Erneuerung - eine naturgesetzliche Konsequenz

 

 

Johannes Hertrampf – 20.10.2016

 

 

Steuert die heutige politische Krise in Deutschland auf einen Bürgerkrieg hin? Sieht so der  unvermeidliche Durchgang zur Zukunft aus? Diese Fragen stellen sich viele Bürger angesichts der verfahrenen Situation. Sie hoffen auf eine Wendung zum Guten. Der Bürgerkrieg wäre für das Volk nicht nur ein leidvoller Weg, er wäre vor allem ein unnützer Weg, weil er keine Lösung bringen würde. Er würde das Potential des Volkes nicht zusammenfassen und nutzen, sondern es zersplittern und aufreiben. Er wäre darauf ausgerichtet, Teile des Volkes als gestaltende Kraft auszuschließen. Deshalb wird er von denen, die sich zum Volk bekennen und eine gesellschaftliche Erneuerung anstreben, die auf das Volk als Ganzes setzen, strikt abgelehnt. Durch ihn kommt man ihr nicht näher, sondern werden Hindernisse errichtet. Ein Bürgerkrieg wäre ein Zeichen dafür, dass die demokratischen Kräfte nicht in der Lage waren, ihre potentielle Überlegenheit in reale Überlegenheit umzusetzen. Heute muss man sogar sagen: Ein Bürgerkrieg würde den Untergang Deutschlands beschleunigen.

 

Was soll man ihm entgegenstellen? Ausgrenzungen und Denkverbote, politische Verfolgungen und Einschränkungen der Bürgerrechte? Damit wird nicht die Stimme der Vernunft gestärkt, sondern der Konflikt erst recht heraufbeschworen. Das sicherste Mittel zu seiner Verhinderung ist der nationale Dialog zwischen allen Deutschen über seine Gründe und die Schritte zur Überwindung der Krise. Die Rettung Deutschlands kann nur von den Deutschen selbst ausgehen, sie wird nicht von außerhalb kommen. Und hier stoßen wir auf ein großes Defizit – das verlorene Selbstvertrauen. Die Entmündigung durch die Siegermächte hat in Deutschland zu einer tiefen Verunsicherung geführt, bis hin zum Vorwurf einer dauerhaften, durch die faschistischen Verbrechen bewirkten, Änderung der deutschen Identität, den Bundespräsident J. Gauck erhebt. Ein solcher geistiger Zustand ist keine Voraussetzung für selbständiges Handeln. Deshalb hängen die Deutschen gern den Mantel in den Wind, um sich zu orientieren. Sie halten Ausschau, was andere machen, in der Hoffnung, dass ihnen das zugutekommt. Sie halten sich zurück, einen konstruktiven Eigenbeitrag zur europäischen Geschichte zu leisten. Selbst die Wiedervereinigung verlief nicht nach deutschem Willen, sondern wurde dem Interesse anderer Mächte untergeordnet. Doch wer sich stets anpasst, der verliert an Profil und ist für die anderen Europäer kein interessanter Partner.

 

Die politische Krise, in der sich Europa befindet, lässt eine Fortsetzung dieser deutschen Rolle nicht zu. Europa befindet sich in einer indifferenten Situation. Die bisherige Konfiguration löst sich auf und die Konturen einer neuen treten noch nicht hervor. Konstruktive Vorschläge werden gebraucht, aber von Deutschland ist nichts zu hören. Es enttäuscht die Erwartungen. Seine politischen Aktionen  sind Hemmschuhe, mit denen die Initiativen der anderen gebremst werden. Es müsste eigenständig handeln, die Wahrheit über Europa aussprechen und damit einen mutigen Anstoß geben, damit Europa über die nationale Interessenvielfalt in eine neue Ära des geistig-kulturellen und technisch-wirtschaftlichen Schöpfertums treten kann. Statt Zögern und Abwarten oder sich gar auf die Wiederherstellung vergangener Verhältnisse zu richten, muss der Aufbruch gewagt werden zu einem Europa der nationalen Eigenverantwortung.

 

Das europäische Haupthindernis für diesen Aufbruch ist die Bundesregierung, die mit Rückendeckung von außen diese Umbesinnung auf nationale Selbständigkeit in Deutschland und Europa hintertreibt. Ihr Wirken ist destruktiv und schürt Konflikte in Europa und in der Welt. Sie hält am westlichen Hegemonieanspruch fest, ungeachtet der desolaten Lage der EU und steuert ihn bis zur nationalen Selbstzerstörung als gewolltem Preis für das erwähnte Ziel. Was sie tut, ist nicht mehr Erfüllung einer erzwungenen Vasallenpflicht, es ist die freiwillige und absichtliche Organisation von Ohnmacht und Volksruin. Sie beugt sich nicht widerwillig der Fremdbestimmung, sie hat sich diese zu eigen gemacht. Daher stößt sie zunehmend auf Ablehnung in Deutschland und Europa. Ihre Absicht, die nationale Idee von Grund auf zu zerstören, wird ins Gegenteil umschlagen. Diese Idee wird sich in der EU konsolidieren, auch in Deutschland, nicht als Wiederholung eines vergangenen Zustandes, sondern in Gestalt der freien Volkssouveränität, also eines Zustandes, den es noch nicht gegeben hat. Der nationale Appell ist ein Handlungsappell an die Deutschen.

 

 

Über die Hinterhältigkeit der politischen Führung breitet sich im Volk Fassungslosigkeit aus. Es fällt ihm wie Schuppen von den Augen. Bürgerkrieg heißt: Deutsche kämpfen gegen Deutsche. Bei genauem Hinsehen wird deutlich: Dieser wird schon längst geführt, als Volkszerstörer gegen Volksverteidiger. Er tobt nicht erst seit gestern und vorgestern, er hat sich weitgehend unbemerkt entwickelt, weil er nicht in den herkömmlichen Formen begann. Er wird unter Leitmotiven geführt, die die wahren Absichten verbergen: Deutschlands Rolle bei der Integration Europas, Deutschlands besondere Verantwortung infolge seiner besonderen Schuld, Deutschlands besondere Pflicht zur Minderung der Kriegsleiden in der Welt. Alle diese wohltönenden Worte münden in der Absage an die nationale Selbständigkeit der Deutschen, letztlich in der Abschaffung des Volkes als Träger und Schöpfer der  nationalen Eigenart. Es wird behauptet, die Überwindung der nationalen Begrenzung sei historische Notwendigkeit, führe zu einer höheren Stufe menschlicher Freiheit. Aber was soll man von einer solchen Freiheit halten, die von den Menschen nicht gewollt wird? Hier wird Unfreiheit als Freiheit ausgegeben und Entfremdung als Identität. Am Ende schießt die Irrationalität noch einmal ins  Kraut, um eine postfaktische Ordnung zu rechtfertigen, in der Wünsche einer kleinen Gruppe die Wirklichkeit bestimmen.

 

 

Die Volksgegner verhindern den nationalen Dialog, sie überschütten die Menschen mit nichtigen Informationen und führen sie mit abwegigen Schlagzeilen in die Irre. Zugleich werden täglich Bedrohungen und Ängste inszeniert, um Energien zu paralysieren. Die Volksgegner sind geschickte Jongleure in der Umsetzung der für die gesamte Zivilisation geltenden Maxime: „divide et impera“, indem sie diese so handhaben, als brächte sie für die Menschen Vorteile.

 

Die Volksgegner bedienen sich des Staates und setzen ihn gegen die Volksverteidiger ein. Sie verfügen damit über ein großes Übergewicht. Der Staat war die ganze Zivilisation hindurch das wichtigste Instrument zur Unterdrückung des Volkes. Dass er aber nunmehr direkt zur Vernichtung des eigenen Volkes eingesetzt wird, das ist historisch erstmalig. Unterdrückung war noch nicht Auslöschung. Da der technische Fortschritt die Kraft der Völker erhöht, greifen die Herrschenden am Ende der Zivilisation zum letzten Mittel, zur Abschaffung der Völker. Sie wollen den kopflosen Menschen, der sich widerstandslos unterordnet, weil er nicht über einen kreativen Willen verfügt. Ihr Wunsch nach sciensfiktionalen (Wissenschafts-Fiktion) Zuständen, lässt sich erklären: Es ist der Freiheitsdrang der Völker, der mit dem technischen Fortschritt ständig anwächst und damit unüberwindbar ist. Er treibt den Zug der Volksfeindlichkeit der Zivilisation auf die Spitze, so dass auch hier am Ende das Wesen in die Erscheinung tritt, wie Hegel sagte. Das besagt, dass dieses in Erscheinung treten zu keiner Zeit mit dem Wesen in Konflikt stand, sondern immer ihm entsprach. Jede Verschleierung dieser Tatsache – am Anfang war die Sache gut, sie hat sich nur schlecht entwickelt – diese Allerwelts-Redensart – behindert die Erkenntnis der Widersprüchlichkeit der gesellschaftlichen Entwicklung.

 

 

Deutschland geht dabei voran. Es wird von einer machtbesessenen Clique beherrscht, die den Staatsstreich, diese Wendung zum Volkstod, vollzogen hat, ohne dass dies in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wurde. Es fand keine Palastrevolution statt. Es blieb alles friedlich, als der Führungskreis um Merkel seine Maxime zur obersten, für alle verbindlichen, Maxime erklärte. Der Ausspruch „Wir schaffen das!“ war eine Anweisung an alle staatlichen Stellen, für die Parteien und  Medien und die großen religiösen und kulturellen Institutionen. Diese Gleichschaltung hatte zur Folge, dass Zweifel und Widerspruch rigoros abgekanzelt und ausgegrenzt wurden. Der Widerstand gegen die politische Einvernahme des Staates durch die oberste Führung wurde als Angriff auf die freiheitlich-demokratische Ordnung und als Staatsgefährdung bezeichnet. Die Bürger, die es mit der freiheitlich-demokratischen Ordnung ernst meinen, sahen sich plötzlich in Konflikt mit den Organen, die diese Ordnung sichern sollen. Der Staat, das Machtorgan des Souveräns, so wie es im Grundgesetz festgeschrieben ist, entmachtete den Souverän, auf Befehl derer, die er gewählt hat, den Staat zu leiten.

 

 

Der Missbrauch der staatlichen Macht ist der maßgebliche Grund dafür, dass die politisch Gestrigen noch immer die Lufthoheit im Lande haben. In der freiheitlich-demokratischen Ordnung gilt für den Staat der Neutralitätsgrundsatz. Das bedeutet für die Bürger, die in den staatlichen Organen arbeiten, unbedingt die ihnen erteilten Anweisungen einzuhalten. Was aber, wenn die Anweisungen politisch tendenziös sind? Wenn der Staat eine politische Richtung bevorzugt? Das fängt schon ganz oben an, insofern die Bundeskanzlerin auch Parteivorsitzende ist und diese Verkopplung sich bis auf die Landes- und kommunalen Ebenen fortsetzt. Die Richtung der Gesellschaft wird also nicht nur über die parlamentarischen Vertretungen festgelegt, sondern auch durch die direkte parteipolitische Einflussnahme auf die staatlichen Einrichtungen. Die staatliche Hierarchie sorgt für eine starke Konformität im Sinne der parteipolitischen Führung.

 

Wenn die Volksgegner die staatlichen Leitstellen besetzen und diese in ihrem Sinne benutzen, zwingen sie die Beamten und Angestellten als Angehörige des Volkes gegen ihre Interessen zu handeln. Obwohl sie objektiv auf der „anderen Seite“ stehen, gehören sie in Wirklichkeit zu den volksfreundlichen Kräfte und erleben im Alltag diesen Widerspruch. Sie dürfen deshalb nicht ad hoc der gegnerischen Seite zugerechnet werden. Vielmehr muss der Widerspruch in ihnen verdeutlicht werden, dass sie eben staatlich-neutrale Pflichten zu erfüllen haben und nicht parteipolitische Vorstellungen und deshalb mit der festen Unterstützung der volksfreundlichen Kräfte rechnen können, die unbedingt die politische Neutralität verteidigen. Die wirkliche Spaltung in Deutschland verläuft infolgedessen zwischen der übergroßen Mehrheit des Volkes und der Minderheit des Volkes, die sich dem volksfeindlichen Kurs der etablierten Politiker angeschlossen hat.

 

 

Die Zeit drängt. Es muss eine Richtungsänderung eingeleitet werden, geprägt und bewegt von der Idee der Volkssouveränität – ruhig, sachlich und entschlossen. Die Volksverteidiger müssen zur praktisch-politischen und geistigen Offensive übergehen. Die Neubesetzung von staatlichen Funktionen auf allen Ebenen ist eine zentrale Aufgabe der Opposition. Über sie wird bei Wahlen entschieden. Deshalb muss sie sich für eine Demokratisierung des Wahlsystems einsetzen.

 

Wer auf die staatlichen Funktionen keinen Einfluss hat, wird dem Staat wie einem Fremdkörper gegenüberstehen und überlässt den Volksverderbern ihre wichtigste Waffe. Der Bürger sieht neben der kritischen Seite im Staat immer auch eine für alle verbindliche Institution. Sein Verhältnis zum heutigen Staat ist widersprüchlich. Er ist keinesfalls staatsfeindlich. Er verwirft nur seine Schwächen. Er sieht diese, anerkennt ihn aber als offizielle, ordnende  Autorität, im Widerspruch zu jenen, die ihn gar als nichtexistent bezeichnen. Letztere Ansicht vereinfacht die reale Widersprüchlichkeit des Staates in der Herrschaftsgesellschaft und erscheint dem Bürger zurecht als suspekt.

 

Je mehr der Staat das Wohlergehen der ganzen Gesellschaft im Auge hat, desto größer ist auch das Vertrauen der Bürger zum Staat, desto achtungsvoller ist der gegenseitige Umgang. Dass der Staat von den Herrschenden missbraucht wird, darf nicht dazu führen, den Staat generell abzulehnen. Eine solche Forderung macht es sich zu leicht. Richtig ist vielmehr, den Einfluss der Herrschenden zurückzudrängen. Das verlangt nicht nur alternative Politiker, sondern auch den alternativ handelnden Bürger. Ohne ihn geht es nicht. Er muss erkennen, welche hohe Verantwortung er trägt und darf mit seinem Souverän-Status nicht leichtfertig umgehen. Nur wer die Souveränität ausübt, hat sie. Tun ist Sein. Er muss seine Souveränität ausüben, desto näher und freundlicher wird ihm der Staat sein. Es geht nicht um mehr oder weniger Staat, es geht darum, wer den maßgeblichen Einfluss auf den Staat hat. Einerseits muss die Opposition über die Arbeit im Staatsapparat das Bürgervertrauen rechtfertigen, andererseits darf sie sich nicht am Missbrauch des Staates beteiligen, indem sie sich unter die Führung der etablierten Parteien stellt. Dieser Gefahr kann sie nur entgehen, wenn sie die Sachlichkeit des Staates in den Vordergrund stellt und den Bürger zum uneingeschränkten Einblick auffordert.

 

 

Bewusstsein entspringt immer praktischem Interesse. Das gilt auch für das Bewusstsein, welches für  die Erneuerung notwendig ist. Die geistige Vorbereitung der Erneuerung entspricht heute nicht den Zwängen, der aus den objektiven Bedingungen entsteht. Noch fehlt der eigenständig Ansatz, der nicht durch die Kritik an den heutigen Zuständen ersetzt werden kann. Dieser eigenständige Ansatz ist nicht einfach ein anderes Herangehen, sondern muss die wissenschaftliche Erklärung der menschlichen Gesellschaft sein. Mit dem Funktionskreis Natur – menschliches Interesse – Technik – menschlicher Gegenstand – Natur scheint eine solche wissenschaftliche Erklärung der Rahmenbedingungen des Menschen vorzuliegen. Er zeigt die Wirkungskette der menschlichen Entwicklung und die objektiv natürliche Begründung der aktiven Rolle des Menschen auf: Gesellschaftsfortschritt beruht fundamental auf der fortschreitenden Nutzung der Naturgesetze. Die Definition der Gesellschaft muss diesen Zusammenhang enthalten. Die optimistische Erwartung an die Zukunft hat einen berechtigten, natürlichen Grund, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Mensch dazu bereit ist. Immer dann, wenn die Gesellschaft nicht der technischen Entwicklung entspricht, sind Krisen unvermeidlich und das umso mehr, je gravierender der technische Wandel ist, wie das am Ende der Zivilisation der Fall ist. Die Erneuerung ist somit unvermeidlich, wenn der Mensch handelt. Handelt er nicht, bleibt sie aus und er geht unter. Dem steht allerdings sein Selbsterhaltungstrieb entgegen. Von daher ist die Opposition optimistisch.

 

Der Zusammenhang Natur-Technik-Mensch ist eine Konstante der gesellschaftlichen Entwicklung, auch der vor uns liegenden Erneuerung. Diese Richtung erzwingt zugleich eine Erweiterung des Gegenstandes menschlicher Tätigkeit, das Hinausschreiten über die bisherige Mensch-Bezogenheit.  Der Sinn seines Daseins erweitert sich auf Tier, Pflanze und die ganze Natur. Diese konkrete  Sinnerweiterung ist letztlich ebenso technisch erzwungen, wie die Erneuerung überhaupt. Der Mensch tritt in ein neues Gefüge von Abhängigkeiten ein und schafft sich dadurch einen neuen Radius von Freiheit.

 

Geistiger Vorlauf ist nicht das Entwerfen von Visionen. Geistiger Vorlauf ist die Betrachtung der Gegenwart und Vergangenheit von einer höheren Warte, mit einem größeren Durchblick, aus dem sich die weiterführende Alternative zu den bisherigen Betrachtungsweisen ergibt. Geistiger Vorlauf ist mehr als konservative Verteidigung.

 

Die Herrschenden scheuen vor einem solchen Vorlauf zurück, denn er belegt die Unvermeidlichkeit des Wandels. Anstelle dessen ersinnen sie Deutungen ohne entwicklungsgeschichtlichen Nachweis. Darauf darf sich die Kritik nicht konzentrieren. Sie muss vor allem eine eigenständige Sicht entwickeln.

 

Johannes Hertrampf – 20.10.2016