Individuum und Volkssouveränität

 

Johannes Hertrampf – 28.09.2017

 

 

Lange Zeit glaubte man, die Individualisierung führe zur Vereinzelung, zu einem beziehungsarmen Nebeneinander. Das Gegenstück hierzu war die Sozialisierung, die Betonung des Gemeinsamen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärke. So wurde vor dem Individualismus gewarnt, er sei eine latente Gefahr für Recht und Ordnung, für das Glück aller. Die Grenzen für individuelle Freizügigkeit wurden eng gezogen. In dem Verhältnis Individuum und Gemeinschaft wurde der Gemeinschaft eindeutig die Priorität zugeschrieben.

 

Theoretisch und praktisch wurde dem Individuellen zwar Berechtigung zuerkannt, aber es wurde unter Aufsicht gestellt, wegen der Gefahr individueller Willkür. Die individuelle Willkür sei die Rücksichtslosigkeit des Individuums, die es zu zügeln galt. Bei dieser Deutung wurde übersehen, dass die Forderung des Individuums nach Anerkennung seines individuellen Eigensinns dann bizarre Formen annimmt, wenn die Anerkennung des Eigensinns sich auf die individuelle Konsumtion reduziert und diese maßgeblich von außen animiert wird. Individuelle Konsumtion ist eben möglich ohne die Anstrengung der Produktion, die immer Selbstdisziplin verlangt. Dabei wird nicht bestritten, dass das Individuelle tatsächlich ein Unruhestifter ist. Die individuelle Willkür ist ein Zeichen des Protestes gegen Unfreiheit, ein Ausdruck dafür, dass individuelles Potential verkümmert. Individuelle Willkür endet leicht in einer Vortäuschung individueller Eigenart.

 

 

Das Hauptmerkmal des Kulturfortschritts ist das Heraustreten des produktiven Individuums aus der Gemeinschaft, nicht verstanden als Verabschiedung von ihr, als Gleichgültigkeit ihr gegenüber, sondern als Entdecker und Erfinder, als Schöpfer gemeinschaftlicher Bereicherung. Unter einfachen technischen Bedingungen ist dem Individuum allerdings nur wenig Spielraum für seine Individualität gegeben. Hinzu kommt, dass in der Zivilisation die Herrschaftsverhältnisse diesen Spielraum zusätzlich einengen, er durch das herrschende Interesse begrenzt wird.

 

 

Trotz aller Einschränkungen ist aber das Individuum in der Zivilisation immer mehr in den Vordergrund getreten und hat die düsteren technizistischen Befürchtungen der Nivellierung ad absurdum geführt. In einem Artikel auf ZEIT ONLINE vom 23. 09.2017 wird sogar behauptet, dass der Individualismus die Demokratie zerstört, gemeint ist offensichtlich die Demokratie als Herrschaftsform, insofern die Zahl der kleinen Parteien zunimmt. Die politische Differenzierung wird also als etwas Negatives bewertet. Es ist an der Zeit, sich auf das Individuum zu konzentrieren und seine Rolle neu zu bewerten, wenn man nicht in einen zunehmenden Konflikt mit der Wirklichkeit geraten will. Wer von der Notwendigkeit der gesellschaftlichen Erneuerung überzeugt ist, der kann die bisherige Sicht nicht übernehmen.

 

 

Das Individuum ist nicht identisch mit dem Menschen. Es sind zwei verschiedene Begriffe. Der Begriff des Individuums hat die Einzigartigkeit der Individuen, den Unterschied des Menschen zum anderen im Auge, während der Begriff Mensch die Besonderheit zu anderen belebten Wesen heraushebt. Der Zugang zum Menschen erfolgt über das Individuum. Vom Individuum gehen die Anstöße gesellschaftlicher Veränderungen aus. Immer ist es ein bestimmter Mensch, der auf Grund seiner Besonderheit eine Sicht entdeckt, die von anderen nicht entdeckt werden kann, aber  aufgegriffen wird, weil sie ihnen hilft, bisher entgangene Wirklichkeit zu erfassen, weil sie ihre geistige und praktische Wirklichkeit vergrößert. Das Individuum gibt letztendlich den Anstoß zum gesellschaftlichen Fortschritt und zwar vom technischen Niveau aus, auf dem es steht, in Form von Kulturkritik und Technikkritik. Das Individuum ist ein Transformator, in dem technischer Fortschritt in Kulturfortschritt umschlägt. Das ist der Grund, weshalb die gesellschaftliche Erneuerung von ihm ausgeht und bei ihm ankommt. Daraus kann man die Schlussfolgerung ableiten: Die Gesellschaftstheorie braucht nicht vollkommene Gesellschaftsvisionen zu entwerfen – und Politiker keine Utopien -, in die sich das Individuum hinein begeben soll, sondern sie muss sich auf die Stimulation der gesellschaftlichen Triebkräfte konzentrieren, die aus dem Individuum entspringen. Sie sollte ihre Aufgabe darin sehen, was die Gemeinschaft tun muss, um das individuelle Potential zu aktivieren.

 

 

Die Erneuerung der Gesellschaft kommt nur zustande, wenn der Freiraum des Individuums vergrößert, seine kulturelle Produktivität gefördert wird, mit der Maßgabe, dass noch mehr Individuen hervortreten. Darin liegt die große Chance, die umso realistischer ist, je mehr der technische Fortschritt die Lebensweise verändert, neue Türen zur Wirklichkeit öffnet. Das Heraustreten aus der Zivilisation ist kein gesellschaftlicher Rückfall, sondern ein Schritt ins Neuland, für den es keine Erfahrungen gibt. Die gesellschaftliche Erneuerung, die hinter der Zivilisationskrise drängt, ist die bisher größte schöpferische Anstrengung in der Menschheitsgeschichte. Mit ihr wird das Bild vom Hirten, der die Herde führt, dieses friedliche Leitbild der Zivilisation, ad acta gelegt. Nicht die erzwungene Disziplin stellt die subjektive Ordnung des Individuums her, sondern die Eigenregie für eine fortlaufende Erweiterung seiner wirklichen Beziehungen, die von seinem Umfeld aktiv gefördert wird. Das Individuum muss seine Besonderheit ausbilden, weil es sonst ein Fremder zu sich selbst ist. Deshalb sollte die Erziehung vor allem in jungen Jahren stärker auf die Ausprägung des Individuums ausgerichtet sein, denn die Versäumnisse in dieser Zeit wirken zeitlebens nach. Das liegt im Interesse des Einzelnen und im Interesse der Gemeinschaft. Die Besonderheiten des Einzelnen sind für alle von Vorteil. Das Individuelle als gesellschaftliche Zwecksetzung ist ein anderes Ordnungsprinzip als die Zwecksetzung gesellschaftlicher Normen. Sie bietet freien Raum für subjektive Initiativen in Verantwortung des Einzelnen.

 

 

Dabei muss man anerkennen, dass dieser Regiewechsel nicht durch einen energischen Willensentschluss  zustande kommt, sondern an technische Voraussetzungen gebunden ist, die eine solche Kreativität überhaupt erst möglich machen. Es reicht nicht aus, Forderungen zu stellen, ohne die konstituierenden Bedingungen zu definieren, so wie das die Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens tun. Das Primat des Individuellen vor dem Allgemeinen muss sich objektiv anbieten. Die Jahrtausende langen Vorbehalte gegenüber dem Individuum sind zu einer Selbstverständlichkeit geworden. So ist zum Beispiel die staatliche Bevormundung geradezu ein Zeichen der Sorge für Ordnung und Sicherheit aller. Die staatliche Bevormundung und Gleichbehandlung der Individuen scheint als Erziehung zur Menschenwürde, als Erziehung zur Gleichgerechtigkeit und Chancengleichheit unumstößlich zu sein. Mehr noch. Der Staat sieht vom Individuum ab. Das wird deutlich, wenn gefragt wird, was ist gleichgerecht, anstatt zu fragen, was ist gleichgerecht in einer ungleichen Welt? Die gleichteilige Verteilung oder die ungleichteilige, aber bedürfnisgerechte Verteilung?

 

In der Herrschaftsgesellschaft liegt der Schwerpunkt auf der Gleichbehandlung der Individuen, denn wer das Individuum auf Züge reduziert, der herrscht über die vielen Einzelnen, ohne dass diese ihn als solche interessieren. Das Individuum ist nicht beherrschbar. Die Alternative zur allgemein-menschlichen Betrachtung darf nicht tabu sein, denn es geht darum, dem individuellen Potential eine höhere Geltung zu verschaffen. Die Gleichgerechtigkeit bei Erhaltung der Ungleichheit ist Voraussetzung für Steigerung der Kreativität und verdient daher größte Aufmerksamkeit seitens der Gemeinschaft. Das Individuum als menschliche Unterschiedlichkeit ist die Quelle des Schöpferischen. Da diese Unterschiedlichkeit unendlich ist, ist die endlose Kreativität dem Menschen von Natur aus gegeben.

 

Die unterschiedliche Beantwortung der Frage nach der Gleichgerechtigkeit in der Gesellschaft ist ein Beispiel dafür, wie die Antworten jeweils vom gesellschaftlichen Zustand abhängen. Gleichbehandlung auf Grundlage eines abstrakten Menschen oder Gleichbehandlung bei Anerkennung der Unterschiede, mit dem Ziel, die Kreativität zu fördern, führt zu unterschiedlichen Antworten, die zeitbedingt wahr sind.

 

 

Was bisher allein gültig war, bleibt nicht für alle Zeit allein gültig. Die Luft wird dünner für die Lehrsätze der Vergangenheit. Es entwickelt sich ein feines Gespür für das unsichere Verhältnis zwischen Veränderung und konservativer Beharrung. Es bestehen Vorbehalte, sich mit der konservativen Sicht einfach zu identifizieren, obwohl die Nähe zu ihr empfunden wird. Aber ist das Konservative nicht zugleich verfänglich? Das Konservative ist ein Stück Vergangenheit, die das Individuum noch heute mit sich herum trägt. Statt diese zu verklären, sollte es an die Last erinnern, die das Leben bedrückte. Es ist nicht nur Erinnerung, es  ist das Geprägtsein durch die Vergangenheit, das als Besonderheit in der Gegenwart fortwirkt. Es ist die Vergangenheit in der Gegenwart, die nicht geleugnet werden darf, weil sonst die Wirklichkeit verfälscht wird und das Individuum in dieser entwurzelt. Der Konservatismus ist weder eine Schwäche, noch ein Hindernis. Er ist ein Bestandteil der Gegenwart, der vom Standpunkt der Herrschenden ein heimeliges und vom Strandpunkt der Beherrschten ein unheimliches Licht ausstrahlt und somit eine Funktion erfüllt.

 

 

Das Missverständnis beginnt dort, wo die konstituierende Rolle des Konservatismus bestritten und dieser schlechthin als Verklärung und Verharmlosung der Vergangenheit verworfen wird. Dann besteht die Gefahr, dass sich der Konservatismus in seiner Selbstverteidigung als Hort des Nationalen und Führungsanspruch verkündet. Wird er bedrängt, kann er sich von der Gegenwart zurückziehen oder sich sogar von ihr abwenden.

 

  Der Hort des Nationalen ist immer die Gegenwart des Volkes. Der Blick in die Vergangenheit reicht nicht aus, um den Ton in der Gegenwart anzugeben. Im Widerspruch gegen die Gegenwart verliert die Vergangenheit, weil sie nicht überlegen war. Wenn die damalige Gegenwart wirklich der heutigen Gegenwart überlegen gewesen wäre, wäre sie heute nicht Vergangenheit. Warum wollten die Menschen damals ihre Gegenwart verändern? Sie waren kritischer zu ihrer Gegenwart als manche Konservative heute zur Vergangenheit.

 

Was hält Deutschland heute zusammen? Gibt es eine gemeinsame Denkhaltung? Es ist nicht nur die Flüchtlingspolitik der Regierung, die auf Widerwillen stößt. Auf keinem Gebiet fällt die Bilanz positiv aus.

 

Hinzu kommt der zunehmende Affront der europäischen Nachbarn, der starke Verunsicherung schafft. Die Angst vor einem Zusammenbruch des gesellschaftlichen Lebens geht um, nicht nur bei den Regierenden, sondern auch bei den Bürgern – bei den Regierenden ist es die Angst um ihre Privilegien, bei den Bürgern ist es die Angst vor dem Verlust der erreichten Absicherung ihrer Bedürfnisbefriedigung. Angesichts der bedrohlichen Zukunft wird  Veränderung bejaht, aber bei Garantie der Erhaltung des erreichten Niveaus der materiellen Absicherung. Diese Einschränkung ist richtig. Hierin besteht sogar ein Kriterium demokratischer Reformen. Deutschland ist gespalten hinsichtlich der Frage wie es weitergehen soll. Da die führenden Politiker auch nach der Bundestagswahl ihren bisherigen Kurs fortsetzen wollen, der weitere Belastungen für die Bürger bringt, bereitet sich tatsächlich ein schwerer Konflikt vor, der aber überhaupt nicht im Interesse des deutschen Volkes ist.

 

 

Das Band, das heute die Deutschen zusammenhält, ist das Überlebensinteresse jedes Einzelnen, das nach allen Ideologien übrig geblieben ist. Wenn die Ideologien weggebrochen sind, dann ist der Blick frei für die realen Lebensbedingungen. Die Antwort auf die Frage „Wie kann jeder sein Überleben sichern“, liegt in der Antwort auf die Frage „Was müssen wir tun, um als Volk zu überleben?“ Die Antwort hierauf kann nur lauten: Die Sicherheit für jeden liegt dann in besten Händen, wenn das Volk in einem zuverlässigen Nationalstaat lebt. Deswegen ist eine volksverbundene Politik die beste Sicherheitsgarantie.

 

 

An der Schwelle in die nachzivilisatorische Epoche sind die Deutschen nicht auf eine Zukunftsvision festgelegt, sondern auf ihr natürliches Lebensrecht. Sie erstreben nicht eine Zukunftsvision, sondern erstreben akzeptable Lebensbedingungen heute, nicht Versprechen, sondern aktuelle Korrekturen und Umstellungen. Es ist eine nüchterne Erfahrung des Zwanzigsten Jahrhunderts, nicht auf eine glückliche Zukunft zu warten oder für diese zu leben, sondern sich in der Gegenwart einzurichten. Das heißt, sich auf die eigenen Kräfte besinnen. Diese Entideologisierung des Bewusstseins ist ein großer Gewinn an Realitätsnähe. In der Gegenwart wird nicht mehr der Kampf um ein Zukunftsbild ausgefochten, sondern stehen die Lebensbedingungen von heute im Mittelpunkt. Dieser Wandel im Selbstbewusstsein findet seinen Ausdruck im Begriff der Volkssouveränität.

 

Die Erfahrung der Deutschen mit der deutschen Politik im Zwanzigsten Jahrhundert und mit der Politik der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs haben eine tiefe Verunsicherung und Enttäuschung hinterlassen, die bis heute anhalten. Verunsicherung insofern, dass starke Zweifel bestehen, ob die Deutschen zu einer selbständigen vernünftigen Politik fähig sind. Angesichts der Größe des Schuldvorwurfs ist das eigentlich ausgeschlossen, zumal die deutsche Politik die Anerkennung der unermesslichen Schuld zu einer Voraussetzung deutscher Politik erklärt hat und die Medien diesen Schuldvorwurf täglich propagieren.

Es entspricht völlig dem Bewusstsein alleiniger Souverän zu sein, wenn alles, was uns in der Vergangenheit bedrückt und entmutigt hat, öffentlich ausgesprochen wird. Die Enttäuschung ist kein Handlungsbewusstsein.

 

Sie hemmt das Handeln. Die Versprechen der deutschen Politik und der Siegermächte haben sich, angesichts des desolaten Zustands als falsch erwiesen. Ist es da nicht höchste Zeit, sich mit dem geistigen Fundament zu befassen? Die Nachkriegsordnung ist de facto zusammengebrochen. Die Energien, die in diese Nachkriegsordnung gesteckt wurden, waren nutzlose Fehlinvestitionen. Nichts hat sich als haltbar erwiesen.

 

Das Selbstbewusstsein der Deutschen war infolge der Vorgänge im Zwanzigsten Jahrhundert auf einem Tiefpunkt angelangt. Umso mehr ist das Wiedererwachen hervorzuheben, das sich unter dem Begriff der Volkssouveränität vollzieht. Man kann mit vollem Recht sagen: Deutschland steht am Beginn einer grundlegenden geistigen und praktischen Wandlung. Dafür sprechen auch die Bundestagswahlen am 24.09.2017. Der Souverän hat ein klares Wort gesprochen: CDU/CSU wurden für ihre Politik abgestraft. Eine klare vertrauensvolle Opposition gibt es nicht. Die Oppositionsparteien im neuen Bundestag liegen bei 10 Prozent. Der Souverän hat sie nicht abgeschrieben, er hat ihnen gleichsam die Chance gelassen, sich zu beweisen. Die AfD wurde mit einem großen Vertrauensvorschuss hinzugefügt und steht vor einer hohen Bewährungsprobe.

 

 

Das fehlende Bewusstsein der Krise der Zivilisation und das fehlende Wissen über die Rolle des Volkes als handelnder Souverän anstelle einer durch Parteien erfolgenden politischen Richtungsbestimmung waren geistige Defizite, die zum tragischen Verlauf im Zwanzigsten Jahrhundert beigetragen haben. Die Politik wurde auf herkömmliche Weise betrieben und lag nicht auf der Höhe der Zeit. Es besteht die große Gefahr, dass die heutige Krise wieder nicht bewältigt wird und mit einer Katastrophe endet. Ein epochaler Umbruch muss eingeleitet werden, bei dem die Volkssouveränität der Schlüssel ist, der das Wissen und die Energie des Volkes freisetzt. Parteien im herkömmlichen Sinne können diese Aufgabe nicht übernehmen.

 

Eine Partei, die nicht in ihrem ganzen Denken und Handeln der Volkssouveränität verpflichtet ist, hat ihre Existenzberechtigung verloren. Das Volk ist der Parteien überdrüssig. Auf Grund seiner Erfahrungen will es nicht mehr von Parteien geführt werden. Es will selbst die Grundlinien der Politik bestimmen. Die demokratische Opposition muss diesem Volksbegehren Rechnung tragen, wenn sie glaubwürdig sein will.

 

 

Die Kritik an den heutigen Zuständen in Deutschland geht über eine Fehlerkorrektur hinaus. Sie kündigt das  Entstehen eines neuen Typus von Volkssouveränität an, die sich nicht mehr von einer herrschenden Minderheit überdecken lässt, die sich nicht ständig gegen Herrschaftsansprüche behaupten will, sondern in freier Diskussion und Beschlussfassung die Richtpunkte setzt. War die permanente Abwehr der Volksunterdrückung die Hauptaufgabe der bisherigen Volkssouveränität, so ist der Dreh- und Angelpunkt der neuen Volkssouveränität die freie Individualität. Das Individuum in den Mittelpunkt der Volkssouveränität zu stellen, bringt Bewegung in die Gesellschaft.

 

 

Es geht nicht um die Einrichtung einer Volksherrschaft, die es nicht geben kann, sondern um die staatliche Organisation als Rahmen der freien, produktiven Entfaltung der Individuen. Was wir heute in Deutschland feststellen können, ist das Streben nach einer neuen volkssouveränen Staatsorganisation. Die öffentliche Volksdiskussion unter dem Begriff „Wir sind das Volk“ ist Ausdruck dieses Willens. Das Volk erwacht. Es wartet nicht mehr auf die Erlösung! Es will sich selbst erlösen. Das ist ein Vorgang von naturgesetzlicher Bestimmtheit, der einen starken Optimismus verbreitet. Die große Diskussion muss also weiter gehen.

 

 

Johannes Hertrampf – 28.09.2017