Hoffen und Bangen

 

 

12. Februar 2009 FP Deutschlands

von J. Hertrampf

 

Noch herrscht Zurückhaltung. Dennoch ist es richtig, die Punkte zu wiederholen, auf die es ankommt, denn schließlich ist B. Obama mit dem Anspruch angetreten, Amerika auf einen neuen Kurs zu bringen. Und davon erhoffen sich nicht nur die Amerikaner viel, sondern auch die Menschen auf allen Erdteilen, denn der dunkle Schatten Amerikas liegt über allen. Selbst die militärisch starken Staaten mussten jederzeit auf der Hut sein vor Amerika, denn Amerika hielt sich weder an internationales Recht, noch an gesittete Umgangsformen, es war hinterhältig und rücksichtslos. Doch das soll sich jetzt ändern. „Ich vertrete hoffentlich ein neues Zeitalter“, hatte J. Biden, der Stellvertreter B. Obamas, auf der Sicherheitskonferenz Anfang Februar 2009 in München erklärt. War das die Unsicherheit eines Suchenden oder die Gerissenheit eines Roßtäuschers? Das Motto, unter dem sein Rede stand, berechtigt diesen Zweifel: „Amerika braucht die Welt – wie die Welt Amerika braucht“. Dieses Motto kündigte kein neues Zeitalter an, sondern wies auf die Fortsetzung bisheriger amerikanischer Politik hin.

Der neue Präsident hat ein Land übernommen, das völlig abgewirtschaftet ist. Der Ruf von der Supermacht Amerika ist nur noch ein hohler Mythos. Die USA sind ein Koloss, ohne Energie und Geist und stehen, wirtschaftlich und finanziell erschöpft, am Pranger der Geschichte. Am Ende schlug Bush Hohn und Verachtung entgegen, wie keinem US-Präsidenten zuvor. Die Schleier werden gelüftet. Die Verbrechen der Amerikaner kommen mehr und mehr ans Tageslicht. Die ganze Wahrheit wird das amerikanische Volk schwer erschüttern. „Warum haben wir das geglaubt? Warum haben wir das zugelassen?“ Wir Deutschen haben das hinter uns – und vor uns. Wir haben es vor uns, weil deutsche Politiker Erfüllungsgehilfen einer falschen amerikanischen Politik waren. Sie haben sich schuldig gemacht und erneut unserem Volk Schande bereitet. Jugoslawien – Afghanistan – Irak, das sind die Hauptstationen. Ohne die Untaten offen zu legen, ohne die Schuldigen zu bestrafen, gibt es kein Vertrauen zwischen den Völkern und gibt es nicht die Kraft zur Erneuerung. Es ist das große Verdienst des neuen US-Präsidenten B. Obama, dass er den Mut aufgebracht hat, die Menschen zum Wandel aufzurufen, in Amerika und in der ganzen Welt, die Schwelle zu einer höheren Stufe der Geschichte zu überschreiten. Damit hat er der weltgeschichtlichen Bewegung einen starken Impuls gegeben.

 

Der Ruf B. Obamas nach einem Wandel fand sowohl im amerikanischen Volk als auch bei allen Völkern der Welt freudige Zustimmung. Ja, er fand sogar Zustimmung in den herrschenden Kreisen der USA. Aus welchem Munde hätte dieser Ruf überzeugender klingen können, als aus dem Munde eines Afroamerikaners? Ein schwarzer Präsident wurde so zum Wahrzeichen einer Zäsur in der amerikanischen Politik. Die Hautfarbe ist zwar kein Kriterium für richtige Politik, aber in einem Lande, in dem bis heute der Rassismus verbreitet ist, ist sie mehr als eine Äußerlichkeit. Das muss man berücksichtigen, wenn man ihn beurteilt. Sachliche Substanz und willkürliches Motiv bilden in der Politik eine widersprüchliche Einheit, sie sind Wesen und Erscheinung.

Die Forderung nach einem Wandel ist hochaktuell, aber was beinhaltet sie? Für die große Mehrheit der Amerikaner, unabhängig von jeder Hautfarbe, verknüpft sich damit die Hoffnung, dass die drückendsten sozialen Probleme gelöst werden. Für die die Minderheit, die Oberschicht, verbindet sich damit die Erwartung, dass ihr Status auch künftig gesichert ist. Obama ist der praktische Spagat dieser beiden Erwartungen. Er will die Brücke sein. So ist es folgerichtig, dass er die Gemeinsamkeit aller Amerikaner in den Vordergrund stellt, die gemeinsamen Werte der Vergangenheit und das gemeinsame Interesse – an der Führungsrolle der USA in der Welt. Er appelliert an die nationale Einheit und projiziert ein Bild von nationaler Größe aus der Vergangenheit in die Zukunft. Amerika soll wieder zu dem werden, was es war: zum Inbegriff von Freiheit und Demokratie. Er verklärt die USA mit dem Nimbus der Auserwähltheit, der geschichtlichen Vorausbestimmung.

 

Das steckt zweifellos viel irrationale Rhetorik drin, zumal er es tunlichst vermeidet, die ungeheuerlichen Verbrechen anzusprechen, die sich wie ein roter Faden durch Geschichte und Gegenwart der USA ziehen. Doch wäre nicht gerade die offene Abwendung von dieser Linie ein gewichtiges Argument für einen Wandel? – ein Argument, durch welches sein Vorhaben, den gesellschaftlichen Wandel einzuleiten, an Nachdruck gewinnen würde? Wer die Zukunft so gründlich angehen will, der muss den ganzen Weg der Geschichte berücksichtigen. Dann wird er die Ursachen der heutigen Lage erkennen. Sein Pochen auf den Führungsanspruch in der Welt setzt ihn in die Nähe derer, die den heutigen Zustand direkt heraufbeschworen haben. Sagen wir es unumwunden: Dieser Führungsanspruch ist ein Anachronismus, dessen Beibehaltung sich durch nichts wirklich rechtfertigen lässt. Das Betonen des Führungsanspruchs, mag es auch nur ein seiner Situation geschuldetes Kalkül sein, ist die eigentliche Achillesferse seines politischen Programms. Unabhängig von allen Motiven geht er damit an der weltgeschichtlichen Notwendigkeit vorbei und wenn er sich nicht korrigiert, muss er am Ende darüber straucheln.

Erinnern wir uns an den Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Beibehaltung der alten Führungsrolle wurde damals nicht erhoben. Darüber war sich die sowjetische Führung einig. Nun kann hier eingewandt werden: für einen solchen Anspruch war die Sowjetunion viel zu marode. Aber trifft dieses Urteil nicht auch auf die heutigen USA zu? Russland war damals bereit, einen Systemwechsel vorzunehmen, vor allem ohne Blutvergießen. Die USA sind es heute nicht. Und das ist ihr Verhängnis. Wenn das nicht der Zweck eines Wandels ist, dann wird der Wandel zu einem Austausch der Mittel. Dann frisst der Wolf nur Kreide.

Die Finanzkrise ist nicht auf das Versagen von Finanzfachleuten oder die blinde Konsumwut der amerikanischen Bürger zurückzuführen, sondern sie ist eine Folge des Systems, das unter Bush zur Hochform auflief. Und wird dieses beibehalten, so ist ihre „Lösung“ ein gewaltiger Umverteilungsprozeß, der die Krise zum Dauerzustand macht. Insofern ist es gleich, ob das Konjunkturprogramm über Steuerermäßigung oder über Subventionen erfolgt. Der Streit zwischen den „Republikanern“ und den „Demokraten“ ist sekundärer Natur, denn die Finanzierung des Konjunkturprogramms erfolgt in beiden Fällen über eine maßlose Neuverschuldung, die dem Volk aufgebürdet wird. Es ist unmöglich, auf diese Art die Krise aus der Welt zu schaffen, wie es unmöglich ist, dass sich jemand an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann. Das System, kann bei Einhaltung der alten Spielregeln nicht wieder flott werden. Und werden die Spielregeln nicht eingehalten, dann löst es sich auf. Das wissen die Herrschenden in den USA. Und das ist der Grund, dass sie auf die Weltführung pochen und dabei die bisherigen Partner zur Kooperation vergattern: „Die USA brauchen die Welt – und die Welt braucht die USA“. Für B. Obama ist das eine Inkonsequenz.

Mit dieser Formel wird die Führungsrolle der USA begründet. Beim Streit um den Protektionismus, in den sich jetzt hell wach geworden Horst Köhler eingeschaltet hat, geht es um diese Führungsrolle, um die internationale Stützung der USA. Sarkozy ist nicht etwa ein Gegner der USA, sondern er befürwortet den Protektionismus nur, weil er das französische Volk fürchtet. Er möchte überleben. Es ist der Druck des französischen Volkes, der ihn zu einer geschichtlich richtigen Einstellung zwingt. In der BRD ist es noch nicht so weit.

Die Aussage, daß die Rezession die EU in die Schuldenkrise gestürzt hat, ist irreführend. Die Politik ist die Ursache der Rezession und diese wieder löst die Krise aus. Doch Krisen sind Zeiten des Paradigmenwechsels. Und das Paradigma, um das es geht, lautet: die Wiederherstellung der national-staatlichen Souveränität. Damit stoßen wir auf den politischen Kern des Geschehens. Die überstaatlichen globalen Institutionen haben den Heuschrecken die Bahnen gewiesen, an deren vorläufigem Endpunkt wir stehen. Der Ausweg aus der Krise ist nur über die nationale Selbsthilfe zu finden, nicht auf dem Wege der globalen Weltordnung und auch nicht auf dem Wege der EU. Der Sirenengesang von Frau Merkel, der Treuesten der Treuen in Europa, „Europa muss mit einer Stimme sprechen“, würde uns am Felsen zerschellen lassen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist nicht das Signal zum Aufbruch in einen Weltstaat unter Amerikas Führung, so wie uns das die aufgeregte Polemik gegen den Protektionismus weismachen soll. Wer heute für Protektionismus ist, der liegt richtig. Wer dagegen protektionistische Maßnahmen ablehnt, der geht den alten Weg weiter. Der Weltstaat – und von Obama ist bekannt, dass er diesem Gedanken nahesteht, – ist nicht die Rettung, zu dessen Glück die Völker auch ganz undemokratisch gezwungen werden können. Wir halten B. Obama zugute, dass er diese Tücke nicht durchschaut, sondern ehrlichen Herzens glaubt, ein Weltstaat wäre die richtige Antwort auf die Probleme der Menschheit. B. Obama kommt nicht aus den herrschenden Kreisen, er kommt aber auch nicht aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Hinter ihm steht keine Organisation, die auf wirklichen Wandel aus ist. Aber hinter ihm stehen viele Millionen Menschen voller Hoffnung. Sie ins Spiel zu bringen, ist die große Chance. Selbst mit größter Euphorie allein wird die alte politische Phalanx nicht überwunden. Die Stimmung kann sich schnell ändern, wenn der amerikanische Bürger sich enttäuscht zurückzieht. Und darauf sind seine Gegner aus.

Erfahrungen haben eine hohe Beweiskraft. Doch kann sie getürkt sein, indem der Umkreis der Wirkbedingungen nicht richtig begrenzt wird. Franklin D. Roosevelt sah sich ebenfalls mit einer dramatischen Wirtschaftskrise konfrontiert. Mit seinem „New Deal“ durchbrach er die traditionellen wirtschaftspolitischen Auffassungen, wonach die die freie Wirtschaft sich selbst wieder ins Gleichgewicht bringt und schlug den Weg des staatlichen, schuldenfinanzierten Konjunktur- und Sozialprogramms ein. B. Obama sieht in Roosevelt ein Vorbild zur Krisenbewältigung. Doch ist die Konjunktur dadurch tatsächlich wieder in Gang gekommen? Und konnten dadurch wieder die hohen Schulden getilgt werden? Nein, der Zweite Weltkrieg rettete die USA vor dem Desaster. Im objektiven Geschichtsverlauf spielte Hitler für die USA die Rolle des nützlichen Idioten und das deutsche Volk war der Leidtragende. Die USA ließen sich jedenfalls alles Kriegsmaterial, das sie an die Verbündeten verkauften, mit purem Gold bezahlen. Die USA haben sich also auf Kosten der kriegführenden Länder saniert. Auf ihrem Rücken wurden die Schulden abgetragen. Welche „Nachfrage“ wird B. Obama zugute kommen? Was der konkrete Anlass sein wird, ist offen. Aber wer bezahlen wird, ist schon entschieden. Der neue Präsident hat es gesagt und sein Stellvertreter hat es wiederholt: die Verbündeten und die ganze Welt. Das halten wir allerdings für eine Fehlkalkulation.

Wenn B. Obama den Wandel will, braucht er Verbündete. Sein wichtigster Verbündeter ist das amerikanische Volk, sind die Massen, die „yes, we can“ skandierten. Die Kräfte, die ihn während der Präsidentschaftswahlen getragen haben, die ihm mit kleinen Spenden ihre Sympathie entgegen-gebrachten, auf die muss er sich stützen. Wenn er sie enttäuscht, dann ist er verloren. Dann ist die Gefahr am größten, dass er von seinen Gegnern ermordet wird. Analog sind seine wichtigsten Verbündeten außerhalb Amerikas die Völker, die so große Hoffnungen in ihn setzen, gleich, wo sie leben; nicht die Regierungen. Er muss an die Basis gehen, er muss die Völker ansprechen, nicht nur in Amerika, sondern in der ganzen Welt. Das wird ihm Kraft geben und manche Gedanken, die heute nicht so klar sind, werden dann in die notwendige Richtung gebracht.

 

Wie sollte sich unser Verhältnis und überhaupt das Verhältnis der bisherigen Verbündeten zu den USA gestalten? Auf keinen Fall dürfen wir weiterhin Hilfsdienste leisten, um die Führungsrolle der in der Welt zu sichern. Der Politik einer neuen Sachlichkeit entspricht eine gleichrangige Stellung und der gegenseitige Vorteil. Das Vasallentum muss ein für allemal der Vergangenheit angehören.

Die Auflösung der westlichen Blöcke wird anders verlaufen als die Auflösung des Ostblocks, die mit einem gespannten Verhältnis zwischen den Satellitenstaaten und Russland endete. Die Auflösung des Ostblocks vollzog sich unter den Vorzeichen des Kalten Krieges. Die Auflösung der von den USA geführten Bündnissen darf nicht zur Folge haben, dass die Staaten sich anderen Bündnissen anschließen oder neue Bündnisse eingehen. Bündnisse sind immer Abgrenzungen zu anderen. Wer Vorteile zu anderen Sucht, macht andere sich zum Gegner. Die Blöcke müssen aufgelöst werden. In einer blockfreien Welt gibt es keine Konfrontationen. Wenn die westlichen Industriestaaten auf alle Privilegien verzichten und ihren Wohlstand aus eigener Kraft und durch fairen Handel schaffen, dann werden die Spannungen in der Welt schlagartig zurückgehen.

 

Das heißt nicht, dass eine indifferente globale Situation entsteht. Die Probleme der Gegenwart und noch mehr die Aufgaben der Zukunft verlangen Solidarität und Kooperation, um die Bewohnbarkeit der ganzen Erde zu sichern. Die UNO kann das kollektive Steuerungszentrum werden, wenn sie entsprechend umgebaut wird. Bisher haben die westlichen Staaten die UNO genutzt, um sich Vorrechte zu verschaffen. Wenn der Widerstand zu stark wurde, haben sie die UNO ignoriert. Der Weltsicherheitsrat hat die Welt nur im Interesse der Großmächte gesichert. Das alles sind Nachkriegsrelikte. Auch die heutige UNO ist ein Stück Nachkriegsordnung. Neuen Geist in die UNO bringen heute jene Länder, die bisher von der Mitbestimmung der internationalen Politik ausgeschlossen waren. Sie drängen in den Vordergrund. Die demokratische Reform der UNO ist daher eine zentrale internationale Aufgabe. Dazu gehören die Aufhebung des Vetorechts des Sicherheitsrates und die Anerkennung der UNO- Vollversammlung als höchste Instanz der UNO. Wenn die westlichen Staaten aus ihrer Sackgasse herauskommen wollen, müssen sie ihre Bündnisse auflösen und die freiheitlich-demokratische Umgestaltung der UNO vorantreiben. US-Präsident Obama hat sich bisher zur Haltung der USA in der UNO nicht geäußert. Die USA müssen auch in dieser Hinsicht einen völlig neuen Stil entwickeln. Wandel nach Innen und imperiales Auftreten nach Außen passen nicht zueinander, auch nicht, wenn durch eine patriotische Propaganda die Mehrheit der Amerikaner eine solche Rolle unterstützen würden.

 

Die USA haben einen Weg zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise eingeschlagen, der bei demokratischer Betrachtung starke Vorbehalte hervorruft. Auf vielen Gebieten der Politik sind die Richtungen, die sie einschlagen werden, noch nicht sichtbar. Es wäre falsch, auf die amerikanische Politik zu warten, um die deutsche Politik der amerikanischen anzupassen. Jedes Land muss seine eigenen Lösungen finden, die in vielen Fragen ähnlich sein werden, weil die Voraussetzungen sich weitgehend gleichen. Der Lernprozess voneinander kann aber nur beginnen, wenn die Länder eigene Wege beschreiten. Die nationale Lösung ist nicht ein Notbehelf, weil globale Lösungen innerhalb kurzer Zeit nicht zu schaffen sind, sondern, weil sie in jedem Fall besser ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Finanzkrise ist nicht auf das Versagen von Finanzfachleuten oder die blinde Konsumwut der amerikanischen Bürger zurückzuführen, sondern sie ist eine Folge des Systems, das unter Bush zur Hochform auflief. Und wird dieses beibehalten, so ist ihre „Lösung“ ein gewaltiger Umverteilungsprozeß, der die Krise zum Dauerzustand macht. Insofern ist es gleich, ob das Konjunkturprogramm über Steuerermäßigung oder über Subventionen erfolgt. Der Streit zwischen den „Republikanern“ und den „Demokraten“ ist sekundärer Natur, denn die Finanzierung des Konjunkturprogramms erfolgt in beiden Fällen über eine maßlose Neuverschuldung, die dem Volk aufgebürdet wird. Es ist unmöglich, auf diese Art die Krise aus der Welt zu schaffen, wie es unmöglich ist, dass sich jemand an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann. Das System, kann bei Einhaltung der alten Spielregeln nicht wieder flott werden. Und werden die Spielregeln nicht eingehalten, dann löst es sich auf. Das wissen die Herrschenden in den USA. Und das ist der Grund, dass sie auf die Weltführung pochen und dabei die bisherigen Partner zur Kooperation vergattern: „Die USA brauchen die Welt – und die Welt braucht die USA“. Für B. Obama ist das eine Inkonsequenz.

Mit dieser Formel wird die Führungsrolle der USA begründet. Beim Streit um den Protektionismus, in den sich jetzt hell wach geworden Horst Köhler eingeschaltet hat, geht es um diese Führungsrolle, um die internationale Stützung der USA. Sarkozy ist nicht etwa ein Gegner der USA, sondern er befürwortet den Protektionismus nur, weil er das französische Volk fürchtet. Er möchte überleben. Es ist der Druck des französischen Volkes, der ihn zu einer geschichtlich richtigen Einstellung zwingt. In der BRD ist es noch nicht so weit.

Die Aussage, daß die Rezession die EU in die Schuldenkrise gestürzt hat, ist irreführend. Die Politik ist die Ursache der Rezession und diese wieder löst die Krise aus. Doch Krisen sind Zeiten des Paradigmenwechsels. Und das Paradigma, um das es geht, lautet: die Wiederherstellung der national-staatlichen Souveränität. Damit stoßen wir auf den politischen Kern des Geschehens. Die überstaatlichen globalen Institutionen haben den Heuschrecken die Bahnen gewiesen, an deren vorläufigem Endpunkt wir stehen. Der Ausweg aus der Krise ist nur über die nationale Selbsthilfe zu finden, nicht auf dem Wege der globalen Weltordnung und auch nicht auf dem Wege der EU. Der Sirenengesang von Frau Merkel, der Treuesten der Treuen in Europa, „Europa muss mit einer Stimme sprechen“, würde uns am Felsen zerschellen lassen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist nicht das Signal zum Aufbruch in einen Weltstaat unter Amerikas Führung, so wie uns das die aufgeregte Polemik gegen den Protektionismus weismachen soll. Wer heute für Protektionismus ist, der liegt richtig. Wer dagegen protektionistische Maßnahmen ablehnt, der geht den alten Weg weiter. Der Weltstaat – und von Obama ist bekannt, dass er diesem Gedanken nahesteht, – ist nicht die Rettung, zu dessen Glück die Völker auch ganz undemokratisch gezwungen werden können. Wir halten B. Obama zugute, dass er diese Tücke nicht durchschaut, sondern ehrlichen Herzens glaubt, ein Weltstaat wäre die richtige Antwort auf die Probleme der Menschheit. B. Obama kommt nicht aus den herrschenden Kreisen, er kommt aber auch nicht aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Hinter ihm steht keine Organisation, die auf wirklichen Wandel aus ist. Aber hinter ihm stehen viele Millionen Menschen voller Hoffnung. Sie ins Spiel zu bringen, ist die große Chance. Selbst mit größter Euphorie allein wird die alte politische Phalanx nicht überwunden. Die Stimmung kann sich schnell ändern, wenn der amerikanische Bürger sich enttäuscht zurückzieht. Und darauf sind seine Gegner aus.

Erfahrungen haben eine hohe Beweiskraft. Doch kann sie getürkt sein, indem der Umkreis der Wirkbedingungen nicht richtig begrenzt wird. Franklin D. Roosevelt sah sich ebenfalls mit einer dramatischen Wirtschaftskrise konfrontiert. Mit seinem „New Deal“ durchbrach er die traditionellen wirtschaftspolitischen Auffassungen, wonach die die freie Wirtschaft sich selbst wieder ins Gleichgewicht bringt und schlug den Weg des staatlichen, schuldenfinanzierten Konjunktur- und Sozialprogramms ein. B. Obama sieht in Roosevelt ein Vorbild zur Krisenbewältigung. Doch ist die Konjunktur dadurch tatsächlich wieder in Gang gekommen? Und konnten dadurch wieder die hohen Schulden getilgt werden? Nein, der Zweite Weltkrieg rettete die USA vor dem Desaster. Im objektiven Geschichtsverlauf spielte Hitler für die USA die Rolle des nützlichen Idioten und das deutsche Volk war der Leidtragende. Die USA ließen sich jedenfalls alles Kriegsmaterial, das sie an die Verbündeten verkauften, mit purem Gold bezahlen. Die USA haben sich also auf Kosten der kriegführenden Länder saniert. Auf ihrem Rücken wurden die Schulden abgetragen. Welche „Nachfrage“ wird B. Obama zugute kommen? Was der konkrete Anlass sein wird, ist offen. Aber wer bezahlen wird, ist schon entschieden. Der neue Präsident hat es gesagt und sein Stellvertreter hat es wiederholt: die Verbündeten und die ganze Welt. Das halten wir allerdings für eine Fehlkalkulation.

Wenn B. Obama den Wandel will, braucht er Verbündete. Sein wichtigster Verbündeter ist das amerikanische Volk, sind die Massen, die „yes, we can“ skandierten. Die Kräfte, die ihn während der Präsidentschaftswahlen getragen haben, die ihm mit kleinen Spenden ihre Sympathie entgegen-gebrachten, auf die muss er sich stützen. Wenn er sie enttäuscht, dann ist er verloren. Dann ist die Gefahr am größten, dass er von seinen Gegnern ermordet wird. Analog sind seine wichtigsten Verbündeten außerhalb Amerikas die Völker, die so große Hoffnungen in ihn setzen, gleich, wo sie leben; nicht die Regierungen. Er muss an die Basis gehen, er muss die Völker ansprechen, nicht nur in Amerika, sondern in der ganzen Welt. Das wird ihm Kraft geben und manche Gedanken, die heute nicht so klar sind, werden dann in die notwendige Richtung gebracht.

Wie sollte sich unser Verhältnis und überhaupt das Verhältnis der bisherigen Verbündeten zu den USA gestalten? Auf keinen Fall dürfen wir weiterhin Hilfsdienste leisten, um die Führungsrolle der in der Welt zu sichern. Der Politik einer neuen Sachlichkeit entspricht eine gleichrangige Stellung und der gegenseitige Vorteil. Das Vasallentum muss ein für allemal der Vergangenheit angehören.

Die Auflösung der westlichen Blöcke wird anders verlaufen als die Auflösung des Ostblocks, die mit einem gespannten Verhältnis zwischen den Satellitenstaaten und Russland endete. Die Auflösung des Ostblocks vollzog sich unter den Vorzeichen des Kalten Krieges. Die Auflösung der von den USA geführten Bündnissen darf nicht zur Folge haben, dass die Staaten sich anderen Bündnissen anschließen oder neue Bündnisse eingehen. Bündnisse sind immer Abgrenzungen zu anderen. Wer Vorteile zu anderen Sucht, macht andere sich zum Gegner. Die Blöcke müssen aufgelöst werden. In einer blockfreien Welt gibt es keine Konfrontationen. Wenn die westlichen Industriestaaten auf alle Privilegien verzichten und ihren Wohlstand aus eigener Kraft und durch fairen Handel schaffen, dann werden die Spannungen in der Welt schlagartig zurückgehen.

Das heißt nicht, dass eine indifferente globale Situation entsteht. Die Probleme der Gegenwart und noch mehr die Aufgaben der Zukunft verlangen Solidarität und Kooperation, um die Bewohnbarkeit der ganzen Erde zu sichern. Die UNO kann das kollektive Steuerungszentrum werden, wenn sie entsprechend umgebaut wird. Bisher haben die westlichen Staaten die UNO genutzt, um sich Vorrechte zu verschaffen. Wenn der Widerstand zu stark wurde, haben sie die UNO ignoriert. Der Weltsicherheitsrat hat die Welt nur im Interesse der Großmächte gesichert. Das alles sind Nachkriegsrelikte. Auch die heutige UNO ist ein Stück Nachkriegsordnung. Neuen Geist in die UNO bringen heute jene Länder, die bisher von der Mitbestimmung der internationalen Politik ausgeschlossen waren. Sie drängen in den Vordergrund. Die demokratische Reform der UNO ist daher eine zentrale internationale Aufgabe. Dazu gehören die Aufhebung des Vetorechts des Sicherheitsrates und die Anerkennung der UNO- Vollversammlung als höchste Instanz der UNO. Wenn die westlichen Staaten aus ihrer Sackgasse herauskommen wollen, müssen sie ihre Bündnisse auflösen und die freiheitlich-demokratische Umgestaltung der UNO vorantreiben. US-Präsident Obama hat sich bisher zur Haltung der USA in der UNO nicht geäußert. Die USA müssen auch in dieser Hinsicht einen völlig neuen Stil entwickeln. Wandel nach Innen und imperiales Auftreten nach Außen passen nicht zueinander, auch nicht, wenn durch eine patriotische Propaganda die Mehrheit der Amerikaner eine solche Rolle unterstützen würden.

Die USA haben einen Weg zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise eingeschlagen, der bei demokratischer Betrachtung starke Vorbehalte hervorruft. Auf vielen Gebieten der Politik sind die Richtungen, die sie einschlagen werden, noch nicht sichtbar. Es wäre falsch, auf die amerikanische Politik zu warten, um die deutsche Politik der amerikanischen anzupassen. Jedes Land muss seine eigenen Lösungen finden, die in vielen Fragen ähnlich sein werden, weil die Voraussetzungen sich weitgehend gleichen. Der Lernprozess voneinander kann aber nur beginnen, wenn die Länder eigene Wege beschreiten. Die nationale Lösung ist nicht ein Notbehelf, weil globale Lösungen innerhalb kurzer Zeit nicht zu schaffen sind, sondern, weil sie in jedem Fall besser ist.