstsein nicht zu erklären, das gleichsam die Gewähr für eine schöne, starke und sichere Welt ist. Ihre Zusammenkünfte verlaufen immer erfolgreich, weil sie den Gang der Dinge bestimmen. Konsequenzen, die für den Bürger nicht so erfreulich sind, sprechen sie offen aus und wirken dadurch aufrichtig und berechenbar: Zurückhaltung bei Löhnen, Lockerung des Kündigungsschutzes, Senkung der Lohnnebenkosten, alles im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit und der langfristigen Wohlstandssicherung. Die deutschen Gewerkschaftsführer und Linken akzeptierten diese vernünftige Konzeption der Regierenden und weisen ständig daraufhin, dass die sozialen Grundrechte bei der Globalisierung unbedingt gewahrt bleiben müssen. – Nein, nie in der deutschen Geschichte hat es eine solche langandauernde und verständnisvolle Übereinstimmung, eine solche traute Gemeinschaft zwischen der Regierung und den Führern der Unter- und Mittelschichten gegeben. M. Sommer, F. Müntefering und O. Lafontaine sind sich einig, es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie der Globalisierung, um die menschliche Variante im Unterschied zur kaltherzigen Variante. Ihr Zorn auf Kundgebungen ist der Zorn von Schauspielern auf der Bühne. Die Menschen erwarten aber von ihnen keine Unterhaltung, sondern Führung. Deshalb ihre Enttäuschung. Hier liegt der hauptsächliche Grund, warum es in der BRD keine Massenproteste gibt, wie in Frankreich – weil niemand die Massen aufruft und führt.


Dieses Bild der Eintracht und des Erfolgs – 60 Jahre BRD gleich 60 Jahre deutsche Erfolgsgeschichte – ist mit der Finanzkrise schwer beschädigt worden, da die Globalisierung sich jetzt von ihrer Schattenseite zeigt und die rhetorischen Seifenblasen platzen. Im Volk breitet sich die Angst aus, dass in einem kurzen heftigen Gewitter alle sorgfältig gepflegten Annehmlichkeiten weggespült werden könnten. Die Politiker reden beschwichtigend vom Ende der Krise, allerdings ohne konkrete Zeitangaben. Und dann sind auch Steuersenkungen und andere Annehmlichkeiten möglich. Das erinnert an überholen, ohne einzuholen, also an Hexerei.


Die Finanzkrise schlägt in die Realwirtschaft durch. Unter dem Einfluss der Börsen haben sich in ihr Strukturen verfestigt, die unflexibel und herkömmlich sind. Es fehlt an wirklichen technischen Neuerungen, an Pionierentwicklungen, für die ein ganzes Volk mitfiebert. Die Welt verliert insgesamt an innovativer Dynamik. Zwar wird vieles höher, schneller, weiter, ohne jedoch wirklich originell zu sein. Das Tempo ist atemberaubend, dennoch stagniert die Gesellschaft.


Das Wirtschaftswachstum findet in den Schwellenländern statt, von dem die westlichen Industriestaaten profitieren. Dorthin können sie ihre Maschinen, ihr Know-how liefern. Doch dieser Zug schwächt sich ab, weil die Schwellenländer nicht nur über billige Arbeitskräfte verfügen, sondern in ihnen auch ein intellektuelles Potential heranwächst. Noch lacht der Westen über Autos aus Indien und China, doch bald werden diese nicht nur billiger, sondern auch besser sein. Diese Länder haben ein über Jahrhunderte aufgestauten Ehrgeiz, einen enormen Leistungswillen. Und sie haben starke kulturelle Wurzeln. Die USA, Sinnbild von Stärke und Prosperität, sind schon durch ihr permanentes Außenhandelsdefizit in Abhängigkeit von China geraten, einem Schwellenland und dazu ein sozialistisches. Der Nimbus der USA ist weg und mit ihm die Autorität. Melancholie und Depression breiten sich in der westlichen Welt aus – und die Angst vor dem Untergang. Aber da sind die westlichen Zivilisationswerte. Doch die Völker winken ab, wenn sie Demokratie und Menschenrechte hören. Kein westliches Land ist ein Vorbild. Der Westen verbraucht seine Vorräte, weil er stehengeblieben ist.


Die Finanzkrise ist mehr als eine Krise des Finanzsystems. Ihre Ursache ist der gesamte gesellschaftliche Zustand. Sie ist ein Indikator des inneren Zustands, des fortschreitenden Verfalls. Die Krise ist nur das in Geld ausgedrückte Schaubild der allgemeinen Situation, weil alles in Geld berechnet wird. Sie bringt eine allgemeine Empfindung auf den Punkt, der nicht mehr relativiert werden kann. Die Krise wird in Zahlen ausgedrückt. Und Zahlen wirken unbestechlich. Eine verbale Einschätzung wird zerredet, aber vor Zahlen beugt man sich.


Der Staat verschlingt zu viel, er verschlingt einen immer größeren Teil der geschaffenen Werte, um seinen Herrschaftsanspruch zu verwirklichen. Das Finanzsystem, mit dem man das Geld aus dem Volk herauspumpen kann, schlug wilde Kapriolen, so hoch waren die Profite, bis es plötzlich Luft zog und laut aufheulte. Es kam mit seiner Aufgabe der Umverteilung nicht mehr zurecht und kollabierte. Ein hektisches Rätselraten begann und man kam nicht auf die Idee, dass die Politik schuld war, weil sie einen ständig größeren Finanzbedarf hat, um ihren Wahnsinn zu finanzieren. Schuld waren die zahlungsunfähigen Hausbesitzer und die zügellosen Bankleute. Niemand wagt es zu sagen, dass die Politik für den Finanzkrach verantwortlich ist. Und was machen die Politiker? Sie machen weiter wie bisher. Sie schwemmen Fiat-Geld ins Finanzsystem und ziehen über den Zins das begehrte werthaltige Geld, die Steuern, aus dem Volk – denn die Bürger haften für die Schulden, nach Lesart der Politiker.


Wenn man diesen Überlegungen zustimmt, kommt man zum Ergebnis, dass die Finanzkrise nicht mit finanztechnischen Mitteln überwunden werden kann. Ein grundlegender Systemwandel muss eingeleitet werden. Eine Politikänderung. Der Wandel kommt nicht durch eine Hauruckaktion zustande, sondern durch eine Vielzahl miteinander abgestimmter Reformen. Aus einem breiten Spektrum von Ansatzpunkten müssen die richtigen Ansatzpunkte gefunden werden. So wie wir im vorangegangenen Abschnitt die Aufmerksamkeit auf die Schuldenbeseitigung gerichtet haben, so richten wir sie nun auf die die Abkehr von der Globalisierung.


Der Staat ist der Politikmacher, das Finanzsystem ist der Geldbeschaffer und über beiden sitzen die Oligarchen, die das Zusammenspiel dirigieren und sich von den Medien die dazu passende Musik spielen lassen. Sie bilden ein System, welches nicht anders existieren kann, als expansiv-räuberisch. Für sie sind Menschen und Natur stoffliche Bedingungen und nicht Zweck. Mit der Globalisierung soll die ganze Welt unter ihrem Kommando in eine einheitliche Ordnung gebracht werden. Manche sehen darin ein Abdriften nach links. Aber ist Globalisierung ein linkes Konzept? Es ist ein Abdriften in die Diktatur. Und dabei spielen dann die Begriffe rechts und links keine Rolle mehr. Nachdem der Sozialismus zusammengebrochen war, gab es doch nur noch diese Richtung – Globalisierung. Der Weg schien frei zu sein. Aber genau dieses Unternehmen ist mit der Finanzkrise gescheitert. Die Globalisierung als Weg zur Vision der Eine-Welt-Ordnung ist gescheitert.


Die westlichen Industriestaaten als Verfechter der Globalisierung stießen an zwei Grenzen: die erste war ihr eigenes Leistungsvermögen, das dem steigenden Aufwand ihrer Politik nicht mehr gewachsen ist. Wie geschickt sie auch die anderen Länder zum Aderlass heranziehen, es bleiben gewaltige Aufwendungen auf ihnen ruhen. Der Wirkungsgrad des Systems nimmt ab. Herrschaft ist eben nicht gratis. Heute wird sie immer ineffizienter. Die Unzulänglichkeiten der Führer sind sekundär. Der technische Fortschritt ist es, der die Abwehrkräfte der Völker mehr begünstigt, als er sich für Unterdrückungsaufgaben eignet. Das hängt damit zusammen, dass die Technik über die Zivilisation hinauswächst, sich von ihr nicht mehr unterordnen lässt. Technische Neuerungen stärken die individuelle Bewegungsfreiheit. Es ist so, dass sie direkt zu diesem Zweck gemacht werden. Die zweite Grenze ist die Einengung des Wirkungsbereiches der westlichen Industriestaaten. Es haben sich in der Welt neue politische Handlungsräume gebildet, mit eigenen Interessen und Inhalten, auf die der Westen keinen sicheren Zugriff mehr hat. China, Indien, Russland, Südamerika. Sie lassen sich nicht mehr der westlichen Vorherrschaft unterwerfen. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus hat das der Westen mit allen Mitteln versucht und ist gescheitert.

 

Diese Regionen bringen, wie schon angedeutet wurde, in geistiger und materieller Hinsicht eigene Lösungen hervor. Diese beiden Grenzen wurden von der westlichen Welt ständig heruntergespielt und ignoriert.

Peinlich war es schon, wenn die westlichen Politiker ihre Ideen diesen Ländern als Leitideen anpriesen und von diesen nur als überflüssige Musik bei der Durchsetzung eigener Interessen wahrgenommen wurden, wie bei verschiedenen Auslandsbesuchen der BRD-Kanzlerin. Auch US-Präsident Obama kann die Völker nicht von den Vorzügen der amerikanischen Gesellschaft überzeugen, weshalb er zunehmend ins Zwielicht gerät. Diese beiden Grenzen sind nicht starr, sondern sie werden immer enger. Insofern führt die Krise in einen beschleunigten Verfall. Die Hoffnung mancher, dass sich die Wolken bald verziehen werden, ist Wunschdenken.


Schaut man auf die Menschheitsgeschichte, so stellen wir einen zunehmenden Austausch von materiellen und geistigen Gütern fest, selbst über größte Entfernungen hinweg. Die Menschen suchten sich und fanden sich recht bald als Weltgemeinschaft zusammen. Mit den Fortschritten der Kommunikations- und Verkehrstechnik wurde der Austausch zwischen ihnen immer intensiver. Nie ging dabei die eigenständige Entwicklung verloren. Es entstanden nicht Kopien, die Gemeinschaften wurden sich nicht immer gleicher, sondern dynamische Kulturen bildeten sich heraus. Kein Volk hat das Fremde abgelehnt. Das Fremde wurde nur dann als feindlich angesehen, wenn es das Eigene herabwürdigte. Es war niemals bloß Übernahme, sondern stets Verarbeitung. Und je mehr Anregungen es gab, desto intensiver war die Verarbeitung. Diese kontinuierliche Linie wird von den Globalisten unterschätzt. Sie tun so, als wäre die Globalisierung heute etwas völlig Neues. Sie tun deshalb so, um möglichst viele ihrer eigenen Wünsche in dieser unterzubringen. Die Globalisten berufen sich auf die Technik unter heutigen Bedingungen und leiten daraus vor allen eine Angleichung ab. Und das ist eben falsch. Wenn sie dies betonen, vereinseitigen sie den Prozess. Sie unterschlagen die schöpferische Verarbeitung, die wieder Unikate hervorbringt. Diese undialektische Betrachtung resultiert aus ihrem Interesse. Ihr Interesse verhindert eine richtige theoretische Sicht und eine richtige Politik. Das hat ihre zunehmende Isolation zur Folge und ihren praktisch-politischen Misserfolg. Die von ihnen betriebene Globalisierung steht also mit der gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnis des menschlichen Austausches im Gegensatz. Sie geben keine richtige Antwort auf die gesellschaftlich-kulturellen Potenzen des technischen Fortschritts, dass die technische Intensität eine nie da gewesene kulturelle Dynamik ermöglicht, sondern legen diesen so aus, wie es ihren bornierten Interessen entspricht. Ihre Interpretation führt zum praktischen Dilemma. Das ist genauso unvermeidlich, wie in jedem anderen Bereich, wo ohne Rücksicht auf die wissenschaftliche Erkenntnis gehandelt wird. Alles, was sie zur Begründung der Globalisierung sagen, ist nichts weiter als interessengesteuerte Ideologie. Mögen sie darüber lächeln, sie werden die Prügel einstecken.


Das Finanzsystem mit seinen konkreten Instrumenten treibt die Realwirtschaft in die neo-liberale, profitorientieerte Globalisierung. An der Börse mitspielen, Globalplayer sein, heißt, an der Weltherrschaft teilhaben. Doch die Börse reißt die Realwirtschaft aus den regionalen und nationalen Strukturen heraus, reißt sie ab vom Rhythmus der Natur und schiebt sie auf ein Parkett, auf dem nicht unternehmerische Qualitäten zählen, nicht geniale Produkteinfälle, sondern die Regeln der Unterwelt. Einmal dort angekommen, gerät die Realwirtschaft ins Gerangel der internationalen Finanzmafia. Diese arbeitet aber mit ganz anderen Werkzeugen als die Realwirtschaft. Die kleinen gefährlichen Werkzeuge von Zins und Zahlungsfristen, von Derivaten und Leerverkauf, alle diese Taschenspielertricks und Scheinbewegungen verlangen ein anderes Denken, das der Realwirtschaft mit ihren natürlich-technischen Parametern und ihrer realistischen Betrachtungsweise artfremd ist. So wirkt sie hilflos, ist den neuen Mitspielern nicht gewachsen und wird von den kleinen flinken Piranhas ausgeschlachtet und ausgeblutet und schließlich liegengelassen. In der Globalisierung lebt sich das Finanzsystem aus. Weltbank und Internationaler Währungsfonds, mit ihren Kanonenbooten und Bombenflugzeugen in der Hinterhand – wurden extra eingerichtet, um den hilfsbedürftigen Staaten die politischen Verhaltensweisen zu diktieren, die das Finanzsystem braucht. Niemals hat das Finanzsystem Länder zum Aufblühen gebracht.


Zwischen dem Finanzsystem und der Realwirtschaft besteht ein tiefer Gegensatz, obwohl beide kapitalistische Erscheinungsformen sind. Es sind feindliche Brüder wie Kain und Abel. Die Realwirtschaft ignoriert nicht das Besondere am Menschen und in der Natur, sie funktioniert als konkreter Austauschprozess. Selbst dort, wo sie zum Zweck des Profits betrieben wird, muss sie das konkrete Zusammenspiel beachten, sonst erlischt sie sofort. Dieses kon-krete Zusammenspiel interessiert die Finanzwirtschaft nicht. Sie fragt nur nach der Werthaltigkeit und der Möglichkeit, diese herauszufiltern. Und da sie das nunmehr weltumspannend macht, wird sie zu einer generellen Bedrohung für Mensch und Natur.


Die Realwirtschaft muss sich also dem Würgegriff der Finanzwirtschaft entziehen. Sie muss den Verlockungen der Globalisierung widerstehen, sie darf nicht den Export als dominierende Richtung wählen. Exportwirtschaft ist globalisiertes Wirtschaften. Die Orientierung auf den Export lenkt ab von der Verantwortung für das unmittelbare Wirkumfeld. Sie ist eine falsche Orientierung. Die Exportwirtschaft muss zum Wirkungskreis ihrer örtlichen Existenz zurückfinden. Nicht globale, sondern regionale und nationale Wirksysteme werden gebraucht. Hier immer neue geschlossene Kreisläufe herzustellen, muss ihr Augenmerk sein. Das bedeutet, in dieser komplexen Geschlossenheit liegt die Effizienz und nicht in der weltweiten Versorgung möglichst preiswerter Güter und Leistungen. Was lange als Vorzug galt, Exportweltmeister zu sein, entpuppt sich als ein neoliberaler Hinterhalt. Der Reichtum eines Landes liegt in der internen Rationalität. Hier gibt es stets genügend Betätigungsfeld. Das Geschrei gegen den Protektionismus zu Beginn der Krise war von den Ansprüchen des Finanzsystems bestimmt, weil dieses sofort merkte, dass damit seine Beweglichkeit eingeschränkt wurde. In der politischen Sprache hieß das dann: Die Finanzkrise ist ein globales Problem und muss global überwunden werden. Praktisch stieß das auf den Widerstand der realwirtschaftlichen Interessen, so dass die Staaten nationale Programme auflegten, ohne allerdings die lüsterne Finanzwirtschaft zurückzudrängen. So dienten die nationalen Rettungspakete dem internationalen, hier im besonderen dem amerikanischen, Finanzsystem. Das hatte zur Folge, dass für die nationale Wirtschaft positive Wirkungen ausblieben. Der Weg muss vielmehr sein, nationale Lösungen zu finden bei gleichzeitiger Ausschaltung des internationalen Finanzsystems.


Technik verleitet in linearer Extrapolation zum Gigantismus. So hat die Schaffung großer überseeischer Transportkapazitäten dazu geführt, die Produkte um den ganzen Erdball zu transportieren, auch wenn es sich um Alltagsprodukte handelt, deren Herstellung nicht an bestimmte Orte gebunden ist. So werden Äpfel von Südamerika und Spielzeug von Asien nach Europa geschafft. Es wird eine internationale Arbeitsteilung entsprechend der minimalen Herstellungskosten geschaffen. Dabei ist diese Arbeitsteilung für die Völker nicht von Nutzen, da sie die wahren Kosten verschleiert. Zwischen dem Gewinn und den tatsächlichen Kosten wir wohlweislich unterschieden, weil es sonst häufig gar keinen Gewinn gäbe. Der Aufwand ist niemals nur der unmittelbare Produktionsaufwand, sondern der gesamte Aufwand, der von der Herstellung des Produkts bis zum Konsumenten entsteht. Der Aufwand zwischen Herstellung und Verbrauch muss verringert werden, indem beides näher zusammenkommt. Die Bewertung des Aufwands und die Nützlichkeit der Produkte und Leistungen kann nicht in herkömmlicher Weise fortgesetzt werden. Neues muss neuen Kriterien entsprechen.


Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, beides wieder aneinander zu rücken, um den wahren Verhältnissen auf die Spur zu kommen. Die Völker sind nicht an der Trennung von Gewinn und Kosten interessiert, sonder an einer engen Verbindung. Das Nutzen – Kosten – Verhältnis eines Produkts wird sich nie auf eine ökonomische Kennziffer reduzieren lassen. Aber im Preis muss die Wirktendenz deutlich werden, weil der Preis die letzte Grenze ist, hinter der die gesellschaftliche Wirkung eines Produkts beginnt. Wenn ein Produkt gekauft ist, beginnt es zu wirken, prägt und schafft es gesellschaftliche Verhältnisse. Wir brauchen ökologische und kulturelle Standards, die bei der Preisfestlegung berücksichtigt werden müssen. Der Preis eines Produkts kann nicht nach Gutdünken seines Herstellers festgelegt werden, darf nicht im Ermessen des Herstellers liegen, weil er dann seine Gewinnquellen verschleiern und die tatsächlichen Kosten der Gemeinschaft aufbürden kann. Alle Kosten, die von der öffentlichen Hand getragen werden, schlagen beim Hersteller als Gewinn zu Buche. Daran hat natürlich die Gesellschaft kein Interesse. Kosten sozialisieren – Gewinne privatisieren. In einem solchen Fall spiegelt der Gewinn nicht die echte Leistung wider. So werden heute ökologische Schäden fast gar nicht den Verursachern zugerechnet, auch nicht kulturelle Schäden. Das ist im einzelnen Fall auch gar nicht möglich. Daher gehört die Bildung von ökologischen und kulturellen Normen zu den staatlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Diese Normen sind bei der Preisbildung zu berücksichtigen und als Preisbestandteile dem Staat zuzuführen. Das führt dazu, dass negative Abweichungen von den Normen zur Produktverteuerung führen. Da die Herstellung solcher Produkte für die Gemeinschaft mit zusätzlichen Aufwendungen verbunden ist, Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung, zusätzliche Kosten für Entsorgung usw. ist der höhere Preis gerechtfertigt. Es ist heutzutage ein Nonsens, wenn progressive Produkte, die menschenfreundlich und naturfreundlich hergestellt werden von Produkten verdrängt werden, die unterm Niveau hergestellt werden. Eine solche realistische Bewertung würde den Import von Billigprodukten unterbinden. Diese würden sich dann als teurer herausstellen, als im Inland normengerecht hergestellte Produkte. Eine solche Toleranz hat auch mit Entwicklungshilfe nichts zu tun. Entwicklungshilfe kann nicht bedeuten, dass der Bessere bestraft und der Fortschritt behindert wird. Die Preisbildung muss also gesellschaftliche Interessen berücksichtigen und kann daher nicht dem Ermessen des Herstellers überlassen bleiben.


Die Globalisierungsdoktrin ist eine schädliche Theorie, weil sie die Gesellschaft und die Natur dem Finanzsystem unterwirft. Die heutige Krise ist insofern ein ernstes Signal, eine Kehrtwende einzuleiten. Was hier bezüglich der Globalisierung gesagt wurde, trifft auch für die EU zu. Die demokratische Reorganisation der Wirtschaft geht von unten aus. Aber es müssen auch die Maximen benannt werden, nach denen gehandelt werden soll.
Wichtig ist, dass eine gemeinsame Erkenntnis vorliegt, wonach der Mensch verantwortlich ist für die Natur. Und so schwierig es ist, hieraus praktikable Schlüsse zu ziehen, so notwendig ist das aber. Der Bruch mit der bisherigen Denkweise, die durch das Herrschaftsprinzip bestimmt war, macht vor keiner gesellschaftlichen Sphäre Halt.


Doch die Regierenden gehorchen immer noch alten Allüren. Sie betrachten sich als auserwählt, die Bürger zu führen, anstatt die Bürger zu ermuntern, mitzugestalten. Auf diese Aufgabe bereiten sie die Bürger auch nicht vor. Daher sind diese mehrheitlich noch immer bereit, sich regieren zu lassen, so wie es ihnen über Jahrtausende anerzogen wurde. Nur möchten sie ihre Interessen besser vertreten sehen. Sie werden anspruchsvoller. Sie wollen eine gelockerte Regierung, bei der die Hauptverantwortung für ihr Schicksal liegt. Darin besteht der politische Konflikt heute, da die Regierenden ihnen diesen Anspruch absprechen. Für sie ist dieser Anspruch suspekt. Sie wollen nicht wahrhaben, dass ein Wandel ansteht und erklären die Bürger für unmündig. Das, was die Völker denken und tun, ist aber nicht Ausdruck von Unverständnis, sondern Bestimmung der notwendigen Richtung, ist Ausdruck von Notwendigkeit, denn der Wandel wird in dem Masse eintreten, wie die Bürger sich beteiligen. Das Abtrotzen von Zugeständnissen gehört noch einer alten Denkweise an. Nicht die Bürger müssen sich den Bedingungen der Globalisierung stellen, sondern die Bürger müssen die Vorschläge der Politiker, im konkreten Fall, die Globalisierung, auf den Prüfstand legen. Dann werden sie feststellen, dass diese eine Fehlleistung der Politiker ist, die diese ihnen schmackhaft machen wollen.