Grundsätzliches

 

Johannes Hertrampf - 28.09.2013

 

 

Es wird immer offensichtlicher: der Opposition fehlt eine eigene Philosophie. Das hat zur Folge, dass die Kritik nicht über eine perspektivische Weite verfügt und damit eine historische Aufgabe sichtbar wird, sondern sich auf diese und jene Schwächen der Regierung begrenzt. Die Opposition hält sich an politische Grenzen. Bundestagssitzungen sind bestenfalls deklamatorische Attacken, aber keine grundsätzlichen programmatischen Auseinandersetzungen.

 

 

Deshalb werden von der Regierung die Einwände regelmäßig ignoriert. Sie bleibt bei ihrem Kurs und schafft eine Tatsache nach der anderen, die sie sich im Nachhinein vom Bundestag bestätigen lässt. Als der NSA-Skandal bekannt wurde und einige deutsche Politiker sich empört gaben, löste das in den USA Verwunderung aus. Solche Spielereien passen nicht zur Vasallenrolle. Dieser Vasallenstatus, den auch die Opposition trägt, ist der größte Makel des deutschen Bundestages - einem anderen Herrn zu dienen als dem deutschen Volk. Latent gibt es über diesen Zustand in der Bevölkerung Unmut. Die Erwartung an die Opposition schwindet jedoch, denn nach jeder aufflackernden Hoffnung, sie könnte nationale Interessen vertreten, Stichworte Bankenrettungspakete und ESM, zog sie den Kopf ein. Die Opposition vertritt keine anderen politischen Inhalte. Sie modifiziert nur die Regierungspolitik. Sie wacht darüber, dass die unzufriedenen Bürger nicht systemkritisch werden.

 

 

Nun kann man daraus den Schluss ziehen - und die offizielle Politik tut das, dass der Regierungskurs unter den gegebenen Bedingungen der einzig richtige ist, weil alle Kritik an ihr abperlt. Aber man kann daraus auch den Schluss ziehen, dass die Opposition nicht über die richtige Einstellung verfügt. Wir meinen damit, dass sie nicht die schweren Verstöße der Regierung gegen das Grundgesetz und gegen die Lebensgrundlagen des deutschen Volkes in den Mittelpunkt ihrer Kritik stellt. Dieses Versagen kaschiert sie mit staatsbürgerlicher Verantwortung. Das Volksinteresse ist nicht ihr Handlungsmotiv. Soweit zur parlamentarischen Opposition.

 

 

Und die außerparlamentarische Opposition, die gern in die Parlamente möchte? Auch ihr fehlt es an der entsprechenden Haltung. Sie hat nicht genügend Abstand zu dem von ihr kritisierten politischen Sachverhalt. Sie scheut sich, den Begriff nationales Interesse in den Mund zu nehmen, geschweige denn, sich daran auszurichten. Das wird vor allem bei der Beurteilung der aktuellen Hauptprobleme deutscher Politik sichtbar: EU und Rolle der westlichen Industriestaaten in der Weltpolitik. So gibt es hinsichtlich der EU und des Euro eine ganze Palette unterschiedlicher Auffassungen, die auf fundamentale Unsicherheiten hinweisen. Das reicht von Forderungen nach Abschaffung des Euro bis zu seiner Beibehaltung als geteilter Nord-Süd-Euro. Und bezüglich der Rolle Deutschlands und der westlichen Demokratien in der heutigen Welt sieht es noch schlechter aus. Trotz aller Kritik glaubt sie an die Überlegenheit der abendländischen Kultur und an die Vorteile eines wissenschaftlich-technischen Vorsprungs und übersieht dabei, dass dieses Ungleichgewicht Opfer und Elend anderer Völker zur Voraussetzung hat. Die Opposition hat kein eigenes die Geschichte erklärendes Konzept, an dem sie ihre politischen Forderungen ausrichtet, sondern sie schwimmt im Fahrwasser der offiziellen Politik. Ihre Unsicherheit überträgt sich auf den Bürger und dieser quittiert ihr sein mangelndes Vertrauen bei den Wahlen.

 

 

Auf dem überkommenem geistigen Fundament gibt es keine Erneuerung und folglich stellt die Auseinandersetzung mit der Regierung deren Politik nicht wirklich in Frage. Wer den Wandel will, der muss den Pflug tiefer ansetzten. Statt einer Kapitalismuskritik ist eine Zivilisationskritik vonnöten. Die bisherigen geschichtlichen Veränderungen erfolgten alle innerhalb einer langen Formation, der Zivilisation. Die anstehende Erneuerung der Gesellschaft lässt sich aber nicht in diese Reihe einordnen. Sie sprengt den Rahmen der Zivilisation. Die gesellschaftlichen Bewegungen der letzten einhundertfünfzig Jahre, namentlich im Zwanzigsten Jahrhundert mit seinen schweren Erschütterungen, offenbaren, dass die Zivilisation erschöpft ist, dass es in ihr keine gesellschaftliche Erneuerung geben kann. Die Erfolglosigkeit aller Bemühungen um eine gerechte Gesellschaft hat Ratlosigkeit hinterlassen, weil der tiefere Grund nicht erkannt wurde: das anstehende Problem bedurfte eines anderen Herangehens als bei den vergangenen innerzivilisatorischen Wandlungen. 

 

 

Wie soll man nun die Lösung finden?

 

Generell gibt es zwei Möglichkeiten: erstens man verhält sich rein empirisch und verfährt nach der Methode „Versuch und Irrtum“. Bei ihr steht die unmittelbare Nützlichkeit an oberster Stelle. Tritt diese nicht ein, wird der Weg verworfen. Dieses Konzept bedarf des vielfältigen Angebots, aus dem das jeweils verheißungsvollste ausgewählt wird. Die Vielfalt ist hier eine Bedingung der Spontaneität, die für sich noch nicht die Wahrheit garantiert. Mehr noch, sie ist eine Bedingung, mit der man die Wahrheit unterdrücken kann. Die Gegenwart beweist, dass die Vielfalt ein Bestandteil einer wirksamen, Verwirrung und Ablenkung in einem, Manipulation ist. Unbestreitbar ist aber auch, dass dieses Konzept mit der Zeit immer aufwendiger wird. Einmal diesen Weg eingeschlagen, steigt der Verschleiß ins Unermessliche, wie die gegenwärtige Finanzkrise, die eine kolossale Umverteilung ist, deutlich macht. Oder nehmen wir die sogenannte Energiewende in Deutschland, die als Begründung für eine schwindelerregende Abzocke der Bürger dient. Die Verbreitung von Lügen kostet viel Geld und noch mehr die praktischen Weichenstellungen. Die Verteidigung von EU und Euro ist mit enormen Kostensprüngen verbunden, die einzig von den Völkern zu tragen sind.

 

 

Die Hoffnung, dass ein Crash alles ändern würde, ist ein Irrtum, dem konsequente Demokraten nicht verfallen dürfen. Nicht der Crash bringt den qualitativen Wandel, sondern die erfolgreiche Opposition gegen die Kräfte, die auf den Kollaps hinsteuern. Die Opposition muss den Weg aufzeigen, wie der Crash verhindert werden kann, indem der eingeschlagene Weg gestoppt wird und die verantwortlichen Politiker aus ihren Ämtern entfernt werden. Der Kollaps für sich hat noch nie die Menschen geläutert. Das System der schwarzen Löcher muss überwunden werden. Und das ist der Grund, weshalb man sich von der Methode „Versuch und Irrtum“ verabschieden und der Bewusstheit den Vorrang geben muss, denn die spontane Methode führt die Menschen nicht aus dem Kreislauf eines ständigen Auf und Ab. 

 

 

Das andere Konzept besagt, dass der Weg wissenschaftlich vorgezeichnet wird. Es ist dies der Weg, den der Mensch in der Zivilisation in seinem Umgang mit der Natur beschreitet. Er stellt sich ein Ziel und konstruiert den Ablauf unter Zuhilfenahme der Naturgesetze. Dieses Konzept beruht auf der wissenschaftlichen Erkenntnis und der Erfindung von Techniken. Je enger der Mensch den Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und technischer Innovation herstellt, desto mehr schafft er sich neue Freiräume. Dieser Zusammenhang gilt auch für die Gesellschaft. Wissenschaft und Technik sind die universellen Bedingungen menschlicher Befreiung, die zunächst in der Zivilisation im Verhältnis zur Natur systematisch genutzt wurden und die nun im zwischenmenschlichen Umgang Einzug halten müssen.

 

 

In Bezug auf das gesellschaftliche Verhalten stellen wir also in der Zivilisation eine andere Verfahrensweise fest. Hier wird nicht nach Gesetzmäßigkeiten gefragt, sondern die Menschen leben in einem Herrschaftsverhältnis. Die Herr-Knecht-Stellung ist das grundlegende Ordnungsprinzip der Zivilisation. Die gesellschaftlichen Gesetze wirken als notwendige Korrektive. Solche Korrekturen sind mit gewaltigen Zerstörungen verbunden, aus denen aber nur neue Modifikationen des bisherigen Typs hervorgehen. So stellt sich die Zivilisation als eine innerlich permanent rebellierende Formation menschlicher Entwicklung dar, bei der es an allen Ecken und Enden ständig gärte und brodelte, die aber dennoch ein Typus mit gleichbleibenden Grundbeziehungen blieb. Zwischen dem Verhalten der Menschen untereinander und dem Verhalten zur Natur besteht in dieser Formation ein markanter qualitativer Unterschied. Es sind faktisch zwei nebeneinander existierende Welten, die ein Quell von Spannungen und Konflikten sind. Die Überwindung dieser Diskrepanz ist das zentrale Problem am Ende der Zivilisation.  

 

 

Hypothetisch: Die Gesellschaft braucht eine strukturelle Übereinstimmung (Analogie) zwischen beiden Bereichen. Sie braucht hier wie dort gesichertes theoretisches Wissen und solide Techniken. Die demokratisch organisierte sozial-technische Konstruktion muss an die Stelle einer machtpolitischen Ordnung treten. Das bedeutet die Ablösung der Herrschaftsgesellschaft durch einen neuen Typus von Volkssouveränität.

 

 

Auch die Herrschaftsgesellschaft ist nicht monolithisch, sondern in ihr agieren hart konkurrierende Interessengruppierungen, von der Intrige bis zum Krieg, die jedoch immer die Teilung in Oben und Unten aufweisen. Die Einhaltung dieser Teilung steht über dem Interessenkonflikt. Vor allem durchdringt sie die gesamte geistige Sphäre. Kunst, Moral, Wissenschaft und Philosophie dienen der Herrschaftsgesellschaft und werden von ihr gefördert. In einer Hinsicht herrscht jedoch besondere Vorsicht: das ist die wissenschaftliche Analyse der Gesellschaft. Diese geht nur soweit, soweit sie der Stabilisierung der Herrschaft dient. Im Unterschied zur Haltung gegenüber der Naturwissenschaft ist die Zivilisation gegenüber der Gesellschaftswissenschaft geradezu feindlich eingestellt. Das wissenschaftliche Prinzip bleibt bei der Organisation der Gesellschaft außen vor, weshalb die Demokratie in der Zivilisation nur eine Form von Herrschaft ist. Doch dass die Herrschenden zu dieser Form greifen, sie wie eine Monstranz vor sich her tragen, um dann im Namen der Demokratie die grässlichsten Verbrechen begehen, ist ein Zeichen des bevorstehenden Wandels. Sie nutzen diese schillernde Form, um ihre Macht zu verschleiern. Daraus ziehen manche Kritiker den Schluss, dass die Demokratie nur ein Herrschaftstrick ist. Aber warum sollten sie zu diesem Trick greifen, wenn sie nicht müssten? Wer die Herrschaftsdemokratie als Trick abstempelt, der ignoriert einen Kernpunkt zukunftsorientierter Gesellschaftskritik, der versteht nicht, dass darin die Volkssouveränität zur Geltung kommt. Die Herrschaftsgesellschaft konnte die Volkssouveränität zu keiner Zeit ausschließen. Sie musste ihr Rechnung tragen und an bestimmten Punkten der Zivilisation schlug diese Souveränität als Revolution durch. Die Demokratie heute und die Demokratie künftig sind unterschiedliche Ausdrucksformen der Volkssouveränität. Einmal in der durch die Herrschaftsordnung geprägten Form und zum anderen in der Form einer nach wissenschaftlichen Grundsätzen organisierten Gemeinschaft. Kurz gesagt: Demokratie wird dann die sich organisierende gesellschaftliche Wahrheit, die ihre eigenen Instrumente entwickelt. Die untrennbare Verknüpfung von Demokratie und Konkurrenz, wie das heute üblich ist, ist nur für die Zivilisation gültig, denn die Konkurrenz bringt.

 

 

Machtverhältnisse hervor, von denen man sich ja gerade trennen muss. Das gilt innerhalb einer Gemeinschaft als auch in Beziehung zu anderen Gemeinschaften. Noch ist das Konkurrenzdenken vorherrschend. Selbst der Zweck der EU wird daraus erklärt - Europa müsse sich gegen andere Regionen stark machen. Das ist sicher nicht der richtige Weg für Europa. Wenn Europa einen Beitrag zum Menschheitsfortschritt leisten will, muss es auf die Bildung konkurrierender Blöcke verzichten.

 

 

Wahlen widerspiegeln einen Zustand, aber sie verändern ihn nicht. Das zeigte erneut die letzte Bundestagswahl. Die entscheidenden Änderungen vollziehen sich außerhalb der Parlamente. Die Völker werden nicht von den Parlamenten geführt. Wahlen können nur dann etwas verändern, wenn ihnen eine geistige Wandlung vorausgegangen ist und sich eine wandlungsfähige Kraft gebildet hat. Das ist gegenwärtig in Deutschland nicht der Fall. Soweit sind wir noch nicht. Noch trügt der Schein, den manche Organisationen verbreiten. Noch agieren alle Parteien nach dem alten Muster „Versuch und Irrtum“. Auch die AfD steckt in einem Widerspruch. Einerseits kann sie die Gesellschaft nicht erklären, andererseits gibt sie sich den Namen „Alternative für Deutschland“. Daher ihre Unschärfe und Unschlüssigkeit. Darin liegt ja eben die Bedeutung des geistigen Vorlaufs, dass deutlich ein neuer Horizont geschaffen wird. Keine der Bundestagsparteien ist dazu in der Lage und demzufolge auch keine Koalition. Die AfD hat ihre vielversprechende Knospe noch nicht geöffnet. Wird sie es schaffen, ist häufig die bange Frage und Hoffnung vieler Menschen. Angesichts des geistigen Rückstands gegenüber dem praktischen Druck besteht hier eine riesige Lücke. Wenn sie aus den etablierten Altparteien jetzt Zulauf hat, ändert das hieran nichts, denn diese Zuläufer bringen den Geist ihrer früheren Parteien mit. Diese Lücke zu schließen, kann nicht allein Aufgabe der AfD sein, sondern geht jeden Deutschen an.

 

 

Einerseits ist in den Systemparteien ein Zersetzungsprozess in Gang gekommen, andererseits ist die Alternative noch unscharf. Sie muss sich auf die programmatisch-strategischen Inhalte konzentrieren, nicht viele politische Forderungen aufstellen. Man könnte auch sagen: in Deutschland muss eine Fundamentaldiskussion in Gang kommen. An ihr sollten sich alle kleinen oppositionellen Parteien und Gruppierungen beteiligen. Oft haben manche durch ihre eigensinnige Ansicht, sie hätten den Stein der Weisen in der Tasche, den Kenntnisfortschritt behindert. Will man sich in diesen Diskurs aktiv einbringen, dann muss man alles hinterfragen und den historischen Zusammenhang aufdecken. 

 

 

Es ist eine Erfahrung aller großen geschichtlichen Umwälzungen, dass ihnen geistige Umbrüche vorausgingen. Heute sprechen wir zwar viel von großen Problemen, vor denen die Menschheit steht, aber wir wagen uns nicht, konventionelle Bahnen zu verlassen. Die Zweifel an der Machbarkeit ersticken die Originalität. Das Besondere an der heutigen Situation ist, dass die geistige Vorarbeit wohl nur aus einer wissenschaftlichen Analyse der menschlichen Genesis gelingen kann, weil die Beibehaltung der Spontaneität als Bewegungsform den Menschen zerbrechen würde. Die wissenschaftliche Herangehensweise ist prädestiniert, denn ihre Aussagen sind nachprüfbar. Die Wahrheit ist kompromisslos und unbezwingbar. Die überlieferten Leitideen sind zu abstrakt, als dass sie das Handeln auf die besondere heutige Notwendigkeit ausrichten könnten. Der Schlüssel liegt vielmehr in der Fähigkeit des Menschen, sich durch die Technik aus der Naturvielfalt herauszuarbeiten und seinen Standort im System der Natur zu bestimmen.

 

 

 

In der Vergangenheit waren imaginäre Ziele ausreichend, gesellschaftliche Umwälzungen auszulösen, Ziele, die sich dann in der Realität verloren. Die Menschen waren ihnen gefolgt, hatten sie aber nicht erreicht, dennoch waren die alten Zustände überwunden worden und neue Widersprüche brachen auf. Doch der Unterschied zu früher besteht darin, dass bei der neuen Umwälzung die Ziele erreicht werden müssen, da Widersprüche in noch größeren Dimensionen das Ende des Menschen bedeuten würden. Das meinen wir, wenn wir sagen, die Spontaneität hat als dominierende Bewegungsform ausgedient. Aber es gilt wohl der Satz: je größer die Umwälzung, desto tiefschürfender muss die Leitidee sein, der die umwälzende Kraft folgt. Und was kann tiefschürfender sein, als die wissenschaftliche Erkenntnis der geschichtlichen Genesis des Menschen.

 

 

Wird dieser Gedankengang akzeptiert, dann ist auch für die Zukunft der technische Fortschritt der materielle Schlüssel für die Lösung. Von hier aus müssen die Antworten gefunden werden für den Umgang mit der belebten Natur, zu den Beziehungen, in die die Menschen als globales Subjekt treten müssen und schließlich für den Werdegang jedes einzelnen Menschen.

 

 

Es ist ein vorrangiges Anliegen der Herrschenden, die Kenntnis der gesellschaftlichen Genesis zu unterdrücken. Heute wird diese Absicht mit dem Kampf gegen Links und Rechts verfolgt. Die Ablehnung des Kommunismus dient als Beweis für die Ablehnung jeder historischen Gesetzmäßigkeit. Der Antikommunismus wird über seinen direkten Gegenstand hinaus benutzt, um die Sinnlosigkeit von gesellschaftlicher Entwicklung zu begründen. Demzufolge hätte die Geschichte keinen Sinn, keine Richtung. Selbst linke Parteien ducken sich an dieser Stelle. Sie kapitulieren. Sie sagen sich von der historischen Genesis ab und beschränken sich auf die soziale Gerechtigkeit. Hierin drückt sich ihr Unverständnis der Marx`schen Denkweise aus. Sie freuen sich, wenn es ihnen gelingt, sich in der politischen Gegenwart einzurichten und von ihr zu partizipieren. Das drückt sich heute sehr deutlich in ihrer Haltung zur Euro-Kritik aus. Die Linke ist für den Euro und für die EU unter Bewahrung der sozialen Gerechtigkeit. Damit fällt sie als gesellschaftsverändernde Kraft aus. Sie steht faktisch außerhalb der großen Fragen unserer Zeit. Deshalb muss sie nach Kräften das Rechts-Links-Schema beleben, um wichtig zu erscheinen. Der Kampf gegen Rechts ist für sie die eigentliche Existenzberechtigung. Doch er ist zugleich eine Ablenkung der Menschen von den eigentlichen Problemen. Er ist selbst ein Systemprodukt, mit dem sich die Linken gern ködern lassen. Das zwanzigste Jahrhundert bestätigt, dass dieser geschürte Rechts-Links-Konflikt eine Form von „Teile und Herrsche“ ist, weil er die Volkskräfte verschleißt und die Erneuerung bremst.

 

Eine die Gesellschaft erneuernde Kraft muss zu diesen Fragen Antworten geben, wobei jede Generation die konkreten Wegzeichen definieren muss. Es sind also sowohl die allgemeinen Kriterien aufzustellen und in diesem Rahmen die historisch spezifischen Aufgaben. Mit welchen Schritten wird das Naturverhältnis gewandelt? Welche Rolle spielt das Nationale in der globalen Subjektwerdung? Worin besteht das konkret-historische Optimum die Individualitätsentfaltung? Und alles das muss sich in den Schwerpunkten der technischen Entwicklung wiederfinden, denn wie gesagt, alle Ziele sind nur auf einer adäquaten technischen Basis erreichbar und die Kräfte der Menschen werden immer begrenzt sein. Die Vorstellungen, in denen heute die Energiewende gedacht wird, wie der ökologische Umbau der Gesellschaft aussehen soll, mit denen die westlichen Industriestaaten weltweit auftreten und schließlich wie die finanzpolitische Ordnung beschaffen sein soll, bilden kein harmonisches Ganzes, bei dem eines zum Vorteil des anderen wirkt. Sie werden noch nicht mit dem Blick über den Rahmen der Zivilisation hinaus getan. Das hat neue Konflikte zur Folge. Und für manche ist das normal, weil sie nicht den traditionellen Rahmen übersteigen wollen.

 

 

Das oberste Kriterium ist die Wahrheit und nicht die wohlgemeinte Absicht. Linke Parteien und rechte Parteien sind gleichermaßen zukunftsfeindlich. Die Linken haben einer Zukunftsidee abgesagt. Und für die Rechten liegt sie in der Vergangenheit. Sie träumen vom Abendland und dem deutschen Reich, die beide endgültig vergangen sind. Für beide trifft zu, dass sie mit ihren starrsinnigen, vorgefassten Ansichten dem Fortschritt im Wege stehen. Sie sind unnahbar verschlossen, wenn ihre Positionen kritisch hinterfragt werden. Die Offenheit, ein demokratisches Merkmal, ist ihnen genauso fremd wie den herrschenden Parteien. Ihre Regel lautet: Demokratisch ist, was ihnen nützt. Worin besteht da der Unterschied zur Alternativlosigkeit der gegenwärtigen CDU-Führung?

 

 

Keine Koalition bestehender Parteien ist in der Lage, Deutschland in die Zukunft zu führen. Trotzdem sagen wir: Die gegenwärtig herrschenden Parteien werden die Verkrustung aufbrechen und den Stein ins Rollen bringen. In ihrem Bestreben, die Macht zu erhalten, werden sie sich gegenseitig entblößen - Mögen die Toten ihre Toten begraben. Das ist ihr letztes Werk. Sie werden nicht an der Zukunft mitarbeiten, aber sie werden selbst den Platz frei machen für die alternative Opposition.                                                     

 

Die eine weltgeschichtliche Ära geht zu Ende, die andere beginnt.

 

 

 

Johannes Hertrampf - 28.09.2013