Die Niederlage

 

Johannes Hertrampf - 20.03.2014     

   

 

Der Westen ist für die Menschheit ein Problem.

 

Er will richten, obwohl ihn niemand dazu berufen hat. Er spricht eine Sprache, die den Völkern fremd ist. Er kommt mit den Interessen der Menschen nicht zurecht. Was ihm widerspricht ist falsch. Was er tut, ist richtig. Mit diesem egozentralen Schema gerät er mehr und mehr in die Isolation. So baut sich ein weltweiter Widerstand auf, dem er nichts entgegensetzen kann. Die Völker lassen sich eben nicht in eine willenlose Masse wandeln, sondern werden selbstbewusster.  

 

Was ist die Ursache für diesen weltweiten Stimmungsumschwung? Der Zeitgeist wandelt sich, weil sich das Leben wandelt, nicht umgekehrt. Was verändert sich täglich im Leben der Menschen? Es gibt Dinge, die den Menschen mehr verändern als noch so schöne Ideen und erhabene Ideale. Das sind die technischen Neuerungen. Der technische Fortschritt ist die Grundlage für einen Umbruch in allen Bereichen des Lebens. Er ist der Wegbereiter der menschlichen Revolution. Er schafft Freiräume, die in den herkömmlichen Gesellschaftsformen nicht ausgefüllt werden können. Hier liegt der Grund dafür, das der Wille zur Freiheit die Gesellschaft mit der Wucht einer Naturgewalt erschüttert.

 

Es sind also keine außerirdischen Kräfte, die auf den Wandel der Gesellschaft drängen, es sind keine bösen Menschen, die sich in diesen Dienst stellen, es ist eine sich vollziehende Notwendigkeit jenseits von Gut und Böse. Es ist die Bewegungsform des Menschen. In dem eigenen Tun bringt er eine ihm mysteriöse Macht hervor, die ihm solange äußerlich bleibt, solange er sie nicht erkennt und sein Verhalten dementsprechend einrichtet. Insbesondere die Informations- und Kommunikationstechnik bringt die Menschen unter sich und der Natur näher. Sie stellen fest, dass die Feindseligkeit zwischen ihnen und ihrer Umwelt aus der eigenen Unfreiheit resultiert. Die Feindseligkeit ist ein kritischer Hinweis auf eigene Unfreiheit. Und diese kann letztlich nur durch die Technik überwunden werden. Nicht die Umwelt ist ihm fremd, der Mensch trägt die Fremdheit in die Umwelt.

 

Diesen Wandel des Menschen können die Herrschenden nicht verhindern. Das ist eine Wirkung des technischen Fortschritts, den sie selbst vorantreiben.

 

Wir leben in einer Umbruchszeit. Der Westen muss lernen, mit seinem Machtverlust zu leben. Aber das ist nicht alles. Wenn er nicht die alten Verstrickungen löst und neue Beziehungen zu den Völkern entwickelt, versinkt er in die völlige Bedeutungslosigkeit, denn diejenigen, die sich von ihm abgrenzen, suchen - im Gegensatz zu ihm - nach neuen Wegen. Der Widerspruch zwischen technischer Dynamik und sozialer Stagnation ist sein tödlicher Makel. Überwunden werden kann dieser nur, wenn schrittweise Instrumente einer neue Volkssouveränität die alten Herrschaftsformen ablösen.  

 

Der  jüngste internationale Konflikt um die Ukraine war mehr als ein Kräftemessen zwischen dem Westen und Russland, er war nur an der Oberfläche eine Rivalität um Einflusssphären. Dem Wesen nach war er ein Prüfstein dafür, wie Russland sein Handeln begründet. Die Krim zeigte, dass der Westen für die russische Begründung, sich von der Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker als staatlicher Maxime leiten zu lassen, kein Verständnis aufbrachte. Ihm will es nicht in den Kopf gehen, dass das wirklich und ernsthaft eine Handlungsmaxime sein kann. Deshalb wusste er damit nichts anzufangen und bezeichnete das russische Vorgehen als Annexion. Diese ist nach allgemeinem Verständnis ein Landraub gegen den Willen der Bewohner. Nun haben aber die Bewohner der Krim mit über 96% für einen Anschluss an Russland gestimmt. Russland hat mit dem danach vollzogenen Anschluss der Krim diesen Willen respektiert. Das Ergebnis des Referendums ist also der entscheidende Punkt für die Bewertung des Anschlusses der Krim an Russland. Da hilft auch nicht, wenn der Westen vor dem Referendum die Augen verschließt und es als völkerrechtswidrig bezeichnet. Eine solche Darstellung setzt über das Referendum eine höhere   Instanz, wodurch dieses als direkte Bekundung des Volkswillens abgewertet wird. Das Referendum ist selbst der Gipfel des Völkerrechts, dem alle politischen und juristischen Begriffe, auch die staatliche Integrität, untergeordnet sind. Sehen wir einmal davon ab, dass der Verweis auf das Völkerrecht aus dem Munde westlicher Politiker zynisch ist, haben sie nicht ein Beispiel und keine Begründung geben können, wonach das Völkerrecht dem Selbstbestimmungsrecht der Völker übergeordnet sei. Diese Unterordnung des Selbstbestimmungsrechts der Völker unter das Völkerrecht ist eine unzulässige Begriffsvertauschung, denn das Völkerrecht ist ein Sammelbegriff und das Selbstbestimmungsrecht ein Wertbegriff von höchster Priorität. Sie tun das, weil sie das Selbstbestimmungsrecht fürchten, da es ihrem Herrschaftsanspruch diametral entgegensteht. In der Nichtanerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Völker als höchster Instanz liegt der eigentliche Inhalt des Konflikts zwischen Russland und dem Westen. Es ist nicht Rivalität auf gleichem Rechtsverständnis, sondern Gegensatz infolge eines anderen Rechtsverständnisses, weshalb Merkel die Gedankenwelt von Putin nicht versteht.

 

Die USA und die EU haben dieses Kräftemessen mit Russland verloren, obwohl Deutschland gefügig war. Man hatte den Eindruck, die amerikanischen Falken sitzen in Berlin. Der Unterschied zwischen diesen Falken und der Berliner Regierung ist, dass diese sich geschickt in ein Netz der Heuchelei hüllt, während die Falken vergleichsweise ohne Schleier arbeiten. Die These, die USA können die Welt mit Hilfe Deutschlands und der EU unter ihrer Kontrolle halten, ist hinfällig geworden. Sie können weder ohne, noch mit Deutschland ihren Willen durchsetzen. Das ist eine der wichtigsten Schlussfolgerung aus den Ereignissen. Darin liegt eine weltgeschichtliche Zäsur.

 

Die USA, die EU und speziell Deutschland bestreiten die Legitimität dieses Volkswillens. Das ist nicht überraschend, schlagen sie doch mit ihrer gesamten Politik den Völkern ins Gesicht. Es scheint so, dass sich Obama seiner Ohnmacht bewusst ist, angesichts der Falken hinter seinem Rücken. Der Auftrag an Merkel, Putin in die Knie zu zwingen, war ein politischer Schachzug, dem sie nicht gewachsen war. In lächerlicher Bündnistreue griff sie mit scharfen Drohungen den russischen Präsidenten an und zog den Kürzeren. Merkel als „Speerspitze“ des Westens und „mächtigste Frau der Welt“ hat versagt. Anstatt eine Drohkulisse aufzubauen, hätte sie auf die Gründe des hellhörigen russischen Verhaltens eingehen müssen. Die treibenden Kräfte auf dem Maidan wie auch die Mitglieder der sogenannten Interimsregierung waren offen antirussisch eingestellt. Sie stießen gegen Russland unerhörte Drohungen aus, die bis hin zu einem atomaren Angriff gingen, denn die Fähigkeit Atombomben zu bauen, besäße man noch. Angesichts dessen, dass der Westen geschlossen hinter den Terroristen stand, konnte Russland solche Drohungen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Insbesondere die russische Schwarzmeerflotte galt es gegenwärtig und künftig vor terroristischen Anschlägen zu sichern. Es war ein Glücksumstand der Geschichte, dass in dieser heiklen Situation die Bürger der Krim den Anschluss an Russland forderten. Das war nicht nur ein Zeichen nationaler Verbundenheit, sondern auch ein Ausdruck dafür, dass sie in dieser Stunde höchster Gefahr sich ihrer besonderen geschichtlichen Verantwortung bewusst waren.    

 

Dass der Westen sich mit den Ultra-Nationalisten und Terroristen solidarisierte, war ein schwerer Fehler. Er hat sich damit selbst ins politische Aus gestellt. Wer auf die Diplomatie setzt, der muss bereit sein, sein Verhalten kritisch zu beleuchten, sonst endet Diplomatie im bloßen Schlagabtausch. Dass Russland trotz der Tatsache, dass der Westen ihm diese Suppe eingebrockt hatte, intensiv diplomatische Kontakte unterhielt, beweist, dass es keinen militärischen Konflikt wollte. Aber natürlich konnte es auch nicht so tun, als hätte der antirussische Putsch in Kiew nicht stattgefunden. Es musste also einen friedlichen Weg suchen, ohne die böse Tat hinzunehmen. Dank der klaren und entschlossenen Haltung ist dieser Weg gefunden worden. Für uns ist es absolut unbegreiflich, wie man Putins geschicktes Vorgehen, denn schließlich fand kein Blutvergießen statt, kritisieren kann. Man sollte ihm vielmehr dankbar sein, anstatt seinen Gegnern um den Mund zu reden. Dank der Politik Putins und der verantwortungsvollen Haltung der Krimbewohner wurde der Frieden in Europa gerettet, gegen die Machenschaften der USA, der EU und Deutschlands.

 

Die Ereignisse haben uns aber auch vor Augen geführt, dass die Regierung Merkel keine friedensstiftende Rolle in Europa spielen kann. Entweder sagen sie nur Plattitüden oder sie bewegen sich wie Elefanten im Porzellanladen. Die Angst etwas falsch zu machen, ist bei ihnen größer als der Mut, mit starken politischen Wendungen eine angespannte Situation zu entkrampfen. Wohlgemerkt Wendungen. Natürlich ist es wie eine Rolle rückwärts, wenn man zuvor auf dem Maidan die Stimmung angeheizt hat, in trauter Gemeinschaft mit den anderen Bundestagsparteien, mit Ausnahme der Partei DIE LINKE. Selbst die Piraten-Partei war dabei. 

 

Wenn man nicht eine Wende vornimmt, wird man immer tiefer in die Sackgasse geraten. Die Idee von Tauroggen aufzugreifen, bedeutet heute, den Mut aufzubringen, neue Maßstäbe in den internationalen Beziehungen durchzusetzen. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker spielt dabei eine zentrale Rolle. Da Putin auf diesem Grundsatz die russische Politik aufbaut, ist er uneingeschränkt zu unterstützen. Hier könnten Russland und Deutschland starke Fundamente für die europäische Einigung bauen.

 

Anstatt Schreckensszenarien an die Wand zu malen - steht Europa vor einem neuen Krieg? - und die Deutschen wegen drohender  Sanktionen auf schlimme Zeiten vorzubereiten, sollte eine deutsche Regierung heute neue Marksteine europäischer Politik zu setzen. Das ist Russlands erkennbarer Wille und das liegt auch im Interesse Deutschlands.

 

Darin sehen wir die richtige Schlussfolgerung aus den jüngsten Ereignissen.                                                                  

 

                                                                           

 

Johannes Hertrampf - 20.03.2014