Der Unterschied

 

23. Dezember 2008 FP Deutschlands

 

von J. Hertrampf

 

 

Geraten Politiker in eine kritische Lage, dann geben sie Durchhalteparolen aus. Sie sparen nicht mit Appellen an die Bereitschaft der Menschen, mit allen Kräften die vorgegebene Linie zu befolgen. Zu Kaisers Zeiten hieß das: Für Kaiser und Vaterland bis in den Tod! Im Dritten Reich: Der Führer hat eine Wunderwaffe. In der DDR: Der Sozialismus siegt! Und heute: Glaubt an die Bundeskanzlerin. Doch einen Vertrauensvorschuss gibt es nicht mehr. Zumindest nicht mehr in den neuen Bundesländern. Die Enttäuschungen waren zu tief. Die Menschen in den alten Bundesländern haben noch keine große Staatskrise kennen gelernt, insofern fehlt ein Stück geschichtlicher Erfahrung. Deshalb ist die Hoffnung verbreitet, dass diesmal wieder alles glimpflich abläuft.

 

 

Führerstaat oder Demokratie? So muss man heute fragen, da die Regierenden fernab vom Bürgerwillen ihre Entscheidungen treffen. In einem Führerstaat haben die Menschen zu glauben, dass der Führer ihre Interessen kennt und entsprechend handelt. In einer Demokratie erheben die Menschen ihren Willen zum Gesetz. Ihr Wort gilt. Der Führerstaat beruht auf Glauben und Gehorsam, die Demokratie auf Wissen und Vernunft. Die Demokratie ist ein Staat ohne den großen Führer. Sie scheint einfach zu sein, ist aber viel komplizierter als eine Diktatur. – Die Deutschen haben besonders im Zwanzigsten Jahrhundert erfahren, dass sie schlecht beraten waren, wenn sie ihren Führern vertrauten. Am Ende hinterließen diese immer einen Scherbenhaufen. Und diese Erfahrung steht uns wieder bevor. Die Deutschen hatten noch keine volkssouveräne Demokratie.

 

 

Was die Herrschenden in den letzten Monaten verbrochen haben, ist ungeheuerlich. Sie haben einen neuen Schuldensumpf angelegt. Damit ist die Haushaltssanierung endgültig begraben. Aber schlimmer noch, damit ist das Schicksal unseres Volkes besiegelt, denn in diesem Sumpf kann es nicht leben.

 

 

Die Finanzkrise war das schockierende Ereignis, das angeblich den Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems heraufbeschwor. Dieses drohende Debakel erzeugte bei den Politkern einen seltenen Aktionismus und bei den Bürgern die Angst vor dem finanziellen Ruin. Alle neoliberalen Losungen vom schwachen Staat und von freier Marktwirtschaft wurden über Nacht aus dem Verkehr gezogen. Auf einmal war der Staat die einzige Institution, die wieder alles ins Lot bringen konnte. Aber sein ganzes Handeln wurde darauf beschränkt, schnell und großzügig Geld heranzuschaffen. Nicht private Investoren, sondern der Staat war der Geldbeschaffer. Auf einmal war die Staatsverschuldung kein Horror mehr, sondern war der Balsam auf die Wunden der Banken und Konzerne. Die „Experten“ erklärten sie zum Allheilmittel. Es wurde nur noch über viel Geld gesprochen, frisches Geld, aus den Händen des Staates. Nie zuvor in der Geschichte der BRD wurden so hohe Milliardensummen in so kurzer Zeit auf den Tisch gezaubert. Es genügte ein Wink und schon war das Geld da. Der Bürger war sprachlos darüber, mit welcher Leichtigkeit die Regierenden aus dem schwarzen Zylinder Milliarden um Milliarden zogen. Wo blieb die geißelnde Opposition? Wo blieb die Kraft, die den öffentlichen Bürgerprotest organisierte? Wenn die Opposition schweigt, wird sie zum Handlanger. Aber niemand konnte das Unbehagen beim Bürger verhindern, weil er „denen da oben“ nicht mehr traut. Genau dieses Unbehagen ist der glimmende Funke, der schnell zur Kritik auflodert, wenn dem Bürger die Erkenntnis kommt, dass er als Steuerzahler mit der Finanzkrise nur in ein neues großes Joch gespannt wurde. Dieses Joch – und das dämmert ihm mehr und mehr -, ist das, was für ihn vorgehen ist. Das ist sein Anteil am Kuchen. Seine Steuern sind es, die ihn so begehrlich machen. Wenn das ihm erst einmal richtig klar ist, und er die Last der neuen Schulden voll zu spüren bekommt, dann wird aus dem Unbehagen ein Widerspruch werden und aus diesem der Widerstand. So ist nun mal die folgerichtige Konsequenz.

 

 

Hunderte von Milliarden wurden den Steuerzahlern aufgebürdet, um den Moloch zu retten, der sie jetzt schon niederdrückt. Aber jetzt sind sie endlich dran, die Bürger, die bisher unbeachtet blieben. Die Regierung hat ein zweites Rettungsprogramm beschlossen: 40 oder nur 25 Milliarden für Straßen, Kommunikation und Bildung.

 

Lohnt es sich also, das System zu retten und den Führern zu vertrauen? Alles muss sozial verträglich ablaufen, so lautet das Versprechen, die Globalisierung allgemein und die Finanzkrise speziell. Wenn nur immer auch für den kleinen Mann etwas abfällt, wird er glauben, dass er mit am Tisch sitzt. Und es könnte noch viel mehr sein, wenn die EU mit einer Stimme spräche, wenn … der EU Grundlagenvertrag unter Dach und Fach wäre. Die Regierung spielt ein riskantes Spiel, aber 2009 ist ein großes Wahljahr. Je kleiner der Handlungsspielraum ist, desto verwegener der Einsatz und desto frecher der Ton. Politik greift am Ende zur Regel „Alles oder Nichts“. Das ist das Aufbäumen gegen die Tatsachen, das mit einer Niederlage enden wird.

 

 

Die Regierung stimmt schon jetzt die Menschen auf schlechte Zeiten ein, damit sie später nicht rebellisch werden. Angeblich wird sich am Ende alles zum Besten wenden, aber zunächst liegen schwere Zeiten vor ihnen mit vielen schlechten Nachrichten. Die Kassandra-Rufe der Regierung sollen dem Bürger die Gewissheit geben, dass man alles im Blick hat, das Gute und das Schlechte, dass er also beruhigt sein kann.

 

 

Doch zu einer Frage nimmt die Regierung nicht Stellung. Woher kommt das Geld? Darüber will sie keine öffentliche Diskussion. Es soll ein Geheimnis bleiben, was da im Hut vor sich gegangen ist. Doch es war nur Hokuspokus, wie bei jeder Zauberei. Das Geld, das sie da herausgezogen hat, ist Kreditgeld, ist ein finanztechnischer Trick. Das marode Finanzsystem gibt dem Staat selbstgemachtes Kreditgeld und dieser leitet das als frisches Geld in die Finanz- und Realwirtschaft. Der Unterschied zwischen faulem Geld und frischem Geld besteht darin, dass jenes keine Zinsen mehr bringt, dieses aber wie eine Kanüle einen sprudelnden Aderlass öffnet. „Lebt heute, macht euch keine Gedanken um morgen.“ Lässt es sich nicht auch mit Schulden gut leben, belehren uns die Ökonomen? Ja sicher, so lange die Zinsen nicht die gesamte Leistungskraft auffressen. Auch die Milliarden für das Konjunkturprogramm haben einen Haken, denn die Banken verlangen dafür Zinsen. Da ruft es von der linken Seite: „Die Reichen sollen zahlen!“ Sie sollen endlich auf Milliarden verzichten, im Sinne der Gerechtigkeit. Doch warum fordern diese Damen und Herren nicht eine politische Wende in der BRD? Warum verlangen sie nicht, die Staatsausgaben neu festzulegen? Die Existenzgefahr für die Welt sind nicht die habgierigen Reichen, sondern das System, das diese Unersättlichkeit hervorbringt und braucht. Wer die Symptome bekämpft und nicht die Ursachen beseitigt, der kann in Wirklichkeit gar nichts ändern und will es wahrscheinlich nicht. Die gegenwärtige Umverteilung ist eine schreiende Ungerechtigkeit, aber wir dürfen uns nicht damit begnügen, Schranken zu setzen, sondern wir müssen Bedingungen schaffen, die diese Ungerechtigkeit ausschließt. Wir müssen die Verschuldung stoppen und wir müssen die Schulden streichen. Das wäre ein richtiger Anfang.

 

 

Die verschiedenen Maßnahmen, die angeblich die Finanzkrise eindämmen können, führen mit Sicherheit zu neuen Zinsen und damit zu neuen steuerlichen Belastungen. Die sogenannten Rettungspakete schaffen keinen anderen besseren Zustand. Alles bleibt beim alten, es wird nur schlechter. Damit sind die riesigen Milliardenpakete zur Rettung der Banken und Unternehmen ein Hindernis für die betreffenden Völker und die ganze Welt. Alles, was mit Krediten finanziert wird, verbaut uns die Zukunft. Es bleibt abzuwarten, wie die Bürger der USA darauf reagieren werden, wenn ihnen die ganze Rechnung präsentiert wird.

 

 

Das gegenwärtige Dilemma ist eine bewusst herbeigeführte, verschärfte Form der bisherigen Verteilung der Güter und Leistungen. Es ist nicht ein unerwünschtes Resultat aus heiterem Himmel. Die bisherigen Geldflüsse reichen nicht mehr aus. Das, was die heutigen Regierungen tun, ist eine Belastbarkeitsprüfung, ist ein Abtasten neuer Grenzen. Der Bürger steht auf dem Prüfstand. Besteht er diese Belastungsprobe oder nicht? Entscheidend ist, ob die Menschen diese Belastungen hinnehmen und sich damit abfinden. Wenn man die Schraube behutsam anzieht, ist es weniger schmerzlich. – In der Vergangenheit war es immer so, dass die Menschen eine dauerhafte Verschlechterung der Lebensbedingungen nicht hingenommen haben. Ein Systemwechsel war die Folge. Die geistige Manipulation und Repressalien konnten letztlich nie die Realitäten verdrängen. Wir können davon ausgehen, dass dieses Gesetz auch heute und in Zukunft wirkt. Wenn sich die Lebensbedingungen verschlechtern, werden die Menschen nicht mehr hinter dieser Ordnung stehen, dann läßt sie sich nicht mehr aufrechterhalten. Die Annahme der Regierenden, dass sich die Menschen mit immer weniger abfinden werden, wenn man ihnen nur die richtigen Durchhalteparolen eintrichtert. ist ein Trugschluss. Das um so mehr, als durch die modernen Kommunikationsmittel die Informiertheit der Menschen noch nie so groß war wie heute. Die Wortführer der westlichen Zivilisation vertreten nicht mehr die bessere Variante der Gesellschaft. Darüber sind sich auch die Menschen in den westlichen Ländern klar. Die Verschleißerscheinungen der alten Welt sind nicht mehr zu kompensieren. Deshalb muss eine Neuorientierung her. Deshalb steht in den USA das Wort „Change“ hoch im Kurs. Und in der BRD? In der Erkenntnis der geschichtlichen Notwendigkeit sind uns heute die Amerikaner voraus. Die Deutschen haben gegenwärtig kein Zukunftsbewusstsein, das sie zum Handeln bewegt. Sie stehen noch immer unter dem Trauma des Nationalsozialismus, das viel stärker ist als das Trauma des realen Sozialismus, weil mit ihm eine gesamtnationale, allerdings trügerische Hoffnung, begraben wurde. Wenn wir uns zu dieser Einsicht nicht vorbehaltlos bekennen, dann werden wir auf der Stelle treten und uns keinen Schritt nach vorn bewegen.

 

 

Die Mehrheit der Amerikaner will den Wandel, aber wer will ihn von der politischen Führung ihres Landes? Hierauf wird es bald eine Antwort geben. Dass jedoch überhaupt die Forderung nach einem Wandel gestellt wurde, ist ein riesiger Fortschritt. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Wie weit es zum Wandel kommt, ist offen. Die USA stehen vor großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, denn der Wille der Mehrheit des amerikanischen Volkes ist nicht mehr zu ignorieren. Gelingt diese Kursänderung, dann hat Obama gewonnen, gelingt sie nicht, kann es zu gewaltigen politischen Auseinandersetzungen kommen, mit chaotischen Zuständen.

 

Die Deutschen sind nicht so selbstbewusst wie die Amerikaner, aber noch haben sie ein Selbstbewusstsein. Je stärker die Deutschen ihr Selbstbewusstsein zurückgewinnen, desto bessere Partner sind sie für den demokratischen Wandel in den USA, denn Demokraten brauchen freie selbstbewusste Partner und keine Lakaien. Insofern stehen die USA und ihre Verbündeten, also auch die Deutschen, vor der gleichen geschichtlichen Aufgabe: Politikwandel, weg von dem wahnwitzigen globalen Führungsanspruch, weg von der Hegemonie der USA mit ihrem Vasallengefolge. Die westliche Welt muss ihre Ideen von Freiheit und Demokratie erneuern oder die Geschichte geht an ihr vorbei. Starke Impulse für den Fortschritt der Menschheit kommen jetzt schon aus anderen Regionen. Wenn Europa versinkt, wäre das nicht zum Vorteil der Menschheit, weil damit ein geistiger und technischer Schatz verloren ginge. Während die westlichen Länder sich mit ihren Gebrechen beschäftigen und irrealen Vorstellungen nachhängen, regen sich in anderen Regionen der Welt die Kräfte der gesellschaftlichen Erneuerung.

 

 

Was die Bundesregierung als rettende Maßnahmen aus der Finanzkrise verkauft, ist nichts anderes als die endgültige Entmündigung und Entkräftung des Deutschen Volkes. Diesen Weg in die babylonische Gefangenschaft müssen wir nicht gehen. Wir können zwar sicher sein, irgendwann gäbe es eine Umkehr, aber bis dahin müssten wir einen hohen Tribut zahlen, ohne jeglichen Vorteil, weder für uns noch für andere, also nur ein Verlust für alle. Nicht ein schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm, sondern ein haushaltsbereinigtes Konjunkturprogramm ist der Ausweg. Das ist der Unterschied zwischen der alten Richtung und der neuen Richtung. Hier liegt der Ansatz für alles weitere. Die Gelder, die für die Erneuerung gebraucht werden, müssen aus den eingesparten Zinsen für die bisherigen Staatsschulden kommen und aus haushaltspolitischen Umstrukturierungen. Mehr steht nicht zur Verfügung, mehr wird auch nicht gebraucht. In der BRD beläuft sich allein die Summe der jährlichen staatlichen Zinszahlungen auf ca. 70 Milliarden Euro. Jedes Jahr hätten wir diesen Betrag zur Verfügung. Wir müssen also nicht erst warten, bis der Staatsbankrott perfekt ist, um die Zinszahlungen einzustellen, sondern wir sollten mit Voraussicht handeln.

 

 

Nehmen wir uns ein Beispiel an Ecuador. Der Präsident dieses Staates, Rafael Correa, hat ein Schuldenoratorium für die Staatsanleihe verkündet, wodurch jährlich 30.6 Mill. Dollar für nationale Aufgaben zur Verfügung stehen. Die Regierung von Ecuador begründet die Einstellung der Zinszahlungen damit, dass die Kreditverträge mit den internationalen Geldgebern zu Ungunsten Ecuadors abgeschlossen wurden. Ecuador will nicht mehr zahlen, weil ihm diese Kredite diktiert wurden. Es stellt sich bewusst gegen die Ausbeutung durch das internationale Finanzsystem. Dieses Schuldenmoratorium ist eine Absage an die Spielregeln der globalen Ausplünderung. Damit stellt sich Ecuador an die Spitze einer Schuldenbefreiung, die für alle Völker ein Vorbild ist.

 

 

Wenn sich die BRD zu einem politischen Wandel bekennt, so muss die Regierung ein Schuldenmoratorium verkünden. Sie muss sich mit Ecuador solidarisieren und sich aus den internationalen Finanzsystemen zurückziehen. Nicht hochtrabende Erklärungen zu den Menschenrechten helfen den Völkern, nicht moralische Appelle, sondern praktische Schritte müssen gegangen werden. Der Geldstrom muss unterbunden werden, dann kommt die Politik zum Erliegen, die uns die totale Erschöpfung bringt.

 

Das Krisenjahr 2009 erfordert einen Kraftakt. Das Krisenjahr muss zu einem Jahr des Umschwungs werden.