Chaos und Neuordnung

 

 

Johannes Hertrampf – 22.12.2016

 

 

Der homunculus glaubte, er könnte der Geschichte ein Schnippchen schlagen, die Zivilisation hätte kein Ende. Doch die Geschichte ist keine virtuelle Welt. Die Zivilisation ist am Ende. Zwei Weltmächte waren die Totengräber. An erster Stelle die USA, die sich zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts aufschwangen, die Menschheit unter ihre Kontrolle zu bringen. Es sollte eine perfekte Ordnung werden, die Uncle Sam, mit Geld und Militär wie einst den Römern mit Zuckerbrot und Peitsche, als Endzustand der Zivilisation vorschwebte. Wissenschaft und Technik lieferten die Mittel, im Unterschied zu früheren Weltherrschaftsplänen große Entfernungen schnell zu überwinden und menschliches Verhalten durch ausgeklügelte Informationsmittel zu lenken. Wenn diese Mittel geschickt eingesetzt würden, eröffnete sich eine neue Epoche, gleichsam als Ergebnis einer langen, intensiven Vorarbeit. Die Welt lag den Herren zu Füßen, sie mussten sie nur an sich nehmen. Es gab keine andere Macht, die über Jahrtausende hinweg soviel Erfahrung gesammelt hatte, dass der krönende Abschluss außer Zweifel stand.

 

Aber es gab zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts doch eine andere Macht, die sich auch auf die Übernahme der Welt vorbereitet hatte – die sozialistische Weltbewegung. Sie war aus der Schattenseite der Zivilisation hervorgegangen, mit ihrer Hoffnung auf ein Zeitalter der Wahrheit und Gerechtigkeit, das als Gegensatz zu den Alltagserfahrungen der Unterdrückten zur festen Gewissheit geworden war. Nach all den Nöten und Leiden musste eine bessere Welt kommen, nicht im ungewissen Jenseits, sondern im gewissen Diesseits. Im Neunzehnten Jahrhundert verdichtete sich diese Erwartung. Stürmisch hatte sich in der zweiten Hälfte eine weltumspannende Sozialistische Internationale entwickelt, die sich voller Selbstbewusstsein auf die neue Ordnung vorbereitete. K. Marx sah seinen Auftrag darin, die historische Notwendigkeit aufzudecken und die wichtigsten Bedingungen zu benennen, die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die politische Diktatur der letzten unterdrückten Klasse, die diesen Wandel in eine neue Gesellschaft unvermeidlich machen würde. Einmal erreicht, würden die Menschen sich in ihr fest einrichten, weil sie  ihnen Freiheit und Wohlstand garantierte.

 

Es waren also zwei zeitgleiche, aber sich diametral gegenüber stehende, Mächte, die eine neue Weltordnung verkündeten. Die eine als Projektion mit den ganzen Erfahrungen der Zivilisation. Die andere als Negation, ebenfalls mit den ganzen Erfahrungen der Zivilisation, als Zusammenfügung alles Wahren, Guten und Schönen. Zwei Ströme hatten sich gebildet, die jede für sich ihre Vorstellung von Vollendung der Zivilisation verkündeten. Die affirmierende Kraft brauchte keine Theorie, um sich zu rechtfertigen. Sie vertraute auf das schrankenlose Recht des Stärkeren, den Schwächeren zu besiegen, wie es ihrer Meinung nach die Natur dem Menschen vormache. Es wurde als Schwäche des Menschen angesehen, das  natürliche Verhaltensmuster mit Vorbehalten und Einschränkungen zu belasten, weswegen es bisher ja nie zur vollen Entfaltung gekommen war. Die Gesellschaft sei nur eine Wiederholung der Natur, behauptete sie. Die natürlich-biologischen Anlagen würden alle Gesellschaftsformen prägen. Diese seien die Grundmuster einer gesunden, starken und erfolgreichen menschlichen Organisation. Die Herrschaft als Ordnungsprinzip sei  dem Menschen von Natur aus gegeben. Ihr dürfe er sich nicht widersetzen. Jedem stehe der Weg nach oben offen, doch die wenigsten schaffen ihn. Diejenigen, die sich durchsetzen, garantierten den Bestand der Gesellschaft und brächten sie voran. Die menschlichen Opfer seien der Preis des Fortschritts. Die Natur erzeuge generell Überschuss, aus dem nur Weniges sich durchringe. Wer diese harte Konkurrenz ablehne, der untergrabe die Entwicklung. „Fressen und gefressen werden“ sei zwar erbarmungslos, aber erfolgreich. Eine Gesellschaft, die den Lebenskampf ablehne, sei deshalb unnatürlich und nicht lebensfähig.

 

Dem widersprach die negierende Kraft, die darauf verwies, dass Herrschaft nicht Leistung sei, sondern Selektion und Aneignung von Leistung zum Zweck von Herrschaft. Herrschaft halte die Leistenden in einer Zwangsgemeinschaft zusammen. Die Befreiung von diesem Ordnungsprinzip beseitige diesen Tribut und vergrößere damit den Reichtum, der für die Leistungsbringer zur Verfügung steht. Die Grenze des Reichtums sei die Leistungsfähigkeit der bisher Beherrschten. Das Diktat der Minderheit über die Mehrheit sei kein Naturgesetz, sondern eine Fehlinterpretation der Natur, hinter der sich das Interesse der Herrschenden verberge, ihre privilegierte  Stellung zu erhalten. Die Utopie des freien Menschen sei im Kern nicht falsch, sie müsse nur auf wissenschaftliche Grundlage gestellt werden, dann sei sie praktikabel. Im Mittelpunkt dieser wissenschaftlichen Begründung stehe die Anwendung der Gewalt der unterdrückten Klasse gegen die unterdrückende Minderheit. Das war die Quintessenz der Lösung.

 

Zwei Gesellschaftsbilder standen sich gegenüber. Beide als Resultat der Zivilisation, als ihre Fortsetzer bis zur Vollendung. Die eine positiv zur herrschenden Wirklichkeit, die andere negativ zur herrschenden Wirklichkeit. Die positive Macht wollte keine Erneuerung, weil sie eine Andersartigkeit für naturwidrig hielt, für Wunschdenken. Der Mensch könne  nicht aus seiner Natürlichkeit heraustreten. Die negative Macht verwarf den erreichten Zustand, sah in ihm das Material der Erneuerung. Die negative Macht sah dagegen den Sinn des Menschen nicht in der Wiederholung der Natur, sondern in der Höherhebung der spontanen Natur in die sich bewusst reproduzierende Natur. Für sie war der Mensch nicht ein Teil der Natur wie jeder andere Teil, sondern eine natürliche Besonderheit, die darin besteht, dass sein Wirken die Zusammenfassung des Wesens der Natur ist, ein neues Zusammenspiel ihrer Gesetze hervorbringt. Diese Gegenüberstellung der beiden Menschenbilder war der bestimmende Unterschied für das Geschehen im Zwanzigsten Jahrhundert. Doch wie sollten beide vorgehen?

 

Die Anwendung von Gewalt war der Weg dahin. Die Vertreter, die den Herrschaftsgedanken bejahten, setzten auf Machtanwendung. Und die Vertreter, die den Herrschaftsgedanken verneinten, setzten ebenfalls auf Macht als Mittel. Ohne Gewaltanwendung waren beide Gesellschaftsbilder nicht zu realisieren. Zum einen nicht, weil der Widerstand der Beherrschten nicht anders zu brechen war. Und zum anderen nicht, weil der Widerstand der Herrschenden nicht anders zu brechen war. Es war ein eigenartiger Widerspruch: beide setzten auf das gleiche erprobte Mittel der bisherigen Entwicklung. Hier lag offensichtlich bei den Kritikern der Herrschaftsgesellschaft ein Fehlschluss vor, insofern sie das bisher geltende Organisationsprinzip als Geburtshelfer einer herrschaftsfreien Gesellschaft ansahen, denn das gleiche Mittel reproduziert den gleichen Zweck, unabhängig von der Absicht.

 

 

So gab es zwei Versionen des Fortbestands der Zivilisation, die affirmative und die negative. Beide beruhten auf einer Gemeinsamkeit: das jeweilige Interesse bediente sich der Geschichte, um die Notwendigkeit des eigenen Weges zu rechtfertigen. So kam es zwangsläufig zum Wettbewerb der beiden Systeme, um die richtige Variante der Erhaltung der Zivilisation festzustellen. Beide stützten sich gegenseitig ab, indem sie sich gegenseitig als überlegen erklärten und in dieser Hinsicht keine Toleranz kannten. Sie wollten sich die Welt nicht teilen, sondern jede wollte sie nach ihrer Vorstellung organisieren. Doch dann zeigte sich, dass die negative Kraft ihre Ziele immer mehr in die Zukunft verlagern musste. Sie kam der Zukunft nicht näher. Der  Abstand zwischen Ziel und Wirklichkeit verschwand erst irgendwo in der Ferne. Und das war der Punkt, an dem sich die Hoffenden enttäuscht abwandten. Eine große, tief in der Erfahrung der Unterdrückten verwurzelte Utopie scheiterte.

 

Die Erkenntnis, einen falschen Weg gegangen zu sein, läutert den Geist bei der Suche nach dem Wissensvorlauf, der für die Überwindung der Zivilisationskrise erforderlich ist. Dabei geht es nicht um detaillierte  Handlungsvorsätze. Die sind immer Angelegenheit der betreffenden Generationen. Wissensvorlauf heißt hier, die Gründe für neue Entwicklungen des Menschen aufzuzeigen, die letztlich im  technischen Fortschritt verborgen liegen. Die anhaltende Häme der westlichen Welt über den verfehlten Aufbruch in die Zukunft entspringt nicht ihrer Überlegenheit, sondern überspielt das Unvermögen, die vor uns liegende Umwälzung zu begreifen. Wer sich als letzten Verteidiger der Zivilisation versteht, der versteht heute die Welt nicht mehr, und wer die Welt nicht mehr versteht, der steht „Wie die Kuh vorm neuen Tor.“

 

Diese Sicht auf das Zwanzigste Jahrhundert deckt den Grund der heutigen Krise auf und weist die Richtung,  in der sich die Suche nach einer Antwort bewegen sollte. Das Zwanzigste Jahrhundert erbrachte eindeutig den praktischen Beweis für die Untauglichkeit beider Zukunftsbilder. Beide sind gescheitert, weil sie der  Ursache der heutigen Krise nicht gerecht werden. Nicht die Herrschaft als Ordnungsprinzip ist die Ursache, sondern das schnell wachsende Befreiungspotential, das der technische Fortschritt hervorbringt und das mit dem Ordnungsprinzip der Herrschaft in Kollision gerät. Der Grund für das Versagen liegt in der Anwendung eines überholten Ordnungsprinzips.

 

 

Wenn man erkennt, dass Herrschaft und moderne Technik sich im Widerspruch befinden, dann ist klar, dass jede Vorstellung, die mit der Herrschaft liebäugelt, keine brauchbare Alternative sein kann. Der zweite Weg ist daran gescheitert. Die Überzeugung von seiner Machbarkeit entsprang nicht einer wissenschaftlichen Begründung, sondern dem Wunsch, die gesellschaftlichen Missstände schnell zu beseitigen. Als sich diese Erwartung nicht erfüllte, war es vernünftig, sich vom zweiten Weg abzuwenden, aber nicht so, dass man schamhaft die Diskussion über die Gründe des Scheiterns vermied. Die Ursachen des gesellschaftlichen Wandels werden bis heute vertuscht. Folglich muss man die Frage nach dem Warum stellen. Aber man muss auch die Gründe des Scheiterns aufdecken, die in der Wahl der Mittel liegen. Warum wächst der subjektive Freiraum und wie kann dem am besten Folge geleistet werden. Diese kolossale Erfahrung der Menschheit einfach beiseite zu schieben, ist willkürliche Ausblendung von Geschichte. Die Aufarbeitung des zweiten Weges steht noch aus, nicht um ihn praktikabel zu machen oder ihn noch massiver zu schmähen, sondern weil ein dringendes Interesse daran besteht, die geschichtliche Bewegung des Menschen zu erklären. Es hilft nicht, wenn hier die Begriffe Sieger und Verlierer strapaziert werden. Der Niedergang des Sozialismus war keine Aufwertung des Kapitalismus, vielmehr erinnerte er an den Einsturz eines Gebäudes, bei dem die Statik nicht stimmte. Die Läuterung als das Zur-Besinnung- Kommen ist eine subjektive Bereicherung. Die Hinwendung zum nationalen Gedanken ist ein Ergebnis dieser selbstkritischen Rückschau in den ehemaligen sozialistischen osteuropäischen Ländern. Hier sind die Völker, die den zweiten Weg versucht haben, den anderen voraus. Analog heißt es in Deutschland: Der Osten tickt anders.

 

Wenn das größere subjektive Potential letzten Endes technisch bedingt ist, dann muss dieser subjektive Zuwachs sich auch in neuen gesellschaftlich bedeutsamen Formen äußern, sonst entstehen destruktive Energien, wird daraus ein Zerstörungspotential. Es ist nicht eine Zerstörungslust, die sich hier äußert,  sondern ein Zerstörungsfrust, der sich entlädt, eine Antwort auf das gesellschaftliche Unvermögen. Dass sich dabei die Jugend besonders bemerkbar macht, ist völlig normal, denn ungenutzte Zeit in der Jugend kann nicht später wettgemacht werden. Die häufig genannte Warnung vor Gängelung darf nicht dazu führen, die Verantwortung des Staates für Steuerimpulse kleinzureden. Der Staat hat den Strukturwandel zu fördern. Er muss neue Entfaltungsräume aufzeigen, die sich dann auch als richtig erweisen, so dass die Menschen die Erfahrung machen, auf dem richtigen Wege zu sein. Der sozialistische Weg propagierte einen abstrakten Optimismus, der die Eigenverantwortung des Individuums vernachlässigte. Und die westliche Zivilisation setzt auf die Selbstregulierung der Gesellschaft über das Geld, wobei massenhaft subjektives Potential über die spontane Verwertung von Humankapital verloren geht. Das zeigt sich heute beim Zerbrechen der EU, die noch vor wenigen Jahren in höchsten Tönen gelobt wurde und das zeigt das Anwachsen chaotischer Zustände in den westlichen Industriestaaten.

 

 

Den Einsturz des sozialistischen Systems bewertete die von den USA geführte westliche Welt voreilig als Bestätigung der Überlegenheit des eigenen Weges, was ein schwerer Irrtum war. Sie glaubte, nun stehe ihr ein weltweiter Triumphzug bevor. Als sie merkte, dass das nicht der Fall war, beschleunigte sie den europäischen Integrationsprozess und schuf neue Konfliktherde und Feindbilder. Europa sollte nicht nur fest in der Hand der USA sein, es sollte vor allem eine aktive Mohrenrolle spielen. Deutschland sollte Führungsaufgaben übernehmen.

 

Nach der Auflösung des Sozialismus wurde seitens der linken Opposition kein neuer Versuch unternommen, eine alternatives Gesellschaftsmodell zu entwickeln. Die Menschen hatten dafür kein Verständnis mehr. Gleichsam als Korrektur der bisherigen Kritik ging es von nun an darum, im bestehenden System die sozialen Belange auszubauen. Der traditionelle Revolutionsgedanke wurde verworfen. Diese Tatsache war von grundsätzlicher Bedeutung. Der Blick wurde nämlich von der Zukunft auf die Gegenwart gelenkt. Dadurch hatte  das System keine Möglichkeit mehr, sich durch Kritik an einer alternativen Ordnung Luft zu verschaffen. Die Begriffe Freiheit und Demokratie, Frieden und Humanität konnte es nicht mehr gegen die andere Seite verwenden, sondern es musste sie anhand der eigenen Ordnung nachweisen. Die Heuchelei wurde das meist strapazierte Mittel der Propaganda. Das erleben wir gegenwärtig bei der Flüchtlingsfrage sehr anschaulich, wenn Politiker nach dem Terroranschlag in Berlin statt Entrüstung sich in Betroffenheit überbieten und den bisherigen Regierungskurs nach der Vorgabe der “Finacial Times“ bekräftigen: „Merkel sollte standhaft bleiben, was immer der Preis ist.“

 

 

Nach dem Niedergang des realen Sozialismus wurde der Sozialismus als Gesellschaftsmodell endgültig zu den Akten gelegt und mit ihm seine Einleitung, die politische Revolution. Diese Entscheidung für die demokratische Reform war ein Indiz dafür, dass generell der gewaltsame Wandel keinen Widerhall mehr fand. Er hatte als Mittel des Fortschritts versagt. Diese Umorientierung war kein Abgleiten in Opportunismus, sondern war eine Konsequenz der praktischen Vernunft. Sie ist kein leichterer Weg. Die praktische Reform ist komplizierter und aufwändiger ist als der politische Umsturz. Der demokratische Widerstand stellt höhere schöpferische Anforderungen an alle Beteiligten.

 

Die herrschende Führung betont wie eh und je die Überlegenheit der freiheitlich-demokratischen Ordnung, weicht aber zugleich vor dem konstruktiven Disput mit der demokratischen Opposition zurück. Sie ist sich ihrer Unterlegenheit bewußt, weshalb sie die Spielregeln der Demokratie ignoriert, in der Öffentlichkeit die Kritikpunkte verfälscht und verschweigt und sogar Steuergelder für politische Scheinbewegungen ausgibt. Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, den demokratischen Weg zu verlassen, wäre absolut falsch. Der demokratische Widerstand, der den demokratischen Wandel zum Ziel hat, ist und bleibt die einzig erfolgreiche Form der praktischen Kritik. Sie entblößt das herrschende System. Sein ständiges Beteuern der Demokratie entspricht nicht seiner Identität, sondern ist ein taktischer Schachzug. Herrschaft und Demokratie sind nun mal unvereinbare Begriffe. Indem das System immer wieder zu diesem ideologischen Trick greift bzw. greifen muss, gelangen die demokratischen Kräfte in die Offensive. Das Festhalten an der Demokratie ist also eine richtige Entscheidung in der gegenwärtigen Auseinandersetzung und für den weiteren Erneuerungsprozess.

 

Fühlt sich das System in die Enge getrieben, greift es zum Chaos als politisches Mittel, um die demokratische Kritik mundtot zu machen. Diese Wendung ist ein Versuch, verloren gegangene soziale Basis zurückzugewinnen. Der Bürger will Recht und Ordnung. Darauf pocht er. Wenn die herrschenden Interessen in Gefahr sind, dann provoziert es mit Chaos den Ordnungssinn der Bürger und diskreditiert die Kritik. So war auf SPIEGELONLINE am 18.12.2016 zu lesen: „Wie Pessimisten Deutschland in die Krise treiben“. Darunter war ein Bild von einem Plakat bei einer PEGIDA-Demonstration, auf dem zu lesen stand: „Merkel muss weg!“ Die beabsichtigte Assoziation beim Leser ist: Wer diese Forderung erhebt, ist ein Unruhestifter und ein Krisenmacher. Der Leser soll meinen, dass Bürger, die den Rücktritt von Merkel fordern, die freiheitlich-demokratische Ordnung stören und beseitigen wollen. Das ist Volksverhetzung pur, denn in Wirklichkeit sind diese Bürger diejenigen, die die freiheitlich-demokratische Ordnung verteidigen und erhalten. Chaos schürt Missmut gegen die Kritiker, der sich bis zum Ruf versteigt, endlich mit starker Hand dem Spuk ein Ende zu bereiten. Chaos diskreditiert die Demokratie und ist der Wegbereiter der Diktatur. Die Vermeidung von Chaos und die Bewahrung friedlich-demokratischer Regeln der Auseinandersetzung entspricht dem Volksinteresse.

 

Für den Bürger ist es unbegreiflich, dass Politiker das Chaos wollen, aber so ist. Das Chaos geht nicht von der Kritik aus, sondern von den gegenwärtig Herrschenden. Es ist keine Bedingung der Neuordnung. Es dient vielmehr dazu, die alte Ordnung zu erhalten. Und da die Politik an der alten Lösungsvorstellung festhält, – Stärkung des Gewaltmonopols -, entsteht das Chaos in der Gesellschaft. Das Chaos ist Ausdruck, dass sich die herrschenden Kräfte mit undemokratischen Mitteln der Kritik widersetzen.

 

In Deutschland tobt ein Kampf zwischen Demokratie und Autokratie.

 

 

Die Autokraten sitzen noch im Sattel. Aber die Demokraten sind heute stärker als je zuvor und die internationale Lage verändert sich zugunsten der demokratischen Kräfte.

 

Die bisherigen Einflusssphären brechen auseinander. Der Drang nach nationaler Selbstbestimmung verändert die Welt. In den USA deutet sich ein geopolitischer Wandel an.

 

Noch steht die deutsche Regierung zwischen den Fronten: der inneren Opposition und der internationalen Entspannung. Deutschland muss sich neu bestimmen, in Bezug auf die innere Opposition und die Annäherung zwischen USA, Russland und China. Deutschland darf sich diesen Veränderungen nicht entgegenstemmen, sonst ist uns Deutschen wirklich nur noch eine kurze Zeit gegeben.

 

 

 

Johannes Hertrampf – 22.12.2016