Deutschland darf nicht untergehen

 

26. Juni 2011 FP Deutschlands

 

von J. Hertrampf

 

 

Die politische Krise macht vor niemandem Halt. Den großen Parteien laufen die Mitglieder davon. Ihre Akzeptanz in der Gesellschaft sinkt ständig. Die Gesellschaft wird führerlos. Die Politik hört auf, als eine die Volksseele lenkende Größe zu fungieren. In dem Maße wie sie immer unverhohlener von der Finanzoligarchie dirigiert wird, in dem Maße geht sie am Empfinden des Volkes vorbei. Dabei ist in einer parlamentarischen Demokratie die Politik auf die Wählergunst angewiesen, denn die demokratische Legitimation ist ihr großes Aushängeschild. Und nun steckt sie wieder einmal in der Klemme, weil diesmal die Parteien sogar das Bundesverfassungsgericht mißachteten, das im „Namen des Volkes“ bis zum 30.06.2011 eine Änderung des Wahlgesetzes verlangte, weil die großen Volksparteien mit der Klausel der Überhangsmandate sich zusätzliche Abgeordnetensitze ergatterten.

 

Die höchsten Mandatsträger entpuppen sich ein weiteres Mal als parlamentarische Statisten, die sich, entgegen Recht und Ordnung des Grundgesetzes, an die von ihren Parteiführern vorgegebenen Richtlinien halten. Die Befolgung der Parteidisziplin steht über ihrem Mandat als Volksvertreter. Wie in vielen früheren Fällen, so auch in diesem: In dieser letzten Krise entblößt sich die parlamentarische Demokratie als eine Herrschaft über das Volk. Und daher ist diese Krise auch nicht mehr durch einen Austausch von Politikern zu lösen. Ein neuer Typus von Demokratie muß geschaffen werden, eine neue Form von Volkssouveränität.

 

 

Gegenwärtig befindet sich die Bundesrepublik Deutschland in der fatalen Situation, daß sie keinen populären Politiker mehr als Vorzeigefigur besitzt. Die Zeit für die verblüffend geschönten Umfrageergebnisse für Merkel sind vorbei. Nach der Blamage mit dem konservativen Baron von Guttenberg, der bis zuletzt trotz der höchst peinlichen Umstände als beliebtester Politiker als Bundeskanzler in spe gehandelt wurde, sieht es für CDU und CSU schlecht aus. Das Dilemma brachte der konservative CDU-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, Ch. Wagner, auf den Punkt. Nach einer heftigen Kritik an Merkel kam er zu dem Ergebnis: „Zur Bundesvorsitzenden Angela Merkel gibt es gegenwärtig keine personelle Alternative”. Diese Feststellung ist niederschmetternd für diese Partei, wenn man bedenkt, was der Vorsitzenden alles vorgeworfen wird. Allerdings hat er nicht gefragt, warum das so ist, denn dann würde es doch erst interessant werden. Die Politikwissenschaftler und Parteikritiker sollten sich mal mehr mit den Hintergründen befassen. Kritisiert wird viel, aber niemand wagt den Schritt zu einer schonungslosen Offenlegung der Gründe für das offensichtliche Rollenspiel. Nicht nur die Politik ist schräg, sondern auch die Kritik an ihr. Das wurde in der CDU schon mit der Initiative „Gegen den Linkstrend“ sichtbar. Sehen wir mal ab von der falschen Zielbestimmung, als sei die Politik der Frau Merkel eine linke Politik, wo sie doch steingewaschener Neoliberalismus ist, ist dieses Aufbegehren nur konservativer Lärm, der nichts bewirkt. Auch in der FDP ist nach den pubertären Attitüden von Westerwelle kein Neuanfang sichtbar – statt Politikänderung nur Postenschacher. Aus dem ungelenken „Ab jetzt wird geliefert“ des neuen Vorsitzenden wurde nichts und ist auch nichts zu erwarten. So dümpelt die FDP halt als Junior-Partner der CDU vor sich hin.

 

Und wie sieht es bei der Opposition aus? Je mehr die Finanzkrise zur Gesellschaftskrise mutiert, desto offensichtlicher wird die Hilflosigkeit der SPD. Sie findet keine zündende Idee. Seit Schröder ist mit der „Vision Europa“ kein Staat mehr zu machen. Der Regierung Verfassungsbruch zu bescheinigen, klingt gewaltig, geht aber schon deshalb nicht, weil Deutschland gar keine Verfassung hat. Und auf der anderen linken Seite? Die LINKE ist nicht so grobschlächtig in ihrer Ausdrucksweise. Sie wollte als einzige Partei ein Fernziel haben und zog es, kaum ausgesprochen, erschrocken zurück. Verschämt griff sie auf den Kommunismus zurück, als erneuten Versuch, aber umgehend fand sie sich in der Requisitenkammer der Geschichte wieder. Und so bleibt den beiden „Rivalen“ im Kampf um die linke Lufthoheit nichts anderes übrig, als sich im „Bruderkampf“ zu üben. Und die Grünen? Sind sie nicht die einzige Ausnahme, unbeschwert von der Geschichte und mit einer grünen Vision, verschwommen zwar als Idee, aber doch mit einem Anspruch. Während die anderen Mitglieder verloren, legten sie zu, wurde ihnen der Titel „Volkspartei“ zuerkannt. Sie verschoben seit je mit Träumen einer heilen Welt und einer verblüffenden Demagogie die politischen Fronten. Aber trotzdem ging es mit dem Lande permanent bergab. Gibt es vielleicht zu wenig Grün? Aber was ist ihre große Alternative? Der Atomausstieg war das Einzige, was sie von der CDU wirklich unterschied, der Atomausstieg, der zur Energiewende stilisiert wurde. Doch nun ist Merkel auf diesen Zug gestiegen und hat ihnen die Show gestohlen. Damit fällt der letzte große Unterschied zwischen Grün und Schwarz. Wenn das so leicht geht, kann man behaupten, daß es gar keinen wirklichen Gegensatz gab, daß es nur unterschiedliche Farben sind. Die kritische Basis rieb sich jedenfalls auf dem Sonderparteitag die Augen, sie wollte es nicht wahrhaben, daß sie kein Oberwasser mehr hat. Aber statt eines fundierten Gegenkonzepts hatte sie nur Verratsgeschrei parat.

 

 

Der Ausstieg aus der Atomenergie ist nicht schon das Kernanliegen der Energiewende, so wie die Grünen – und nun auch Frau Merkel – das wie selbstverständlich behaupten. Das eigentliche Problem der Energiewende ist der Übergang zur dezentralen Solar-Energiewirtschaft. Die Ablehnung der Atomenergie ist eine Dagegen-Position, aber noch keine Alternative. Die Grünen hatten diese Alternative nie auf ihren Fahnen stehen. Und jetzt kommt der ganze Schwindel raus. Das von der Merkelregierung verkündete Atomausstiegsszenario ist in Wirklichkeit nur die Fortsetzung des alten Groß-Technik-Schemas und kein Übergang zur Miniaturisierung. Das wird deutlich an den Forderungen nach großen Stromtrassen, nach Speicherkraftwerken und neuen Windparks. Doch diese sogenannte Energiewende ist weder umweltfreundlich, noch volkswirtschaftlich sinnvoll. Wo bleibt hier der grüne Protest?

 

Auch beim Streit um S21 wird der Wind bald aus einer anderen Ecke pfeifen, weil die Kritik nicht von einem neuen leistungsfähigeren verkehrstechnischen Gegenkonzept ausging, sondern von einem simplen Nein zur CDU-geführten Landesregierung. Man wollte an die Macht und deshalb wurde das Regierungsvorhaben zur Katastrophe erklärt. Die aufgebrachten Demonstranten glaubten, daß sie für eine gute Sache fochten und müssen sich jetzt ihren Irrtum eingestehen. Hier wie auch in anderen Fällen sind die Grünen eine unseriöse Opposition.

 

Gerade mit dem makroökonomischen Nachweis muß die Idee der Erneuerung punkten. Das Neue muß rationeller und für alle verträglicher sein als das Alte. Die höhere Rationalität ist ein unbedingter Zweck gesellschaftlicher Entscheidungen.

 

Grüne Politik schürt Zukunftsangst, Angst führt jedoch zu technischem Stillstand, lenkt nicht auf den alternativen Weg. Damit wird nicht dem beliebigen Risiko das Wort geredet, sondern einer konstruktiven Haltung, an der es eben den Grünen mangelt. Deshalb müssen sie dort und dann, wo und wann sie praktisch gefordert sind, kolossal einbrechen. Sie sind eine leichtsinnige, krakeelende Partei, deren ausgediente Funktionäre nach ihrem avantgardistischen Gehabe gern an den Tisch der alten Gesellschaft zurückkehren. Fischer ist ihr Prototyp. Aber wessen Geschäft betreiben sie dann? Das Geschäft der Neoliberalen. Ihr Nihilismus ist gut geeignet, der Globalisierung den Weg frei zu machen. Und darin liegt ihre große Gefahr. Sie täuschen Progressivität vor. In Wirklichkeit haben sie keine neue Weltanschauung.

 

So kommen wir zu dem Schluß, daß keine der Bundestagsparteien etwas Verläßliches bietet. Sie alle haben ihren Platz im absteigenden System, die einen von Anfang an, die anderen, so die Grünen und die LINKE, mußten sich diesen erst einrichten. Letztere ist endlich angekommen und kann sich getrost, nachdem Lafontaine seinen Ehrgeiz befriedigt hat, mit der SPD zusammenschließen. Dann haben die ständigen Hänseleien der Konservativen, SED-Nachfolgepartei zu sein, ein Ende. Alle diese Parteiführer und Parteihelfer von rechts bis links profitieren von dieser parlamentarischen Demokratie. Für sie sind die Bürger die Schafe, die man gut aneinander halten muß, damit man sie leichter scheren kann. Es besteht für diese „Führer“ kein Anlaß, die Grenzen zu suchen und gar einen Blick über die Grenzen zu werfen.

 

 

Und wie sieht es mit der Parteienopposition aus, die stets auf dem Sprung in die Parlamente ist? Sie hat seit eh und jeh nichts zu lachen. Ihr gelingt es nicht, aus der Schwäche der etablierten Parteien richtiggehend Kapital zu schlagen. Die Protestparteien NPD, DVU und Republikaner haben keine Resonanz mehr, weil die Bürger erkannt haben, daß sie zu einer kraftvollen Wende nicht fähig sind. Markige Sprüche mit Blick nach rückwärts fallen zwar aus dem Rahmen und kommen deshalb in die Medien, haben aber die etablierten Parteien noch niemals bewogen, auch nur ein Jota von ihrer Politik abzurücken. Die anderen kleinen Oppositionsparteien verfolgen als Zuschauer vom Rande des Spielfelds aus das Geschehen. Könnten sie es besser machen? Sie sind davon überzeugt. Sie möchten gern auf das Spielfeld. Aber die Regeln lassen das nicht zu. Dabei bräuchte der Wähler sie bloß zu wählen. Aber der traut es ihnen nicht zu, sie sind „zu wenige und zu schwach“. Deshalb haben die kleinen Parteien ein ambivalentes Verhältnis zum Wähler. Sie schimpfen auf seinen Unverstand und hoffen, daß er endlich bei weiterer Verschlechterung der Lage zur Vernunft kommt. Immer wieder zählen manche nach den Wahlen die Prozente zusammen. Und das nährt seit Jahr und Tag die Hoffnung, durch einen Zusammenschluß das Blatt zu wenden. Und so werden vor allem vor den Wahlen phantasievolle Pläne und Bündnisse geschmiedet. Doch der Wähler läßt sich nicht beeindrucken. Alle diese Versuche sind gescheitert. Das plausible Argument “Gemeinsam sind wir stark“ verliert mit jedem neuen Versuch seine Anziehungskraft. Das Erstaunliche an diesen Parteien ist, daß kaum eine sich ernsthaft darüber Gedanken gemacht hat, warum es mit dem Zusammengehen einfach nicht klappen will. Ist es Eitelkeit letztlich, der Mißwuchs von Individualität? Oder sind es gar die „Schlapphüte“, die alles auseinanderschießen? Eine gründliche Diskussion darüber hat nie stattgefunden. Vereinzelt hört man auch eine Meinung, die tiefer blicken läßt: Wenn sich mehrere Schwache zusammentun, wird daraus noch kein Starker. Das läßt aufhorchen. Ist also die eigene Schwäche der Grund, den man suchen muß? Doch welche Schwäche ist gemeint? Die zahlenmäßige scheidet hier aus. Aber dann bleibt nur die mangelnde programmatische Konzeption. Die geistige Verfassung der Opposition entspricht nicht der objektiven Situation. Was ist damit gemeint? Die Kritik an der Politik der etablierten Parteien gehört sozusagen zur Grundausstattung jeglicher Opposition. Aber was ihr fehlt, das ist die Alternative. Man muß sich einmal vorstellen: vom Wähler wird gefordert, daß er bei der nächsten Wahl sich von den alten Parteien abwendet. Aber ist es ihm zu verdenken, daß er zögert? Die Opposition bietet ihm nicht die Sicherheit, die er sucht. Die defizitäre geistige Verfassung ist das Problem der Opposition. Wer die Schwäche der Opposition nicht in dieser Hinsicht sucht, der läßt alles beim alten, der kann den Rubikon nicht überschreiten. Es ist eine Grunderfahrung aller bisherigen Versuche, daß sie gescheitert sind am Mangel an Neuorientierung. Es gab eine gehörige Portion an Arroganz und Eitelkeit, so daß eine Überprüfung der eigenen geistigen Voraussetzungen überflüssig schien. Und es gab einen gehörigen Schuß an Naivität, daß die alternative Beantwortung von gegenwärtigen Grundproblemen nicht unbedingt erforderlich sei, um eine Volksbewegung in Gang zu bringen. Doch der Protest an aktuellen Mißständen bringt noch keine verändernde Kraft hervor. Dieses Dilemma läßt nur einen Schluß zu: Die verändernde Kraft zur Erneuerung wird nur entstehen, wenn die Grundzüge der Erneuerung klar sind. Wie soll ein Mensch wohin gehen können, wenn er nicht weiss, wohin er gehen soll. Er wird zögern und unschlüssig auf der Stelle treten. Und das ist das Mißgeschick der kleinen demokratischen Oppositionsparteien.

 

 

Die erste Voraussetzung, um die Stagnation zu überwinden, ist, die Gründe für das bisherige Versagen bei sich selbst zu suchen. Daß die herrschende Kaste der Opposition Knüppel zwischen die Beine wirft, kann nicht überraschen. Also braucht man sich auch nicht ständig darüber zu beschweren.
Die zweite Voraussetzung ist darin zu sehen, daß die Opposition sich selbst der historischen Dimension nicht recht bewußt ist. Ihre Kritik befindet sich nicht auf der Höhe der Zivilisationskritik. Damit bleibt sie an der Oberfläche, so daß die Kritik gar nicht erfolgreich sein kann. Ihr fehlt es an einer nüchternen Herangehensweise. Dabei wissen wir, Politik und Gesellschaftswissenschaft sind zwei verschiedene Dinge, aber in der Politik muß die wissenschaftliche Herangehensweise dominieren. Auf Erneuerung bezweckte Politik kann weder Show-Geschäft, noch Theater sein.


Und die dritte Voraussetzung ist, daß dieses neue Denken nicht auf eine kleine Gruppe beschränkt bleiben darf, sondern sich im Volk ausbreitet, denn das Volk ist der eigentliche Akteur der Erneuerung, nicht ein Führer oder eine Partei.

 

Der Typ der Lebensbedingungen, den wir unter dem Begriff Zivilisation zusammenfassen, hat viele Erscheinungsformen hervorgebracht. Aber allen gemeinsam waren bestimmte Kennzeichen, wie die vorherrschende Maschinentechnik, der Staat, das Geld, die Schrift u.ä.m. Heute stehen wir vor einem Umbruch, der zu einem neuen Typ führt, weil sich im materiellen und geistigen Bereich die Automatisierung durchsetzt. Dieser Wandel beginnt nicht damit, daß tabula rasa geschaffen wird, sondern daß mit einer Kette endloser Reformen begonnen wird.

 

 

Der Zweck der Kritik ist also nicht eine neue Formenbildung der Zivilisation, sondern ihre Ablösung, deswegen müssen alle Reformversuche, die innerhalb der Zivilisation bleiben, scheitern. Die Erfolglosigkeit der herrschenden Politik führt andererseits zu einer Vergrößerung des Reformdrucks. Dieser Druck wird weiterhin dadurch gesteigert, daß sich der technische Fortschritt beschleunigt. Der zeitliche Abstand zwischen den technischen Erfindungen wird kürzer und damit verkürzt sich auch die Zeit für die soziale Verarbeitung der Innovationen. Wir können also zwischen einem qualitativen und einem temporären Aspekt der Konfliktbildung unterscheiden. Bisher hat die Gesellschaft den technischen Fortschritt spontan verarbeitet. Doch seine Tiefe und Dynamik ist heute so groß, daß die spontane Weise nicht mehr möglich ist. Damit wird das Verharren in der Spontaneität zu einer großen Gefahr. Politische Irrationalität ist nichts weiter als organisierte Spontaneität. Die irrationale Anwendung der modernen technischen Möglichkeiten macht aus der menschlichen Handlung ein großes Zerstörungswerk. Aber man darf die Lösung nicht in der Rationalität an sich suchen. Die menschliche Handlung muß einen neuen Sinn, einen neuen Zweck bekommen. Durch diesen neuen Bezug kann überhaupt erst von Rationalität gesprochen werden.

 

 

Die allgemeinste Bestimmung der Neuorientierung ist, daß der technische Fortschritt die Menschen zwingt, ihre gesamten Lebensbedingungen umzustellen und auf diese Weise über die Zivilisation hinauszugehen. Der Umschlag begrenzt sich nicht auf einen kleinen zeitlichen Rahmen. Es ist der Übergang zu einem dauernden Reformprozeß, der von Anfang an bestimmte Grundzüge besitzt.

 

 

1.Nationale Souveränität
Die nationale Gliederung der Menschheit ist ein dominierendes Ordnungsprinzip, das in der Endphase der Zivilisation als progressive Triebkraft an Bedeutung gewann. Keines der technisch hochentwickelten Länder hat seine nationale Eigenart verloren. Die von ihnen unterdrückten Länder erwarben ihre Unabhängigkeit als nationale Befreiungsbewegungen. Insofern hat sich die These als falsch herausgestellt, daß infolge des technischen Fortschritts die Nationen an Bedeutung verlören. Und was noch schlimmer ist, daß diese nationalen Besonderheiten sogar Ursache von Kriegen seien. Dieser Antinationalismus ist eine diskriminierende Ideologie, die sich gegen den Widerstand gegen die Globalisierung richtet. Globalisierung ist die praktische Folge des internationalen Finanzkapitals. Der Antinationalismus ist also als Ideologie ein geistiger Wegbereiter des internationalen Finanzkapitalismus. Daher stehen die Antinationalisten in einem tiefen Gegensatz zu den Konservativen und umgekehrt müßten diese das internationale Finanzkapital schroff ablehnen.
Heute stoßen zwei Richtungen aufeinander: die nationale und die globalistische. Beide sind gewissermaßen technisch bedingt, die eine als Fortsetzung des Herrschaftsprinzips. Die andere als zunehmende Gegenkraft. Wer sich für die Erneuerung entscheidet, der kommt um das Nationale nicht herum, der muß sie organisieren. Die wirkungsvollste Organisation des Nationalen erfolgt über den Nationalstaat, woraus sich die Forderung ableitet, daß jede Nation das Recht auf ihren Staat hat. Multinationale Staaten sind nur auf einer starken föderalistischen Grundlage lebensfähig und sind dennoch instabil, weil sie dem Prinzip, jede Nation hat ihren Staat, nicht entsprechen.
Aus dem Gesagten ergibt sich: Die nationale Korrektur ist der Weg, auf dem die internationale Hochfinanz erfolgreich gezähmt werden kann. Die verschiedentlich geäußerte Meinung, die internationale Hochfinanz müsse mit internationalen Mitteln in Schranken gesetzt werden, dient dagegen ihrer Aufrechterhaltung. Die internationale Hochfinanz ist der schärfste Widersacher des Nationalen.

 

 

2.Volkssouveränität
Eigentlich ist die Schaffung eines neuen Typs von Volkssouveränität die zentrale Aufgabe der Erneuerung, weil sie sich direkt gegen das Herrschaftsprinzip richtet. Diese neue Volksouveränität besagt, daß die gesellschaftlichen Regelungen nicht mehr über das Privatinteresse hergestellt werden und damit die Spontaneität ihre soziale Voraussetzung verliert. Herrschaft bedeutet immer zwangsweise Durchsetzung eines Privatinteresses gegenüber anderen Privatinteressen und hat damit unvermeidlich die Spontaneität zur Folge. Mit dem Verschwinden der Herrschaft verschwindet der Staat, aber nicht die gemeinschaftliche Regelung, die es schon vor dem Staat gegeben hat. An seine Stelle tritt die Selbstverwaltung, die keine Unterdrückung mehr kennt. Das Demokratieverständnis heute ist durch das Herrschaftsprinzip geprägt. Am deutlichsten wird dass im Mehrheitsbeschluß als staatspolitischer Maxime, bei dem die Mehrheit über die Minderheit bestimmt. Beim neuen Demokratietypus verhält es sich anders. Nicht der Beschluß, sondern die Wahrheitsfindung ist künftig das gesellschaftskonstituierende Mittel. Deshalb kommt der Wahrheitsfindung die zentrale Bedeutung zu und nicht dem Mehrheitsbeschluß. Der Begriff der Volksherrschaft ist ein Widerspruch in sich, eine Nachlässigkeit im Denken, da Herrschaft nur möglich ist, wenn das Privatinteresse über dem Sozialinteresse steht. Das bedeutet nicht Willkür des Privaten. Dieses kann immer nur bis an die Grenze, wo es sich das gesellschaftliche Interesse unterordnen kann. Unter diesen Bedingungen ist die Volkssouveränität eine untergeordnete, aber dennoch mitwirkende Instanz. Sie kann sich nur als Widerstand artikulieren. Der neue Typ ist dagegen die freie Volkssouveränität, die sich nicht ständig gegensätzlicher Regelungen und Vorschriften erwehren muß.
Der neue Typ von Volkssouveränität ist zugleich die Bedingung freier Individualität für alle. Diese schafft sich über die volkssouveräne Organisation ihr Instrumentarium.

 

 

3. Technischer Fortschritt
Die Menschwerdung beruht auf dem technischen Fortschritt. Diesem sind bestimmte Kulturformen zuzuordnen. Das ist kein eindeutiger, sondern ein wesentlicher Zusammenhang. Diesem Zwang kann sich der Mensch nicht entziehen, trotz aller Proteste und Absichten. Je nach den technischen Umwälzungen ist auch die Tiefe der Einschnitte. Der heutige Einschnitt ist außerordentlich, da der Mensch die Fähigkeit erwirbt, seine materiellen und geistigen Kräfte zu automatisieren, sie objektiven materiellen Systemen zu übertragen. Das bedeutet nicht nur Befreiung von repetetiven Handlungen, wodurch das Schöpferische in den Vordergrund tritt, sondern bestimmt auch das Ausmaß an freier Individualität für jeden. Die Zunahme des Schöpferischen und die Zunahme der freien Individualität sind also zwei Seiten einer Medaille, die durch die Automatisierung möglich wird. In der Ökonomie spricht man hier vom durch technischen Fortschritt bedingten Strukturwandel. Die Arbeitslosigkeit ist demzufolge ein Ausdruck gesellschaftlichen Unvermögens, diesen Strukturwandel zu organisieren. Die Gesellschaft trifft die Schuld am Unglück der Betroffenen und am gemeinschaftlichen Verlust an Kreativität.
Dabei wäre es der Erneuerung nicht dienlich, den technischen Fortschritt willkürlich zu beschleu-nigen. weil das Risiken für den optimalen Verlauf hervorruft. Je weniger Fehlentwicklungen auftreten, desto harmonischer ist das Leben der Gesellschaft. Das Maß des technischen Fortschritts, Tempo und Qualität, muß aus den Bedürfnissen der Menschen abgeleitet werden, es ist eine von allen Menschen gesetzte Zielgröße, die als Ergebnis einer massenhaften Kommunikation und nicht einfach durch einen Mehrheitsbeschluß festgelegt wird.

4. Neues Naturverhältnis

Bisher hat der Mensch die Natur wie einen Gegner behandelt, dem er etwas abnimmt, nachdem er ihn bezwungen hat. Und wenn seine Kräfte nicht ausreichten, beschimpfte er die Natur, daß sie es nicht freiwillig herausrückte. Diese Vermessenheit war ein Grundzug der Herrschaftsgesellschaft. Zuvor beugte sich der Mensch vor der Überlegenheit der Natur, suchte er sich eine Überlebensnische in ihr. Die heutige arrogante Haltung hat sich mit der Wissenschaft entwickelt, Wissenschaft in ihrer bisherigen Form ist Herrschaftsbewußtsein und bringt den Menschen in Konflikte mit der Natur. Dem neuen technischen Typ, den sie mit hervorgebracht hat, entspricht ein anderes Verhältnis zur Natur. Daher muß der Mensch sein Naturverhältnis neu definieren. Er steht unter ihr, weil er endlich ist. Er steht über ihr, weil er sie durchschaut. Und er steht neben ihr, weil er zeitgleich mit ihren Erscheinungen existiert. Es reicht nicht aus, hiervon ein partnerschaftliches Verhältnis abzuleiten. Der Mensch muß sich als das zusammengefaßte Wesen der Natur verstehen. Abstrakt: Er ist das zusammengefaßte Wesen der Natur. Konkret: Er wird es mehr und mehr. Er weiß nicht nur, daß er es ist, er will auch nicht anders leben als in diesem Auftrag. Er geht in ihr auf, weil er sie reproduziert. Diese Wiederholung ist die Form seiner Existenz, seines Daseins. Da die Natur unendlich ist, ist von daher auch kein Ende des Menschen abzusehen.
Jeder Mensch verfügt über ein anderes und unerschöpfliches Potential, welches auf Grund der technischen Möglichkeiten erschließbar ist. Die angeblich qualitativ-subjektive Schichtung ist doch nur ein technisch bedingtes Ungleichgewicht der Leistungsfähigkeiten, was letztlich bedeutet, daß ein Part der unendlichen natürlichen Differenziertheit nicht unausgeschöpft wird. Das Unausgeschöpfte ist immer größer als das Ausgeschöpfte, aber dieser Widerspruch wird nicht nur mit dem technischen Fortschritt größer, sondern er wird auch subjektiv als Triebkraft zur Entfaltung der individuellen Voraussetzungen empfunden. Der technische Fortschritt setzt subjektive Triebkräfte frei, den Willen zur Erweiterung.


In dem Maße wie die Natur zum Gegenstand wird, der Mensch mit ihr in eine kommunikative Beziehung tritt, anders kann er sie nicht verstehen, als daß er mit ihr kommuniziert, wird die Menschheit mit der Natur eine große schaffende Gemeinschaft. Es ändert sich also nicht nur der Begriff der Menschheit, sondern auch der Begriff des gemeinschaftlichen Subjekts. Die Kommunikationstechnik macht heute schon die Menschheit zu einem ganzen, zeitlich gegenwärtigen Subjekt. Die Gleichzeitigkeit macht das eine Subjekt aus. Wie der Einzelne immer ein Gleichzeitiger ist, so trifft das auch zunehmend für die Menschheit zu. Bisher war sie ein in sich verzögertes Subjekt. Aber um wieviel mehr trifft das zu, wenn sich der Mensch mit der Natur gleichschaltet, wenn er mit ihr kommuniziert. Vier Augen sehen mehr als zwei, aber nun kommen die vielen Augen der Natur hinzu, eine unendliche Fülle von Sensoren und Ansprüchen. Die belebte Welt wird ein ganzes Subjekt, das sich ständig beobachtet, kontrolliert und verändert.

 

 

Die Opposition muß das nicht alles voraussagen. Aber sie muß sich dafür einsetzen, daß die Zukunft in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion rückt.