Der Ritt auf dem Steckenpferd

 

26. Februar 2009 FP Deutschlands

 

von J. Hertrampf

 

Erleben wir den Kehraus der Politik? Die alten Lehrmeinungen gelten nicht mehr, sagen die Politiker. Die Grundsätze purzeln nur so. Und die Hoffnung auf Amerika? Es setzt sich die Einsicht durch, daß der von B. Obama angekündigte Wandel nicht den Erwartungen entspricht, die er während seines Präsidentschaftswahlkampfes geweckt hatte. Wenn er aber nur in neuen Schuhen einen alten Weg geht, brauchen wir nicht länger auf ihn zu warten. Sowohl seine Schritte zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise, als auch sein striktes Festhalten an der globalen Hegemonie der USA, machen deutlich, daß er sich von überholten Vorstellungen leiten läßt. Daß die USA auf dem richtigen Wege sind und deshalb bessere Tage vor ihnen liegen, muß eher als agitatorische Rhetorik, denn als sachliche Einschätzung angesehen werden. Wir sagen das, obwohl wir noch immer überzeugt sind, daß er mit der ehrlichen Absicht seinen Wahlkampf geführt hat, die zerrüttete amerikanische Gesellschaft gesund zu machen. Doch auch um die USA macht die geschichtliche Notwendigkeit keinen Bogen: die treibende Kraft des gesellschaftlichen Wandels kommt nicht von oben, sondern von unten, kommt nicht aus dem Oval Office, sondern aus dem amerikanischen Volk. Alles andere sind Illusionen.

 

I

 

Das System, welches verändert werden muß, hat viele Seiten – die öffentliche Meinungsbildung, die politischen Instanzen, das Bildungs- und Gesundheitswesen und vor allem das Wirtschafts- und Finanzsystem. Das Finanzsystem ist ein kompliziertes und empfindliches Herrschaftsmittel, das dem politischen Zugriff weitgehend entzogen ist. Die Finanzgewaltigen waren seit jeher ein Staat im Staate, vor dem die politisch Mächtigen niederknieten.

 

Das, was wir heute unter dem Begriff Finanzblase bezeichnen, ist das Phänomen des Finanzwesens, welches die Welt in Atem hält. Im allgemeinen bleibt das Finanzsystem im Hintergrund des Geschehens. Seine tatsächliche Rolle kommt zum Vorschein, wenn die Börsen taumeln und die Preise in die Höhe schnellen. Dann merkt der Bürger, welche gezähmte Gewalt in jedem kleinen Alltagsgeschäft steckt. Was ist die Finanzblase, die sich heute wie ein Unwetter über den Ländern entlädt? Sie enthält Geld besonderer Sorte, das auf der Jagd nach dem höchsten Profit um die ganze Welt vagabundiert. Sie enthält Heuschreckengeld, welches außerhalb der real-wirtschaftlichen Prozesse agiert, diese jedoch ständig attackiert und in eine bestimmte Richtung drängen will. Dieses Geld ist nicht nur besonders aggressiv, sondern in seinem Volumen übersteigt es die Menge des normalen Tauschgeldes. Die Finanzblase wirkt wie ein riesiges Geldreservoir, eine reale Geldreserve, aus der nach dem Willen ihrer Besitzer geschöpft werden kann, allerdings für eine bestimmte Gebühr, den Zins. Die Besitzer des Geldsystems haben gelernt. Wurde ursprünglich der Topf durch Geldentzug aus dem wirklichen Kreislauf gefüllt, aus Vorsicht, die Mächte, die man frei setzte, nicht mehr zu beherrschen zu können, so sind heute die Zusammenhänge im Geldsystem bekannt und man kann durch Geldemission und Zinsregulierung korrigieren und steuern. So wird heute, nachdem die Zinsregulierung nicht mehr wirkte, zum anderen Instrument gegriffen. Man wirft in Windeseile in einem Rausch von Herrschaftswahn Geld auf den Markt, gedrucktes oder per Mausklick geschaffenes. Geld wird hergestellt, wie jedes andere Mittel auch. Geld ist kein geheimnisvolles Medium, es ist ein Mittel, mit dem man die Richtung und die Intensität menschlichen Verhaltens lenken kann. Und das ist auch der Zweck der Finanzblase. Sie ist ein riesiger Geldvorrat, potentiell unerschöpflich, aus dem beliebig Geld entnommen und verteilt werden kann, zu den Bedingungen derjenigen, die über den Topf verfügen. Und da immer Geld benötigt wird, wenn ein Interessebefriedigt werden soll, weil die Dinge in der Regel eben gekauft werden, so besteht eine allgemeine Gier nach diesem Geld. Der Inhaber des Topfes hat also eine große Macht auf das Geschehen in einem Land und weltweit.

 

Doch dieses Geld ist gefährlich, weil es die Eigenschaft besitzt, die jedes Geld hat, Tauschmittel zu sein und damit den realen Tauschprozess in der Gesellschaft völlig durcheinander bringen und den Produktionsprozess deformieren kann. Dieses Geld ist eben nicht Mittel zur Durchsetzung des Gesetzes von Angebot und Nachfrage auf dem Markt der Güter und Leistungen. Es erhebt sich die Frage, inwiefern dieses vagabundierende, für den realen Tauschprozess nicht erforderliche Geld, wirklich gebraucht wird? Wir unterscheiden also zwischen dem Geld der Finanzblase und dem Geld als Tauschmittel im tatsächlichen Reproduktionsprozess. Diese Unterscheidung muss theoretisch vorgenommen werden, wenn man sich überhaupt einen Durchblick verschaffen will. Praktisch ist dem Geld nicht anzusehen, ob es reales Tauschmittel oder Fiat-Geld ist, die Scheine sind gleich, ebenso die Zahlen im Computer. Das wirkliche Leben braucht das Geld als Tauschmittel, während das Geld der Finanzblase, wie der Dreck unterm Lehm, eine andere Funktion hat, nicht zwingende Bedingung für den Tausch ist. Mit dem Geld aus der Finanzblase wird dem Konsumenten der eigenbestimmte Zugang zu Gütern verwehrt und damit das elementare Gesetz von Angebot und Nachfrage ausgehebelt. Die Konsumtion wird an Bedingungen geknüpft, die eine Fremdbestimmung des Konsumenten sind.

 

So oft und so tief auch in den Finanz-Topf gegriffen wird, am Ende bleibt nur das zu verteilen, was da ist. Mit dem Geld aus der Finanzblase wird also Geld im Reproduktionsprozess überflüssig gemacht, entwertet. Das Geld aus dem Topf hat keine Deckung durch Mittel und Leistungen, es verschafft aber Zugang zu diesen. Es ist wie ein Virus in einem Computerprogramm. Es treibt die Realwirtschaft an die Börse, seinem Lieblingsort und zerstört sie dort. Das Finanzblasengeld sucht nicht die produktive Arbeit, sondern die Spekulation. Es ruiniert die Grundlagen der Gesellschaft, die ökonomischen, sozialen und moralischen. Die USA und die westliche Welt sind das traurige Beispiel für die Wirkung. Im Grunde genommen ist die Finanzblase ein großes Betrugsmittel, ein Werk von Betrügern. Hier steht die Welt auf dem Kopf, weshalb sie für den normalen Menschen nicht verständlich ist. Der Verlustbanker erhält hohe Bonuszahlungen, eben weil er Verlust für den einen und damit Gewinn für den anderen gemacht hat.

 

Ebenso absurd ist es, ein gläsernes globales Finanzsystem schaffen zu wollen, mit harten Regulierungen. Der Raub ist ein dunkles Geschäft und die Sitten in einer Räuberbande sind entsprechend. Grelles Licht erzeugt tiefen Schatten, neuen Tummelplatz. Funktionieren wird das alles so lange, wie ein staatlicher Macht- und Unterdrückungsapparat diese Treiben absichert. Im Unterschied zum kleinen Betrüger steht dem großen Betrüger ein großes geistiges und staatliches Hilfsmittel zur Verfügung, mit dem die Betrogenen in Angst und Schrecken versetzt werden. Sie werden bestraft, wenn sie nicht gefügig sind, früher wie heute. Aber die einfache Tatsache, dass angeeignet wird, ohne Gegenleistung zu erbringen, enthüllt mehr als verschleiert werden kann, bis zu dem Punkt, ab dem das System nicht mehr die Kraft hat, die Menschen zu vernebeln. Ein Gebäude, bei dem die Stützen und Träger morsch sind, fällt in sich zusammen, es explodiert nicht. Die Finanzblase ist das wirksamste Mittel zur Umverteilung. Diese muss nicht stärker beleuchtet und neu reguliert werden, sondern von ihr muss man sich trennen. Dann werden die Menschen erleichtert aufatmen. Bis dahin werden sie jedoch an der Umverteilung leiden und Dinge produzieren, die sie nicht brauchen – Ketten. Das globale Finanzsystem zehrt an der Produktivkraft der Länder, führt zu Stagnation und Verfall.

 

Der Kampf gegen die Finanzblase ist seinem Kern nach die Eindämmung und schließlich die Abschaffung des Kredits, denn er ist die Quelle dieses Ungetüms. Doch die Abschaffung des Kredits ist die Abschaffung des wichtigsten finanztechnischen Mittels der Herrschaftsgesellschaft. Der Kredit ist das Heiligtum, das Wundermittel, der Zivilisation. Solange die Kreditwirtschaft floriert, kann ihr nichts passieren, höchstens ein politischer Formwechsel.

 

Das Geldsystem ist wichtiger als Armeen, wichtiger als Theorien, weil über das Geld die Menschen ihre Interessen befriedigen und weil das Geld zugleich den Weg in die Freiheit öffnet. Geld ist einerseits Mittel der Knechtschaft und andererseits Mittel der Freiheit. Diese Widersprüchlichkeit verbietet jede einseitige Behandlung, jede Verteufelung des Geldes. Ohne ein neues Geldsystem ist die Zukunft nicht machbar.

 

Die Finanzblase ist eine vorübergehende Erscheinung des Geldsystems, sie ist keine allgemeine Bedingung der Realwirtschaft. Wenn dieser Satz stimmt, dann ist die Zivilisation überwindbar. Die Finanzblase ist vielmehr ein Werkzeug, um die Realwirtschaft zu beherrschen. Diejenigen, die von der Finanzblase leben, leben von der Herrschaft, sind die wirklichen Parasiten. Der Sinn ihres Lebens ist herrschen, nicht, etwas Neues, Eigenes hervorbringen. Genau verfolgen sie die Aktien-Kurse und streuen Gerüchte in die Welt, damit die Spekulation Stoff hat. Sie sind Finanzregisseure, die mit Geldströmen Schauspieler anlocken, die wieder andere Menschen in Bann ziehen und sie gut bezahlen, die Politiker und die Entertainer. So steuern die oberen Finanzregisseure die Gesellschaft, nicht als Zweck ihres Tuns, sondern unter dem einen Gesichtswinkel, daß ihre Konten beständig wachsen und sie obenauf sind. Die Gesellschaft und das Leben der Menschen ist für sie ein Begleitumstand.

 

Nach vorsichtigen Schätzungen gibt es in der EU 18,5 Bill. Euro faule Kredite. Dazu kommen die Kredite, die im Zusammenhang mit den sogenannten Konjunkturprogrammen aufgenommen wurden, Kredite, über die heute schon niemand mehr spricht. Alle diese Kredite und alle diese Gelder, die über Nacht aus dem Boden gestampft wurden, sind Geldreserven, die nicht durch Werte gedeckt sind, aber verheerende Wirkungen hervorrufen können. Es ist keine Übertreibung, dass die Politiker, die das eingefädelt haben, sich der Tragweite ihres Handelns nicht bewusst waren, sondern nur den unmittelbar zu erwartenden Effekt im Auge hatten, also fahrlässig und verantwortungslos gehandelt haben. Was spricht dagegen, sich von den faulen Krediten zu trennen, die nur Tresore und Speicherkapazitäten der Computer füllen? Wenn dieses faule Geld für die Banken wirklich nutzlos wäre, würde man sich von ihm leichten Herzens trennen. Aber das ist es eben nicht, denn mit ihm kann man gesundes Geld als Zins an sich ziehen. Deswegen überlegen die Regierungen, wie man dieses faule Geld über Bad-Banken sammeln und mit Steuergeldern reanimieren kann.

 

Wenn die Herrschenden in den USA, in der BRD und anderswo das Finanzsystem unbedingt retten wollen, dann, weil sie nie genug von gesundem Geld haben können. Das ist ihr eigentliches Lebensmittel. Vollständig gelingt das nicht, so lange Menschen produzieren und konsumieren. Aber den Zuwachs an gesundem Geld will man wenigstens weitgehend abschöpfen, indem man die Finanzblase vergrößert und rationalisiert.

 

Es gibt zwei Möglichkeiten, um an gesundes Geld heranzukommen: das ist erstens die Abschöpfung im eigenen Land, die bis zur massenhaften Verelendung geht, durch Zinsen und Abgaben. Und das ist zweitens die Ausplünderung anderer Völker durch Zinszahlungen, Kriege. Wenn andere Völker ausgebeutet werden, kann das eigene korrumpiert werden. Es kann beteiligt werden an den Ergebnissen der Plünderung. Die USA sind nach der Weltwirtschaftskrise diesen Weg gegangen. Durch den Zweiten Weltkrieg waren sie in der Lage, die Schulden des New Deal abzudecken. Das Geld, welches sie als Kredit im eigenen Lande ausgegeben hatten, floß ihnen während des Krieges durch die Hochkonjunktur der Rüstungsindustrie zurück. Und das bedeutet, es wurde dem Reproduktionsprozess der anderen Völker entzogen. Der Zweite Weltkrieg war die Rettung für die Wirtschaft der USA. Der New Deal selbst hatte keine nachhaltige Initialzündung ausgelöst, sondern es war der Krieg. Auch gegenwärtig ist nichts auszumachen, was in den USA und anderswo die Initialzündung auslösen könnte. Es ist befremdlich, das US-Präsident Obama trotz dieser Erfahrungen sich für eine Kopie von damals entscheidet. Es ist unmöglich, die vermehrten Ausgaben durch Einsparungen am bestehenden System zu kompensieren, da dessen Unterhaltung immer aufwendiger wird. Damals waren vor allem jene Völker die Leidtragenden, die sich gegen die faschistischen Invasoren zur Wehr setzten. Die Verschuldung der USA ist somit eine Bedrohung für die ganze Welt. Das ist geschichtlich erwiesen.

 

Das Spiel hat heute wieder so begonnen: Bankenkrach, schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme. Die Dimensionen sind allerdings bedeutend größer. Die Kreditaufnahme ist heute in den USA und den ihnen zugeschalteten Staaten wesentlich höher als damals. Die Finanzblase der mit den USA liierten Industriestaaten dürfte insgesamt bei 100 Bill. Dollar liegen. Und darin besteht die Riesengefahr. Wie soll diese Belastung von den Völkern getragen werden? Wie sollen die Völker dem Sog dieser Blase widerstehen? Auf diese Frage wagt kein Politiker einzugehen. „Die Welt braucht Amerika – Amerika braucht die Welt.“ Ist das der Schlüssel für die Lösung? Diese Losung hat jedenfalls J. Biden auf der Sicherheitskonferenz in München ausgegeben.

 

II

 

Die Idee für eine Initialzündung fehlt, so wie sie schon beim New Deal nicht da war. Anstatt einer handfesten Idee wird verkündet: „Wir sind die Größten und die Fleißigsten auf dieser Erde“. Das ist Chauvinismus.

 

Ein neuer Krieg, größer und dauernder als der letzte an der Seite der USA? Das ist unwahrscheinlich. Der Kampf gegen den Terror, den George W. Bush unter Führung der USA zu einer weltweiten Gemeinschaftsaktion machen wollte, ist nicht zustande gekommen. Wenn die USA eine von ihr geführte Phalanx bilden und sie in einen langwierigen und aufwendigen Krieg führen könnten, dann bestünde die Möglichkeit, dass sie ihr horrendes Schuldenpaket von anderen abarbeiten lassen könnten. Aber ein großer gemeinsamer Feind, für dessen Bekämpfung die USA die Welt mit Waffen versorgen könnten, ist nicht auszumachen. Es ist bezeichnend, daß in den USA darüber geforscht wird, wie der Krieg der Zukunft aussehen wird und sie teuflische Waffen erfinden.

 

Völlig abstrus für den vernünftigen Menschen. So erhebt sich die Frage, ob andere Völker auf anderen Wegen ausplünderbar sind? Auch um diese Aussicht ist es schlecht bestellt, insofern starke Staaten vorhanden sind, vor denen die USA zurückweichen. Alle Versuche, diese zu unterlaufen sind bisher gescheitert. Ein Volk kann durch einen anderen Staat nur ausgeplündert werden, wenn es sich nicht durch einen eigenen Staat schützen kann. Insofern ist ein starker Nationalstaat eine Voraussetzung für die Abwehr imperialer Gelüste, selbst wenn man in Betracht zieht, dass durch Bündnisse die nationale Selbständigkeit heutzutage eingeschränkt ist. Aller Globalisierung zum Trotz ist der „nationale Egoismus“ eine Realität, mit dem das Volk noch immer Druck auf die Regierungen ausüben kann. Er ist das Gesunde, der das Krankhafte abstößt.

 

Die dritte Möglichkeit ist die noch rigorosere Ausplünderung der eigenen Völker. Doch auch die geht nur bis zu einem bestimmten Grad der Verarmung. Um zu herrschen, muß man nämlich dem anderen überlegen sein, andernfalls dreht sich der Spieß um.

 

Die USA und die westlichen Staaten können keine neue Initialzündung auslösen. Sie haben keine mobilisierende Idee. Nicht, weil diese generell nicht zu finden ist, sondern, weil ihr ganzes Bestreben darauf ausgerichtet ist, die Hegemonie aufrecht zu erhalten. Damit ergibt sich die düstere Schlussfolgerung, dass die westlichen Staaten keine Möglichkeit haben, ihre Schulden jemals wieder abzubauen. Im Gegenteil: der Schuldenberg wird anwachsen. Von daher ist es völlig illusorisch, wenn US-Präsident Obama davon spricht, das riesige Haushaltsdefizits von 1,75 Bill. Dollar während seiner Amtsperiode zu halbieren. Angesichts dieser Situation gibt es nur den Weg der sofortigen Umkehr. Und dieser heißt:

 

a. Ab sofort keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Die Absicht der bundesdeutschen Regierungsparteien, die Neuverschuldung erst ab dem Jahre 2020 einzustellen, ist ein geistloser Einfall.

 

b. Sofortiges Schuldenmoratorium. Das würde bedeuten, daß all die beschlossenen Programme gestoppt und die neuen Kreditverträge für 10 Jahre ausgesetzt werden.

 

Die Durchsetzung dieser beiden Forderungen erzwingt eine Neuorientierung Politik, denn dann muß wirklich die Ausgabenseite neu aufgestellt werden. Diese beiden Forderungen europaweit durchgesetzt, würde in kürzester Zeit eine neue Situation in Europa schaffen. Staaten, die heute bankrott sind oder kurz davor stehen, würden von dieser Bedrohung befreit und könnten einen wirtschaftlichen Weg einschlagen, der ihren nationalen Besonderheiten Rechnung trägt. Der von den USA und den anderen westlichen Staaten eingeschlagene Weg, die Kreditblase zu vergrößern, kann nicht zu einer Gesundung, ja noch nicht einmal zu einer Atempause führen. Anhaltende Stagnation und Rezession werden die Folge sein. Wenn Obama sich an Roosevelt orientiert, dann übersieht er, daß die Welt heute eine andere ist. Die Geschichte läßt sich nicht wiederholen.

 

III

 

Diese Darlegungen führen uns zu dem Schluß, das Bundestag und Bundesregierung mit ihren Beschlüssen keinen Ausweg aus der Krise weisen, geschweige denn, daß es sich um Maßnahmen handelt, mit denen man die Konjunktur ankurbeln könnte. Gelinde gesagt: die politische Führung der BRD ist unfähig, die Probleme zu bewältigen. Schaut man sich ihre Schritte an, ergibt sich der Eindruck, daß sie es vielmehr darauf abgesehen haben, die BRD bis auf den letzten Tropfen auszupressen, um das Finanzsystem der USA zu stützen und ihnen bei den Konjunktur- und Bankenrettungsprogrammen unter die Arme zu greifen. Entsprechend sind auch ihre Orientierungen für die EU. Die Korrektur des gegenwärtigen weltweiten Finanzsystems und die Schließung der Steueroasen sind eben keine Schritte zur Erneuerung. Allein Opel und das Crosss-Border-Leasing Desaster von Kommunen zeigen uns, woran wir kranken. Damit will man lediglich in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, als würde man intensiv an der Überwindung der Krise arbeiten.

 

Bundestag und Bundesregierung wollen sich nicht ins Zeug reden lassen. Das war so bei der EU-Verfassung und ist jetzt wieder so. Sie drücken mit aller Macht ihre Linie durch. Gegensätzliche Positionen werden nicht zur Kenntnis genommen. So gibt es keine Diskussion über eine Alternative, da es nach Auffassung der Bundeskanzlerin keine vernünftige Alternative gibt. Damit haben wir die Situation, wie sie in jeder Diktatur existiert: Es zählt nur die Meinung der Herrschenden, alles andere wird diskreditiert und unterdrückt. Die Folge ist: Der Graben zwischen Politik und Bürgerinteresse wird tiefer. Angesichts dieser Situation wirkt es grotesk, einen Vertrauenspakt zwischen Politik und Bürger auch nur in den Mund zu nehmen. Auf welcher Grundlage? Selbst die meisten Anhänger der CDU und der SPD sind mit der Politik ihrer Parteien unzufrieden, aber sie trotten eben mit und machen sich damit mitschuldig. Die Zahl der Austritte aus diesen Parteien ist noch viel zu gering. Ebenso verhält es sich mit der etablierten Opposition. Auch sie weicht einer prinzipiellen Kritik aus. Und kündigt sie Widerstand an, knickt sie vor den Abstimmungen ein. Diese Schauspielerei ist von der FDP zur Genüge bekannt. Aber auch die Grünen sind mehr für Anpassung, als für Opposition. Der Streitpunkt zwischen Regierungsparteien und etablierter Opposition sind nicht grundsätzliche Wegentscheidungen, sondern die Gunst des Wählers, weil es von seinem Votum abhängt, ob man das nächste Mal wieder im Parlament sitzt oder sogar einen begehrten Ministersessel ergattert. Politiker mit Charakter, die ihre persönlichen Interessen politischen Zielen unterordnen, sind nicht mehr auszumachen. Die Korruption hat aus allen nur unterschiedliche Masken gemacht, die zusammengenommen den Karnevalszug ergeben.

 

Wenn in diesem Jahr Wahlen zum Bundestag und zum EU-Parlament stattfinden, stellt sich wiederum die Frage, welchen Sinn haben Wahlen, wenn es keinen Alternativen gibt. In den beiden wichtigsten Fragen, EU-Grundlagenvertrag und Finanz- und Wirtschaftskrise, gibt es bei allen etablierten Parteien keine Differenzen. Selbst ein Abtrünniger der CDU, der als konservativer Patriot von sich Reden machte, stimmte an der Seite der CDU für das 470 Mrd. Euro schwere Bankenrettungsprogramm. Auf wen kann sich der Bürger da noch verlassen? Auf die nichtetablierte Opposition? Bundestag und Bundesregierung sind schon synonym geworden für bürgerfeindliche Politik. Doch ist die nichtetablierte Opposition wirklich selbstlos? Wir meinen nicht die Schlapphüte, sondern jene, denen es so unbedingt um einen Sitz im Parlament geht. Wie verführerisch sind Diäten auf die Gewissensentscheidung?

 

Zwei Parteien werden sich durch Scheingefechte profilieren – die FDP und die LINKE. Die FDP, ohne Möllemann handzahm und postenscharf, wird als die bessere bürgerliche Partei brillieren. Wenn sie schon nicht stark ist, möchte sie das Zünglein an der Waage sein – viel Mitreden und wenig Verantwortung tragen. Die LINKE, als Turmwächter der sozialen Gerechtigkeit, wird zur Stelle sein, wenn die SPD, als Turmwächter der Demokratie endgültig umfällt. Und die Grünen? Sie sind die Nihilisten des Systems. Sie wissen, wie die Einheitsgesellschaft aussieht. Sie haben längst gesagt, daß sie die Eine-Welt-Regierung wollen und damit den anderen voraus sind. Sie sind die charakterlosen Vorkämpfer des Weltfinanzsystems, die auf nichts Rücksicht nehmen, jedenfalls in Worten. Ein Pöstchen in einem Aufsichtsrat ist ihnen schon recht.

 

Der Bürger sucht also vergeblich nach “seiner” Partei.

 

Welchen Weg muß man gehen, ohne dem Bürgen die Lasten der Finanz- und Wirtschaftskrise aufzubürden? CDU und SPD behaupten, daß ihr Weg die einzig richtige Variante ist: Erhaltung des Geldsystems und soziale Abfederung seiner Auswirkungen ist bürgerfreundlich im Vergleich zum schnellen Staatsbankrott und zur Währungsreform. Der Königsweg der Politik ist aber: Ab sofort keine Neuverschuldung mehr und ab sofort ein umfassendes Schuldenmoratorium. Wenn heute die Chefökonomen, Diplomvolkswirte und Spindoktoren hinter vorgehaltener Hand über Staatsbankrott und Währungsreform tuscheln, dann gehört das zu ihrem Auftrag, die Öffentlichkeit zu manipulieren, denn Angst macht gefügig. Dann läßt sich gut die Peitsche schwingen, über Hartz IV-Empfänger und Rentner, als wäre die zunehmende Belastung der Bürger ein Naturgesetz, was diese nicht begreifen wollen. Doch die Menschen trauen ihnen nicht, denn ein Naturgesetz ist nicht menschenfeindlich. – Schuldenstopp und Schuldenmoratorium sind die einzige Möglichkeit, ihn vor dem Abstieg zu bewahren. Das kann man heute nicht oft genug wiederholen.

 

Freiheit, Demokratie, Menschenwürde einerseits und weltweite Regulierung der globalen Finanz- und Wirtschaftsprozesse andererseits schließen sich aus. Das haben die Deutschen und alle Völker in der Zwischenzeit gelernt. Einen wirklichen Schutz für die Menschen bietet nur die volkssouveräne Demokratie. Eine solche Diskussion wird aber von den herrschenden Parteien nicht zugelassen. Sie nehmen sich das Recht heraus, in dieser schwierigen Zeit das öffentliche Verlangen nach einer freimütigen Diskussion zu unterdrücken. Wenn das Volk aber mundtot gemacht wird, wie soll es dann freudig zur Wahl gehen? Die öffentliche Diskussion ist die Vorarbeit jeder Wahl. Das trifft für die Bundestagswahlen und die Wahlen zum EU-Parlament zu. Jeder Wahlberechtigte muss sich im klaren sein, daß er in dieser Situation mit seiner Stimmabgabe den etablierten Parteien einen Blankoscheck ausstellt, den sie weidlich ausnutzen werden, indem sie ihn als Legitimation ihrer Politik hinstellen. Es muss endlich das Fazit gezogen werden, daß für die falsche Politik nicht nur die Politiker schuld sind, sondern auch die Bürger, die mit ihrer Stimme die Politiker auf den Sockel heben. Die Aufforderung, den Bundestags- und Europa-Wahlen fern zu bleiben, ist eine logische Schlußfolgerung. Wenn man nichts zu wählen hat, braucht man nicht wählen gehen. Besser ist, nur die zu wählen, die einem vertraut sind. Dann werden die Etablierten durchfallen. So kommt Bewegung zustande.

 

IV

 

Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise wirkt weltweit, aber ihr Ausgangspunkt liegt in der von den USA geführten westlichen Welt. Hier liegt das Epizentrum. Hier liegen die Strukturen, die sie auslösten, die nach wie vor existieren. Das ist auch der Grund dafür, daß die getroffenen Maßnahmen keine Wirkungen zeigen. Die Börsen reagieren überhaupt nicht, obwohl schon riesige Geldsummen in das Finanzwesen und in die Wirtschaft gepumpt wurden. Die Regierenden glauben, die Probleme mit Geld lösen zu können. Sie sind ratlos. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, daß neue Strukturen geschaffen werden müssen. Sie wollen die Welt, wie wir sie kennen, erhalten. In dieser Hinsicht sind sich die Repräsentanten der USA, der EU und der anderen westlich orientierten Industriestaaten einig. Und das, obwohl ihre Geschäftigkeit keine Ruhe in die Finanzplätze bringt.

 

Die fortdauernde Krise weist darauf hin, daß eine andere Weltordnung geschaffen werden muß. Die Ordnung des Herrschaftsprinzips muss abgelöst werden von der Ordnung des Kooperationsprinzips, welches auf der Freiheit und Souveränität eines jeden Volkes beruht. Wenn dieses Prinzip das Prinzip der Zukunft ist, dann ist auch die Überwindung der gegenwärtigen Krise nur bei Anwendung dieses Prinzips möglich. Damit holen wir das Künftige in die Gegenwart.

 

Die Mittel der Vergangenheit sind nicht die Mittel zum Wandel. Jedes Land, jedes Volk muß auf seine Weise mit der Krise fertig werden, wobei jedes allen seinen Weg offenlegt. Die Wege werden sich in vielem ähneln. Und das schließt ein, daß alle Länder auf den Zoll anderer Länder verzichten und bisher geltende Verpflichtungen aufgelöst werden. Die national-ökonomische Eigeninitiative darf nicht diskreditiert werden, wie das bei der Diskussion um den Protektionismus der Fall ist. Die Eigeninitiative der Völker ist unerschöpflich. Das ist nicht die Wiederherstellung eines alten Zustandes, sondern der Schritt in die Zukunft. Die Welt braucht den Bruch der bisherigen Tabus und die Setzung neuer. Dazu sind nicht die Mächte der Vergangenheit prädestiniert, sondern die Organisation der Weltgemeinschaft der Völker – die UNO. Die Finanz- und Wirtschaftskrise gehört auf ihre Tagesordnung, denn alle Völker sind an ihrer Überwindung interessiert. Man kann sicher sein, daß eine solche Diskussion in der UNO die Welt voranbringt, im Unterschied zur Wichtigtuerei jener, die am Ende ihres Lateins sind und ständig alle Welt belehren wollen.