Den eigenen Weg finden

 

 

 

Was abzusehen war, ist eingetroffen. Wir haben eine Regierung ohne Autorität. Die große Koalition legt zögernd die Karten auf den Tisch und muß zugeben, daß sie in den Kernpunkten eine Politik betreibt, die der Wähler mehrheitlich bei der Bundestagswahl abgelehnt hat. An seiner Sicht der Dinge hat sich nichts geändert – bei einem solchen Politikbetrieb zieht er den Kürzeren. Die finanzielle Belastung wächst ständig und die Aussichten werden düsterer.

 

CDU/CSU und SPD haben mit Duldung der anderen Altparteien die heiklen Themen vom Tisch geschoben – EU, Euro, Einwanderungsstop. Keine dieser Parteien hat darauf bestanden, daß ein anderer Kurs festgelegt wird. Viel wichtiger war ihnen, daß eine Regierung zustande kommt, nach dem Motto: Lieber eine schlechte Regierung als gar keine. Dabei ist diese Formel falsch, insofern das kleinere Übel immer die Fortsetzung des alten ist. Keine von den Altparteien in Regierung und Bundestag wollte eine Änderung. Sie wollten eine Beruhigung der Lage. Neuwahlen hätten den Stein noch weiter ins Rollen und vor allem die Union in größte Bedrängnis gebracht. Mit ihrem Duckmäusertum haben diese Parteien Neuwahlen verhindert und die große Koalition ermöglicht. Sie haben Merkel und sich selbst einen Gefallen getan, anstatt im Sinne der Wähler zu handeln.

 

 

Im Unterschied zu manchem Minister war die Bundeskanzlerin nach der Regierungsbildung auffallend wortkarg. Für sie war die Regierungsbildung Formsache, wichtiger war ihr, den Widerwillen der Bürger einzudämmen und abzuleiten. Die Überforderung von Staat und Gesellschaft durch das massenhafte, unkontrollierte Einströmen von Flüchtlingen, für die sie die Verantwortung trägt, sollte nicht zum Stillstand kommen. Alles andere war zweitrangig. Sie hatte von Anfang an die SPD als Regierungspartner ins Auge gefaßt, denn die SPD hatte sich immer als zuverlässiger Partner erwiesen. Auch leben noch genügend ehemalige Minister a.D., die zur ideologischen Disziplinierung gut zu gebrauchen sind. Nicht die Lage in Deutschland ist nämlich ihr großes Problem. Da kann sie sich auf die alten Bundestagsparteien verlassen, die alle die AfD als Demokratie-feindlich und rechtslastig verteufeln. Nicht die Steuerung der deutschen Politik macht ihr Sorgen, sondern die Querulanten in der EU und zunehmend der amerikanische Präsident D. Trump.

 

 

Merkel hat zwei Probleme, auf die sie keine Antwort weiß. Das ist zum einen der rapide Zerfall der EU, der infolge des Erstarkens nationaler Bewegungen in den EU-Ländern kaum noch aufzuhalten ist und das ausgerechnet in dem Bündnis, in dem die Brandmarkung des nationalen Geistes oberste verbindliche Doktrin ist. Lange Zeit war es möglich, diese Doktrin durch finanzielle Vorteile zu verharmlosen. Doch in dem Maße wie Brüssel sich in die inneren Angelegenheiten einmischt, Polen und Ungarn z.B., die Anerkennung zentral festgelegter Flüchtlingskontigente verlangt, mit Streichungen von Stimmrechten und Hilfsgeldern droht, regt sich nationaler Widerstand in diesen Ländern. Merkel hat bisher keinen Zweifel zugelassen, daß sie an der Aufnahme von Flüchtlingen entsprechend eines zentralen Schlüssels unbedingt festhalten wird, aus humanistischen Gründen und aus Gründen der kulturellen und biologischen Bereicherung für Europa. Der massenhafte Zuzug aus Asien und Afrika wird das nationale Selbstverständnis der Europäer gründlicher auflösen, als jede Propaganda es sonst schaffen würde. Inzwischen ist auch die Integration als Irreführung vor allem der Ausländer praktisch erwiesen. Die Milliarden, die hier verpulvert werden, würden besser als Aufbauhilfe für die Völker in den Herkunftsländern der Flüchtlinge Verwendung finden. Aber darum geht es ja den EU-Führern gar nicht. Sie wollen Europa reif machen für eine graue Diktatur. Anders kann man ihr selbstherrliches und rigoroses Auftreten nicht verstehen.

 

 

Merkel hat kein Verständnis für die Freiheitsliebe der Osteuropäer. Diese lehnen es ab, ihre Freiheit an die EU-Führung abzugeben. Hält die EU-Führung an ihrer Position fest, wird sich der Konflikt zuspitzen und die Existenz der EU beenden. Wünschenswert ist es für die Völker Europas, daß dieses Ende bald eintritt und die nationalen Regierungen nur ihren Völkern verpflichtet den jeweils vorteilhaftesten Weg einschlagen.

 

 

Offene Kritik an der EU-Führung, speziell auch an Merkel, war vor zehn Jahren noch genau so undenkbar wie die klare Sprache, die sie in den Wahlveranstaltungen vor der Bundestagswahl vom eigenen Volk zu hören bekam. Seit die Briten sich für den Brexit entschiedenen haben, steigt die Renitenz in den EU-Ländern. Die Zeiten haben sich gewandelt, die Menschen in Deutschland und in der EU halten mit ihren Ansichten nicht mehr hinter dem Berg. Sie reden öffentlich über Merkel als Bundeskanzlerin. Sie ist nicht mehr die Respektperson, der sie mit unsicheren Blicken gegenübertreten. Die Umgangsformen sind selbstbewußter und geradezu geworden. Wenn der Bürger erst einmal seine Scheu vor der Obrigkeit abgeworfen hat, dann läßt er nicht mehr locker.  Sie hat es doch selbst in der DDR erlebt. Noch kann sie sich mit Hilfe eines tief verzweigten korrupten Systems von persönlichen Abhängigkeiten halten. Mit ihrem Rücktritt würde diese Hierarchie zusammenbrechen. Hier liegt ihre folgsame Reserve, die Vielzahl von Funktionären und Amtsträgern im aufgeblähten  Staatsapparat, die sie unterstützen, obwohl es manchen von ihnen nicht mehr ganz geheuer ist.

 

 

Die Regierenden waren immer über die tatsächliche Lage im Volk informiert. Man sollte meinen, daß eine Regierung auf Sturmzeichen reagiert. Aber die Regel sieht anders aus, sie ziehen keine grundlegenden Änderungen in Betracht, sondern verteidigen ihre Ansichten, weil sie den konstruktiven Dialog schon verlernt haben. Und außerdem – das Fleisch ist schwach und unersättlich.

 

 

Das andere aktuelle Problem von Merkel ist ihr tief gestörtes Verhältnis zu D. Trump und seiner Regierung, was sich erneut im Iran-Streit bestätigt. Wenn Trump an dem Atom-Deal mit dem Iran Zweifel hat und seine Haltung sich von der deutschen krass unterscheidet, dann war das ein Punkt, auf den Merkel bei ihrem Zusammentreffen mit D. Trump unbedingt in aller Öffentlichkeit hätte sprechen müssen. Da hilft kein freundliches Händeschütteln vor der Kamera. Auch Trump hätte auf diesen Punkt drängen müssen. Die Welt hatte ein Recht darauf, im Vorfeld der Entscheidung zu erfahren, wie die beiden Politiker darüber denken. Es geht nicht um diplomatische Abstimmung der Meinungen, sondern um sachliche Bewertung einer unterschiedlichen Sicht, ohne jede übliche Geheimniskrämerei.

 

 

Seine Losung „Amerika first“ ist nicht falsch. Sie ist vom gleichen Geist getragen wie die Verteidigung der nationalen Souveränität durch die europäischen EU-Staaten. Deshalb muß darüber gesprochen werden. Wird das Eigeninteresse so verstanden, daß es auf Kosten der Interessen des anderen durchgesetzt wird, dann läge hier ein Rückfall in finsterste Zeiten imperialistischer Machtpolitik vor. Eigene Interessen zu verfolgen bedeutet aber nicht automatisch, die Interessen anderer zu unterdrücken. Eine solche Interpretation würde bedeuten, das eigene Interesse klein zu reden. Eine solche Auffassung ist letztlich fortschrittsfeindlich. Aber der Fortschritt stellt das Neue in den Vordergrund, braucht die besondere Einmaligkeit, die im Individuellen seinen Ausgangspunkt hat und nicht verlangt, daß das andere Individuelle über den Tisch gezogen wird. Steht das eigene Interesse im Zentrum, dann muß es um die eigene Leistungsfähigkeit gehen, nicht um die egoistische Bereicherung am  gesamten Reichtum. Das hätte zur Folge, daß aus dem „Amerika first“ ein „Amerika alone“ wird, denn die Völker würden sich von Amerika abwenden. Trump hat in seiner Rede anläßlich der Amtsübergabe sehr deutlich seinem Volk versprochen, eine Politik zu betreiben, die nicht darauf hinausläuft, daß andere Völker die amerikanische Sicht übernehmen müßten. Er hat damit eine Absage an die bisher geltende geopolitische Hegemonie getroffen. Und das war für einen amerikanischen Präsidenten eine neue und mutige Aussage, denn bis dahin war die amerikanische Politik andersherum ausgerichtet.

 

 

Es ist sein Recht und seine Pflicht als Präsident seine Vorbehalte gegen ein früher abgeschlossenes Vertragswerk auszusprechen. Und es ist das Recht und die Pflicht der anderen Völker und Staaten, diese seine Auffassung zu prüfen, denn schließlich geht es um das Leben aller Beteiligten.

 

Es ist nicht nachzuvollziehen, wenn Merkel dem amerikanischen Präsidenten vorwirft, damit das Vertrauen in die internationale Ordnung verletzt zu haben. Was ist die internationale Ordnung? Ist das der status quo zwischen den herrschenden Hauptmächten in der Welt bei der Verteilung der Einflußsphären? Oder ist es das Zusammenleben der freien Völker der Gegenwart? Trump kritisiert die Erzwungenheit der internationalen Ordnung. Was sich darin zeigt, daß eben der Atom-Deal nicht dem Sicherheitsempfinden der Israelis Rechnung trägt, daß der Deal eine schädliche Halbheit ist. Wieso ist die Ablehnung eines unechten Deals aber ein Vertrauensbruch? Trump hat doch seinen Schritt begründet. Und niemand gibt ihm Unrecht. Wer dazu mit offenen Augen schweigt, der sollte sich fragen, was er mit seinem Schweigen bewirkt.

 

 

Trump spricht nicht die bisherige Sprache der Diplomatie, die der Weltöffentlichkeit Sand in die Augen streut und danach sich wundert, daß sich unter der Decke Konflikte bilden. Seien wir froh, daß ein amerikanischer Präsident die Dinge beim Namen nennt. Seien wir froh darüber, wenn uns auch auf den ersten Blick die Art und Weise nicht gefallen mag, da wir selbst noch zu sehr alten Werten verhaftet sind. Lehnen wir nicht wegen der Form den Inhalt ab. Wer hätte bei der Amtseinführung D. Trump´s gedacht, daß die Präsidenten Nordkoreas und der USA sich so schnell treffen würden, um über die atomare Abrüstung und die friedliche Vereinigung der beiden koreanischen Staaten zu sprechen. Die Gegenwart beweist, es ist mehr in der heutigen Zeit drin, als bisher aus ihr gemacht wurde.

 

 

Seit seiner Wahl zum Präsidenten wurde in den deutschen Medien nichts unversucht gelassen, D. Trump in volksverhetzender Weise lächerlich, geistesgestört und gefährlich hinzustellen. Die Medien hatten erreicht,  diese Aversion in weiten Teilen des Volkes zu verfestigen. Dabei wurde ignoriert, daß Trump völlig rechtmäßig Präsident geworden war und mit der Diskreditierung Trump´s die Entscheidung des amerikanischen Volkes in Schmutz gezogen wurde. Nicht ein deutscher Altparteienpolitiker hat etwas unternommen, um dem widerwärtigen Treiben gegen Trump ein Ende zu bereiten!

 

 

Die Anti-Trump-Haltung sollte eine EU-Ausrichtung, eine europäische Gemeinsamkeit sein, mit geopolitischen Folgen. Ganz tollkühne Strategen sprachen schon von einem Bündnis mit China gegen  Amerika unter D. Trump. Die EU sollte die Führung der westlichen Vernunft und Ideale übernehmen. Dieses abenteuerliche Ansinnen ist schief gegangen, nicht infolge des oppositionellen Widerstandes in Deutschland und der EU, sondern infolge der zunehmenden Hoffnung auf Trump bei den Menschen in Amerika und in der Welt. Eine weltweite Anti-Trump-Front aufzubauen, ist unter diesen Umständen völlig wirklichkeitsfremd.

 

Es ist einleuchtend, daß in einer solch aufgeheizten Stimmung eine konstruktive Zusammenarbeit unmöglich ist. Anstatt zum Verbündeten USA Kontakte herzustellen, wurde die Kommunikation blockiert.

Meinungsverschiedenheiten wurden zu Feindseligkeiten umgemünzt. Die große geschichtliche Chance, anknüpfend an dem neuen amerikanischen Grundsatz, die nationalen Interessen in den Mittelpunkt zu stellen und damit die Zusammenarbeit in der Welt auf einer neuen strategischen Gemeinsamkeit zu begründen, wurde vertan. Man hat nicht mit Trump nach einer neuen Antwort in der sich ändernden Welt gesucht, sondern die Orientierung auf das gesunde nationale Interesse als geschichtlichen Rückfall diffamiert. Die Zusammenarbeit der Weltmächte USA, China und Rußland zu konsolidieren, ist gegenwärtig ein zentrales Interesse der internationalen Gemeinschaft, denn das Einvernehmen zwischen den Großmächten ist eine stabile Rahmenbedingung für das friedliche Zusammenleben der Völker. Deswegen muß von deutscher Seite alles unterlassen werden, was Mißtrauen zwischen den Großmächten sät.

 

 

Die alten Blockbildungen beruhten auf übernationalen Ideologien, die den Völkern vorgeschrieben wurden. Diese Bündnisse sind Anachronismen. Dazu gehören die EU und die Nato. Ähnliches gilt für andere internationale Institutionen, wie Weltbank und IWF. Welchen Nutzen bringen sie den Völkern? Welchen  Preis mußten die Völker zahlen? Solche Abkommen sind Fesseln. Deshalb müssen sie aufgelöst werden. Auf diese Weise werden gewaltige Mittel frei für die gesellschaftliche Erneuerung. Solche Überlegungen sind unerläßlich, wenn man die Gründe für das Ausbleiben all der in der Vergangenheit versprochenen Früchte aufdecken will.

 

Merkel lebt in einer toten Gedankenwelt. Ihre Wortkargheit ist ein Ausdruck ihrer Blockiertheit. Sie spürt den allseitigen Widerstand und kann ihn nicht überwinden. Die Wahrheit läßt den Widerspruch verstummen. Damit beginnt ihr Rückzug aus der Politik. Ihr offener Auftritt gegen Trump war ihr letzter Versuch, nochmal das Heft in die Hand zu bekommen. Aber sie ist zu weit gegangen. Sie hat dem Ansehen des amerikanischen Präsidenten geschadet. Bei ihrem letzten Besuch in den USA wurde sie schon gemieden. – Wichtig ist, daß Trump seinem Credo in seiner Rede zur Amtsübernahme treu bleibt und eine imperialistische Umdeutung seines „Amerika first“ nicht zuläßt. Dann werden ihm auch China und Rußland mit Achtung und Vertrauen begegnen.

 

Je mehr er Erfolg hat, desto mehr wird der Druck auf ihn nachlassen. Sein Vorgehen, die Dinge beim Namen zu nennen, ist für den einen befremdend, für den anderen von erfrischender Ehrlichkeit. Halten wir uns stets vor Augen, gegen welches Umfeld er sich durchsetzen muss. Lassen wir uns nicht irritieren.

 

 

Bis in die jüngste Vergangenheit haben deutsche Politiker ihr öffentliches Auftreten benutzt, die sich anbahnenden Verbesserungen der Beziehungen zwischen den Großmächten zu untergraben, indem sie die Welt den alten Machtkalkülen unterwarfen. Von einer solchen machtorientierten Betrachtungsweise sollte sich die deutsche Politik schleunigst distanzieren. Das Schüren von Mißtrauen behindert das klare Denken. Realistische Vorsicht beruft sich auf Fakten, nicht auf Unterstellungen. Je stärker sich die Völker in die Politik ihrer Staaten einbringen, die Außenpolitik sich auf offener Bühne abspielt, desto weniger Grund besteht, hinter allem nur ein diplomatisches Ränkespiel zu vermuten. Deutschland muß ein ehrlicher Partner werden. Wenn es von Frieden spricht, darf es nicht gleichzeitig die Rüstungsexporte steigern. Der deutsche Staat darf sich an Geschäften mit der Not und dem Elend anderer Menschen nicht beteiligen. Viel zu viele dunkle Kanäle haben in Deutschland ihren Ausgangs- bzw. Schnittpunkt und nähren den Vorwurf der Heuchelei.

 

Wenn Deutschland das hoffnungsvolle Anliegen von Trump, so wie er es in seinen Reden entwickelt hat, aufgreifen würde, dann wäre das ein guter Anfang für die westliche Welt, sich in die geschichtliche Umwälzung einzubringen. Der Übergang beginnt in der Gegenwart, unter Nutzung des  besonderen Beitrages eines jeden Volkes.

 

Die Meinungsverschiedenheiten mit Trump hätten nicht dazu führen dürfen, daß in Deutschland eine amerikafeindliche Stimmung geduldet oder gar geschürt wird. Das war nicht nur unfair, sondern auch politisch absurd. Betrachtet man das, was Trump alles bisher in Bewegung gebracht hat, kann man davon ausgehen, daß jeder Versuch ein Komplott gegen ihn zu knüpfen, scheitern wird.

 

Begreifen wir Trump als Herausforderung. Verstehen wir ihn als Aufforderung an Deutschland und Europa, die Institutionen und Prinzipien zu überprüfen, mit denen bisher gearbeitet wurde. Eine große Inventur ist  angesagt, eine Betriebsprüfung, bei der Brauchbares von Unbrauchbarem getrennt wird.

 

Entspricht diese sachlich-kritische Analyse nicht der deutschen Mentalität? Liegt hier nicht eine große Chance vor uns?

 

Johannes Hertrampf – 09.11.2018