Das Naheliegende

„Merkel muss weg!“ Dort, wo von Ängsten geplagte Bürger sich versammeln, wird diese Forderung erhoben. Die außerparlamentarische Demokratie wehrt sich gegen Entscheidungen der Regierung jenseits der Vernunft. Die bayerische Landesregierung ist bisher die einzige, die zaghaft die Merkel-Regierung  kritisiert und damit den Volksprotest verhindert. „Merkel muss weg!“ kommt nicht aus Bayern, sondern aus Sachsen, wo Herr Tillich sich auf die offene Konfrontation verlegt. Irgendwann werden die Bayern Herrn Seehofer hinter die Schliche kommen. Dann rufen die Bayern und die Sachsen gemeinsam „Merkel muss weg!“ Und dann passiert es. Merkel geht.

 

 

 

Die BRD befindet sich in einer Staatskrise. Bundesregierung und Bundestag haben die ihnen vom Volk in die Hände gelegte Macht in gröbster Weise mißbraucht, weil sie im Widerspruch zum Grundgesetz gehandelt haben. Das Parlament hat seine Selbständigkeit aufgegeben und sich den Vorgaben der Regierung gebeugt. Auch die dritte Säule der Demokratie, die Judikative, hat völlig versagt. Sie ließ sich von der Exekutive ins Schlepptau nehmen und hat ihre juristische Ordnungs-funktion aufgegeben. Und schließlich bleibt die öffentliche Meinungsbildung durch die Medien. Ihr Widerhall bei den Bürgern findet in dem Schlagwort „Lügenpresse“ seinen schärfsten Ausdruck. Die Exekutive hat auch die Medien fest im Griff. Meinungsfreiheit ist bei Gleichschaltung der Medien ausgeschlossen, deshalb tragen sie nicht zur demokratischen Willensbildung bei.  

 

 

 

Die BRD ist ein Staat ohne Bürgernähe geworden, ohne Bekenntnis zur deutschen Identität. Die  Bundeskanzlerin hat selbst dafür die offiziellen Anstöße gegeben. Ihre Ablehnung der Demokratie und der Sozialen Marktwirtschaft als dauerhafte Grundwerte des Zusammenlebens beweist ihr Unverständnis des Grundgesetzes. Daß die CDU als staatstragende Partei eine solche Aussage ungestraft durchgehen ließ, ist bezeichnend für die labile Geisteshaltung dieser Partei. Damit hat sie sich als Träger staatspolitischer Verantwortung disqualifiziert. Wenn man sich vor Augen hält, mit welcher Leichtigkeit das Grundgesetz von Regierung und Bundestag schon mißachtet wurde, muss man für die Zukunft einen rapiden Autoritätsverlust des Staates befürchten. Wo finden die Bürger dann noch einen gemeinsamen Halt? Noch haben sie Vertrauen zum Grundgesetz, noch berufen sie sich in Notsituationen mit Nachdruck auf seine Grundsätze, noch haben sie die starke Hoffnung, daß diese für alle bindend sind. Nicht auszudenken ist, wenn dieses Band der Gemeinschaft einmal endgültig zerrissen ist.       

 

 

 

Die Zerstörung des demokratischen Systems erfolgt in einem Zuge mit der Schaffung staatlicher Strukturen in der EU. Die Bundesregierung ist nicht nur der entschiedenste Verfechter der EU, sondern geht auch bei der Übertragung der national-staatlichen Verantwortung auf EU-Strukturen voran. Dabei stellt sich heraus, daß vor allem osteuropäische Länder sich gegen die Entmündigung sträuben. Diese Länder haben bisher die EU mehr unter dem finanziellem Vorteil gesehen und sind frustriert, wenn sie ihre nationale Souveränität abgeben sollen. Diese Länder haben sich offenbar  Illusionen gemacht und geglaubt, sie könnten EU-Gelder einstreichen, ohne dabei Selbstbestim-mung einzubüßen. Doch die EU-Oligarchen verschenken nichts. Sie lassen sich nicht austricksen. Diese Erfahrung mußte gerade Griechenland wieder machen.

 

 

 

Die EU-Spitzen haben mit ihren Friedens- und Wohlstandsvisionen für  EU und Euro die Völker getäuscht. Sie haben mit Geld gelockt und die wahren Absichten verschwiegen. Sie haben die Völker betrogen. Dieses Lügengewebe muss in gemeinsamer Arbeit der Völker Europas aufgedeckt werden, um eine gemeinsame Bereitschaft für die Wende in die Zukunft zu errichten.

 

 

 

Diese Wende muss die Zukunftsängste bannen. Sie muss die Grunderfahrung der Menschen ändern, indem sie das Verhältnis zwischen Staat und Bürger umkehrt. Der Bürger steht über dem Staat. Die Erneuerung wird nicht vom Staat erzwungen, sie muss von den Menschen gewollt und vom Staat  gefördert werden. Damit entfällt die staatliche Entfremdung durch Bevormundung. Damit verringern sich die Aufwendungen der Bürger für den Staat. Das ständige Aufblähen des heutigen  Staates ist nicht ein Zeichen zunehmender Ordnung, sondern eine Folge zunehmender Unordnung, als das nicht der Ordnung Entsprechende. Es ist der Versuch, durch immer neue Regulierungen den Freiheitsdrang der Bürger unter Kontrolle zu bringen und einzuschränken. Das ist die eigentliche Ordnungswidrigkeit des heutigen Staates. Wenn der Bürger will, dass das Eigenleben der Politik aufhört, dann meint er diese Ordnungswidrigkeit. Die gesellschaftliche Wende muss die Zustände mit den Interessen in Übereinstimmung bringen, Lebensfreude und Schöpfertum fördern und nicht die Interessen den Zuständen anpassen und sie damit abstumpfen und die Menschen auf Konsumgenüsse verengen.

 

 

 

Wer an die Entsagung appelliert, der führt nichts Gutes im Schilde. Wer die Lebenserfüllung in die Ferne rückt, der will sich einen unkontrollierten Zwischenraum von der Gegenwart bis in die Ferne schaffen, in dem allein sein Wort gilt. Solche Visionäre und „demokratischen“ Führer, solche „Volks“-Tribunen sind gerade deshalb die schlimmsten Verführer. Die Diktatur ist nach ihrer Meinung unerläßliche  Bedingung, daß sich die Hoffnung auf die bessere Zukunft erfüllt. Sie brauchen angeblich die „Freie Hand“, weil sie einen Plan haben und sind jederzeit bereit, das Scheitern dieses Planes dem Bürger in die Schuhe zu schieben. All diesen Pharisäern muss man sagen: Wer einmal den Weg der Diktatur eingeschlagen hat, wird von ihm nicht mehr ablassen. Diese Politiker bedienen sich gern der allgemeinen Erfahrung, das alles seine Zeit braucht und geben sich damit den Anschein, sie würden gründlich sein. Sie begehen dabei zwei Fehler: a) sie stellen sich über das Volk; der „Eine“ weiß, wie „Alles“ erreichbar ist. Und b) sie rücken „Alles“ in die Ferne. Aber „Alles“ beginnt mit der Gegenwart, „Alles“  hat seinen Anfang in der Gegenwart. Der Auserwählte steht über „Allen“ und für ihn hat „Alles“ keinen Anfang. Solche Politiker nennen sich gern Realpolitiker und sind nichts weiter als herrschsüchtige taube  Nüsse, die sich die Toleranz der Demokratie zunutze machen.

 

 

 

Die demokratische Reform entspringt nicht dem Kopf eines Politikers oder einer Partei:

 

1.   Sie entspringt der öffentlichen Volksdiskussion.

 

 

Die demokratische Reform orientiert sich nicht an einem Fernziel:

 

2.    Ihr Richtungspfeil weist immer in die Gegenwart. 

 

 

Die demokratische Reform wird nicht geführt, sondern verwaltet:

 

      3.   Die Bürger organisieren ihr Zusammenleben nach ihren Interessen und Möglichkeiten.

 

 

 

Nur so entstehen neue notwendige Werte und werden Aufgaben richtig bestimmt. Die Reform bringt eine neue Art und Weise des Zusammenlebens der Völker hervor. 

 

          

 

Geistige Unfreiheit ist die Bedingung der gesellschaftlichen Unfreiheit, denn der Ausweg wird nicht einfach gefunden, er muß erfunden werden. Das wird deutlich anhand der Kritik an der Bundesregierung. Obwohl die Kritik auf Grund der eklatanten Verstöße der Regierung gegen Gesetz und Ordnung berechtigt ist, klingt sie unsicher, halbherzig, trägt sie einen bedauerlichen Tonfall. Die Reaktion in den Medien - wie im Fall Seehofer - ist höhnisch. Die Kritik der Verantwortlichen an der Bundeskanzlerin hat jedenfalls bisher den Willen der Bürger zum Widerstand nicht entfacht, umgekehrt, der Unwille der Bürger hat erst die Politiker bewegt. Und nun soll sich das wieder umkehren, die Kritik der Politiker soll den Bürger ruhigstellen. Diejenigen, die in der CDU rebellieren, handeln aus Sorge um den Bestand der BRD. Sie wollen keine Alternative zu dieser, sondern ein Korrektur der Politik. Ihre Zaghaftigkeit ist Ausdruck ihrer Angst, der Bürger könnte sich als Souverän zu Wort melden und das System erschüttern. Trotz mancher markigen Worte ist es eher das Pfeifen im Walde, ein Fingerzeig nach oben, bloß nicht die letzte noch erträgliche Grenze zu überschreiten. Sie sind  meilenweit von der Erkenntnis entfernt, daß eben dieses System zu solchen Abartigkeiten führt, weil es sich im Vasallenstatus befindet und einer Ordnung angehört, bei der das Verfallsdatum überschritten ist. Ihre Kritik fordert nicht den Wandel des Systems, sondern bekennt sich zu seinem Erhalt. Deshalb hat diese konservative  Kritik nur insofern eine Bedeutung, als sie die Verunsicherung der Herrschenden erhöht.

 

Es ist das Schicksal der konservativen Kritik, daß sie nichts verändert. Sie hat nichts erreicht. Sie war in der Weimarer Republik und später in der BRD nicht in der Lage, eine demokratische Volksopposition in Gang zu bringen. Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie auf Kontinuität drängt. Aber den Ton angeben kann sie nicht. Wir können das gegenwärtig an der AfD beobachten, die sich auf den national-konservativen Rand der CDU ausrichtet und versucht, von ihm Stimmen abzuwerben. Alles deutet darauf hin, daß auch eine von den neoliberalen Wortführern bereinigte AfD nicht über den Zustand hinaus kommt, den sie bei ihrer Gründung aufwies, als die Hoffnungen der Bürger noch hohe Wellen schlugen. Diese Partei verfügt über kein griffiges Profil. Ein  Schwachpunkt ist unseres Erachtens die Ansicht, daß man zu sehr auf die Partei setzt, um eine  Änderung im Lande zu erreichen. Auffallend ist auch die Scheu vor der linken Kritik, von ihr in die  sogenannte „rechte Ecke“ gestellt zu werden. Den Linken und Grünen ist es gelungen, den Begriff „Rechts“ mit dem Makel „Neonazi“ zu belegen. Die Opposition hat diesem Druck weitgehend nachgegeben und verzichtet auf die nationale Wiederbesinnung, was überhaupt nicht mit der deutschen Geschichte begründet werden kann.   

 

 

 

Zur Vielseitigkeit eines Volkes gehört auch die politische Vielschichtigkeit, gehören auch die sogenannten politischen Ränder. Innerhalb dieser Vielschichtigkeit gibt es allerdings einen Bereich, der die geschichtliche Notwendigkeit am deutlichsten hervortreten läßt, von dem gewissermaßen ständig neue Impulse an die gesamte Erneuerung ausgehen. Wir meinen hier eine neue Welt- und Gesellschaftssicht, eine Leitidee, die Energien auslöst. Eine solche klare integrative Leitidee fehlte eben in der Weimarer Republik. Deshalb gab es den irreführenden Parteienstreit um die Lufthoheit statt der demokratischen Bewegung. Die konservative Opposition konnte damals nicht den Anstoß geben für eine starke Volksbewegung. Sie löste nicht den gemeinsamen Zukunftsoptimismus aus, der die Volksteile zusammenführte.

 

 

 

Unter geistiger Unfreiheit versteht man gewöhnlich die Unterdrückung kritischer Gedanken durch die herrschende politische Schicht. Darauf ist aber geistige Unfreiheit nicht zu reduzieren, vor allem heute nicht, da die Menschheit in die Endphase der Zivilisation eingetreten ist. Viel zäher als die von außen aufhaltende Wirkung ist die Behinderung infolge der in der Zivilisation erzeugten Denkmuster, die als Selbstverständlichkeiten empfunden und deshalb nicht als Gründe der System-erhaltung erkannt werden. Hinzu kommt, daß sie im Widerspruch zu den Erscheinungen des Systems stehen und deshalb nicht hinterfragt werden. Und selbst wenn die Entsprechung erkannt wird, die alten Normen sitzen so fest, daß die Menschen zurückschrecken, sie anzutasten oder gar zu beseitigen. Es sind also zwei die geistige Freiheit beeinträchtigende Widerstände, die von den Herrschenden genutzt werden.

 

 

 

Die Besonderheit der heutigen Systemkrise ist, daß sie auch Zivilisationskrise ist. Die Systemkrise ist innerhalb der Zivilisation nicht lösbar. Die Zivilisationskrise steckt in der Systemkrise, insofern ist die Systemkrise Ausdruck der Zivilisationskrise. Dieser Doppelcharakter der Krise verlangt Forderungen, die über die Zivilisation hinausreichen. 

 

 

 

Das heutige System fürchtet weniger die Kapitalismuskritik, sondern mehr die Zivilisationskritik.  Der Widerstand gegen diese erfolgt weniger als direkte Unterdrückung, obwohl die Medien sie mundtot machen. Das hauptsächliche Schwierigkeit ihrer Verbreitung ist die nach alten Bewertungsmustern ausgelegte Manipulation des Denkens und Fühlens der Menschen. Wird mit diesen Vorlagen gearbeitet, dann gibt es keine Abwehrhaltung, vielmehr ein Mitdenken, in der Hoffnung, doch noch einen kleinen Schritt zum Besseren zu tun.  Diese Bewertungsmuster sind den Menschen in der Schule als humanistische und gültige ästhetische Ideale vermittelt worden. Sie sind der schöne Glanz über der häßlichen Wirklichkeit. Und nun sollen sie durch die Zivilisationskritik einer kritischen Überprüfung unterzogen werden, gar noch als Irrlicht einer unvermeidlichen Selbsttäuschung erkannt werden? Das irritiert. Der ganzen Erklärung der Weltgeschichte liegen diese Bewertungsmuster zugrunde. Die Kritiker der heutigen Herrschaftsgesellschaft stützen sich weitgehend auf das gleiche Wertesystem wie die Verfechter. Sie tun sich mit ihrer Kritik insofern schwer, als sie diese Werte als zeitlos anerkennen und damit ihre Kritik eingrenzen. Wer da nicht aufpaßt, befindet sich plötzlich in einer Gesellschaft, die ihm gar nicht paßt.

 

 

 

Die Zivilisationskritik sollte heute vor allem bei der Wertekritik ansetzen und zum Ziel haben, die Umrisse eines Welt- und Geschichtsbildes zu schaffen, auf dessen Grundlage die gesellschaftliche Erneuerung möglich ist. Wenn diese herangereift ist, dann ist die geistige Umstellung eine zwingende Voraussetzung. Neu ist, daß die gesamte gesellschaftliche Interpretation auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt wird, so daß jetzt in bezug auf die Gesellschaft nachgeholt wird, was in bezug auf die Natur längst getan wurde. Dann hört die menschliche Entwicklung auf, eine black-box zu sein, in die jeder nach Bedarf hinein- und heraus-interpretieren kann. Was ein flüchtiger Blick in die Technikgeschichte offenbart, daß technische Erfindungen das Zusammen-leben der Menschen dauerhaft veränderten, eine neue Umwelt für ihn schufen, das gilt auch für epochale Umbrüche. Je allgemeiner die technische Veränderung erfaßt wird, desto gravierender sind die gesellschaftlichen Folgen. Der Übergang von der Werkzeugtechnik zur Maschinentechnik war der Eintritt in die Epoche der Herrschaftsgesellschaften, die sich unter dem Begriff der Zivilisation zusammenfassen lassen. Und der Übergang von der Maschinentechnik zur Automatentechnik bewirkt den Eintritt in die nachzivilisatorische Gesellschaft, auf die die Menschen heute so gut wie gar nicht vorbereitet sind. Es geht um den „Roten Faden“ der menschlichen Entwicklung. Was diese Wechselwirkung zur Gewißheit macht, ist die allgemeine Richtung der Geschichte. Für den heutigen spekulativen Pragmatismus ist diese Wechselwirkung uninteressant, weil der nur auf Begründungen aus ist, die zum Weiterregieren gebraucht werden.

 

 

 

Technischer Fortschritt ist die wichtigste Quelle der Freiheit. Er stellt den Menschen vor immer neue Probleme und ist zugleich das Mittel, sie zu lösen. Die Gewähr, daß ihm das gelingt, liegt in der Anwendung der Naturgesetze. Mit der Technik holt er diese in seinen Alltag. Die größere Freiheit des Menschen und die Vertiefung seines Naturverhältnisses gehören zusammen, waren bisher Merkmale des menschlichen Aufstiegs und werden es auch künftig sein.

 

 

 

Es ist nicht die zeitliche Nähe an sich, sondern es ist die Suche nach den Gründen, warum die Geschichte so verlief und nicht anders, weshalb das Zwanzigste Jahrhundert von besonderem Interesse ist. War nicht schon viel Potential vorhanden für einen Richtungswechsel? Es gab eine Menge wichtiger Signale für eine Zeitenwende. Doch die Signale als solche zu erkennen, fällt leichter, wenn man weiß, daß eine Zeitenwende ansteht.

 

 

                                                                                    Johannes Hertrampf - 21.10.2015