Die dritte Katastrophe verhindern

 

 

23. Oktober 2011 FP Deutschlands

 

von J. Hertrampf

 

Deutschland darf nicht Büttel der Banken werden. Das aber forderte der amerikanische Börsenspekulant George Soros: „Deutschland muß diktieren.“(Spiegel Nr. 33/15.8.11) Begründet wird das damit, daß Deutschland im Vergleich zu Frankreich und Italien bisher recht gut durch die Krise gekommen ist. Deutschland sei in diesen turbulenten Zeiten ein starker Anker der EU und als stärkste Wirtschaftsmacht der EU dazu verpflichtet, die finanzielle Hauptlast zu tragen. Daß die stärkste Wirtschaftsmacht die Hauptlast zu tragen habe, steht aber nirgendwo geschrieben.

 

 

Soros ist kein Freund der Deutschen. Als es um die Einführung des Euro ging, hat er sich strikt gegen die DM ausgesprochen. Als Börsenspekulant ist er ein Feind nationaler Selbständigkeit, weil Völker und Nationalstaaten der Kapitaljagd im Wege stehen. Das internationale Kapital ist nun mal ein vaterlandsloser Geselle. Und alle vaterlandslosen Ideen dienen dem internationalen Kapital. Sie sind, gleichgültig in welcher Farbe, geistige Wegbereiter der Globalisierung.

 

Zweifelsohne versteht sich Frau Merkel als politisches Medium der Geldherrschaft, denn anders ist ihre fanatisches Eintreten für den Euro und den Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht zu verstehen. Sie ist bereit, die deutsche Finanzhoheit an geheim arbeitende überstaatliche Institutionen abzugeben und die Bürger diesen Mächten schutzlos auszuliefern. Was G. Soros fordert, führt sie aus. So einfach ist der Zusammenhang.

 

Der „Europäische Stabilitätsmechanismus“, der unbegrenzte Rettungsschirm ab 2013, soll vor allem von Deutschland getragen werden. Um hierfür bei den Deutschen Zustimmung bzw. wenigstens Duldung zu finden, wird von besonderer deutscher Verantwortung, infolge ihrer Vergangenheit und ihrer gegenwärtigen Leistungsfähigkeit, gesprochen. Da wird gedroht und geschmeichelt. Aber hinter all den Argumenten verbirgt sich eine durchgehende Absicht, Deutschland soll zahlen. Dieses Ansinnen ist so stark, daß man sich nicht scheut, den Führungsanspruch Deutschlands über Europa zu fordern. In blanker Willkür werden Moral und Menschenrechte so ausgelegt, daß die Selbstverleugnung Deutschlands als seine einzige Existenzberechtigung übrig bleibt.

 

 

Ohne sich darüber aufzuhalten, daß dieser Führungsanspruch nach bisheriger Lesart im vergangenen Jahrhundert deutsches Handlungsmotiv war, was Europa ins Verderben geführt hat, redet man jetzt diesen Führungsanspruch herbei und will Deutschland diese Rolle überstülpen. Welcher Unterschied bestünde denn für die Völker Europas, ob Deutschland sie aus eigenem Antrieb oder unter der Peitsche der Banken diktiert? Es gibt keine guten oder schlechten Kriege und keine guten oder schlechten Diktaturen. So oder so, die Diktatur würde sich immer gegen die anderen Völker richten, auch gegen das deutsche Volk selbst. Die Befreiung der Deutschen kann nicht als Büttel der Banken erfolgen, denn das wäre eine Fortsetzung der Fremdherrschaft über Deutschland. Vielleicht haben es sich Soros und andere es auch so gedacht: Wenn Deutschland Büttel ist, dann ist das der Zustand seiner tiefsten Ohnmacht, dann kann kein Funke von Selbstbefreiung aufkommen, denn dann wäre es ganz damit beschäftigt, die anderen Völker in Knechtschaft zu halten.

 

 

Diese Rolle wird schon eingeübt. Wie früher der Steuereintreiber sich seine Prozente zurückbehielt, so muß heute der ruinierte griechische Staat an Deutschland Zinsen für Hilfskredite zahlen, mit denen er die Banken bedienen kann. So werden die Völker gegeneinander aufgestellt, wie im Krieg die Armeen. Der Sieg der einen ist die Niederlage der anderen. Aber der Sieger ist nichts weiter als ein Moloch, der von einer hinter ihm stehenden Macht gesteuert wird. Er ist kein freies Wesen. Solche falschen Töne sind in ungebildeten Kreisen auch heute noch verfänglich. Frau Merkel hat selbst dafür gesorgt, als sie sich abfällig über die griechischen Arbeitnehmer äußerte, die im Unterschied zu den Deutschen „ganz viel“ Urlaub machen würden. Ansatzweise gelang es den deutschen Medien, eine Neiddiskussion zu entfachen und das griechische Volk zu diskreditieren.
Schnell hatte die Politik ihre populistischen Argumente gefunden: Wer am meisten zahlt, der soll auch am meisten zu sagen haben. Und wer seine Hausaufgaben nicht macht, der muß empfindlich bestraft werden, durch Sanktionen und Stimmentzug. Als ob solche Strafen die wirklich Schuldigen, die zuständigen Politiker, treffen würden und nicht letztlich die Bürger, die auch in Griechenland entmündigt sind.

 

 

Deutschlands Stellung in Europa kann nicht die eines Wachhundes und auch nicht die eines Oberlehrers sein. Deutschland sollte durch Fleiß und Kreativität Anerkennung gewinnen. Es muß ein Vorbild der freiheitlich-demokratischen Ordnung werden, die eine Errungenschaft der europäischen Aufklärung ist. Es muß durch technisch-wirtschaftliche, politische und geistig-kulturelle Leistungen den Menschheitsfortschritt bereichern und auf diese Weise die Zusammenarbeit der Völker und Staaten vertiefen und erweitern. Es sollte vorangehen bei der Überwindung des Herrschaftsprinzips als dem hauptsächlichen Ordnungsprinzip der Zivilisation und eine neue Freiheit, einen neuen Typus der Volkssouveränität, an seine Stelle setzen.

 

 

Das wichtigste Anliegen der Erneuerung ist die Herstellung eines kooperativen Verhältnisses zur Natur, denn damit gibt sich der Mensch die beste Rahmenbedingung seiner praktischen und geistigen Existenz. In ihrer Einheit – Kooperation zwischen den Menschen und Kooperation zwischen Mensch und Natur, ergeben beide Momente im Vergleich zur Zivilisation die neue Funktion des Menschen in der gesellschaftlichen und natürlichen Wirklichkeit und setzen seinem Leben einen neuen Sinn. Beide Momente sind nur möglich auf der Grundlage eines neuen, diesem Anliegen gerechten technischen Fortschritts. Die Technik führt nicht zur Verarmung und Entpersönlichung des Menschen, nicht zur Eindimensionalität, sondern ermöglicht eine höhere Form des Subjektseins, die allgemeine Ausbildung des menschlichen Individualität. Von ihr hängt das Maß der Erneuerung ab, inwieweit der Mensch bei der größten Umwälzung seiner bisherigen Geschichte vorankommt. Es zeigt sich immer wieder, daß wir kein Gegenwartsproblem lösen können, eben weil wir nicht den komplexen Wandel im Auge haben.

 

 

Legt man diesen Maßstab an, dann kommt Deutschland heute nicht gut weg. Anstatt sich auf diese Zukunftsaufgabe zu konzentrieren, geben die herrschenden Kräfte falsche Parolen aus wie „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ und zwingen das deutsche Volk, die morsche Ordnung zu erhalten und andere Völker zu unterdrücken. Immense Kraft und Zeit werden in Maßnahmen investiert, die keine Zukunft haben. Dazu gehört die EU selbst, die gegenwärtig größte Fehlinvestition der Europäer. Sie ist wie alle Blöcke und Bündnisse in der Zivilisation ein fremdbestimmter Zusammenschluß, der jedoch vor seiner Fertigstellung einstürzen wird, weil die Zeit der Zivilisation abgelaufen ist. Der dabei den Deutschen zugedachte imperiale Impetus ist nur die listige Absicht der Überlebten, sie als nützliche Idioten zu mißbrauchen. Daß sich die Vertreter der westlichen Länder in der UNO solche Vorhaltungen nicht anhören und nicht zur sachlichen Diskussion bereit sind (und da singen unsere freien Demokraten „Die Gedanken sind frei“), beweist, daß ihnen der Sinn für die Zukunft fehlt.

 

 

Wenn neuerdings Schäuble als Favorit an der Spitze der Eurozone gehandelt wird, als Nachfolger von Jean-Claude Juncker, dann liegt das auf dieser Linie. Die Verfechter der EU wollen mit aller Macht diese zu einem europäischen Staat umbauen. Dem dient die Einrichtung einer EU-Finanzbehörde im Jahre 2012. Was bisher bekannt wurde, deutet alles auf eine allmächtige Behörde hin, die handeln soll, ohne sich zu rechtfertigen. Damit wird der feudale Machtanspruch, an der Spitze ein unantastbarer Souverän, neu erfunden. Die EU wird zu einem Gouvernement mit einem Kopf ganz oben, der frei von demokratischer Kontrolle schalten und walten kann. Ist Schäuble geeignet, den Cäsar zu spielen? Ist Schäuble der von den Banken auserkorene Vollstreckungsbeamte mit geheimem Auftrag? Er ziert sich. Noch kann er seinem Herzen nicht den nötigen Stoß geben.

 

 

Ein solches EU-Europa wäre ein Gebilde, das dem entspräche, was im Zwanzigsten Jahrhundert als Absicht der Deutschen in Umlauf gebracht wurde: der triumphierende Herrenmensch. Doch dieses Szenario würde Deutschland geradewegs in die dritte Katastrophe führen. Von dem Augenblick an, ab dem Deutschland die Hauptlast der Schulden der ganzen EU aufgebürdet wird, werden ihm die Ketten angelegt, die es zu einem qualvollen Siechtum verdammen.

 

 

Übernimmt es diesen Auftrag, so begibt es sich in eine geschichtliche Schuld. Ein fremdbestimmtes Schicksal zu ertragen, ist die Absage an die Freiheit. Wie jeder Einzelne, so sind auch Völker verantwortlich für ihr Tun. Deshalb müssen die Deutschen die EU verlassen, um ihrer Geschichte eine Wendung zu geben. Ein solcher Schritt wäre der Anfang ihrer Befreiung und ein Aufbruchsignal für Europa.

 

Die Selbstbestimmung der Deutschen ist das Erkennen ihrer Rolle im weiteren Geschichtsprozeß. Als Vasallen wurden sie zu Handlungen gezwungen, die im Widerspruch zu ihren Vorsätzen und Interessen standen. Doch die Zeiten ändern sich. Die USA gehen als Imperium unter. Und die Deutschen können und müssen ihr selbständiges Denken zurückgewinnen. Es ist nicht tot. Das hat die Diskussion um Sarrazins Buch “Deutschland schafft sich ab“ gezeigt.

 

 

Unter allen Bundestagsparteien sind die Grünen die Partei, die das deutsche Selbstbewußtsein am entschiedensten bekämpfen. So forderte C. Roth 2009, im Falle eines Wahlsieges bei den Bundes-tagswahlen gemeinsam mit der SPD eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts durchzusetzen, mit dem Ziel, die deutsche Staatsbürgerschaft schließlich gegen eine EU-Staatsbürgerschaft auszutauschen. Als Begründung gab sie die wirtschaftliche und politische Situation in der EU an. “Wir wollen mit der Abschaffung der deutschen Staatsangehörigkeit ein Fanal für Europa setzen und andere EU-Staaten dadurch zur Nachahmung ermutigen”, erklärte sie. Und auf Deutschland gemünzt setzte sie noch eins drauf: “Im Hinblick auf ihre historische Schuld steht es den Deutschen gut zu Gesicht, in dieser schwierigen Zeit einmal mit gutem Beispiel voran zu gehen und überkommenes nationalstaatliches Denken endgültig über Bord zu werfen”. Wenn nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes J. Trittin dieses Urteil als einen Schlag gegen den DM-Chauvinismus interpretierte, so entspricht das der Ablehnung des deutschen Nationalgedankens durch die Grünen überhaupt. Und so etwas läßt sich im Bundestag vom deutschen Steuerzahler aushalten.

 

 

Die Deutschen müssen eine gründliche Inventur durchführen und all das entsorgen, was sich im letzten halben Jahrhundert im eigenen Haus an geistigem Unrat angesammelt hat. Und es wird immer mehr. Unter Verweis auf die deutsche Schuld und unter dem Schirm der Meinungsfreiheit wuchern Lügen und irrationale Behauptungen schneller, als sie widerlegt werden können. Die Vernunft befindet sich in der parlamenarischen Demokratie, einer Form der nach dem Herrschaftsprinzip organisierten Gesellschaft, in einem steten Abwehrkampf und verschleißt ihre Kräfte. Unterdessen steuern die Regierenden auf den Crash zu. Deshalb die Inventur, damit der Crash verhindert wird und die Kräfte für die Zukunftsaufgabe frei werden.

 

 

Ein solches EU-Europa wäre ein permanenter Krankheitsherd, vor dem sich die Welt schützen müßte. Es wäre Bedrohung und parasitärer Ballast zugleich. Die Befreiung von der EU, als erstem Schritt einer weltweiten Erneuerung, liegt also im Interesse der ganzen Menschheit. Bleibt der Euro, stirbt Europa – und die Menschheit müßte lange Zeit mit einem todkranken Erdteil leben.

 

 

Die demokratische Opposition muß ihre Perspektive darlegen. Speziell die deutsche muß aus ihrer Verklemmung herauskommen. Eigentlich gehört sie an die Spitze der EU-Kritik. Über 80% der Deutschen lehnen die Regierungspolitik ab, aber sie haben keine Vertretung. Getragen wird die deutsche EU-Kritik von einigen Akademikern. Die Wandlung einer bestehenden Partei ist nicht zu erwarten. Auch durch Bündelung kleiner Oppositionsparteien entsteht sie nicht. Die dritte Katastrophe kann nur im Schritt nach vorn verhindert werden, durch Bildung einer neuen Bewegung.